Regie: John Frankenheimer
Die Gewissensnöte eines Staatsanwaltes...
Das immer mehr gravierende Problem der Jugendkriminalität existiert
nicht erst seit Heute. Immer wieder haben Filmemacher der verschiedenen
Dekaden sich diesem Thema angenommen.
Beispielsweise stellt Luis Bunuel im 1950 gedrehten "Los Olvidados"
diese Ghettokids in der Millionenmetropole Mexico City eindrücklich in
ihrem Elend vor.
Jahre zuvor lernte das Kinopublikum mit Wylers "Sackgasse" oder Michael
Curtiz "Chicago" die sechs Boys aus den Slums kennen, die als "Dead End
Kids" Filmgeschichte schrieben.
In den 70er Jahren schlugen dann die Gangfilme eine wesentlich härtere
Gangart ein, man erinnere sich an Walter Hills düstere Odyssee durch das
nächtliche New York: "Die Warriors" flüchten von Versammlungsort Van
Cortlandt Park in der Bronx Richtung Heimat Coney Island. Vor ihnen
liegen aber diverse Bezirke, die von anderen Gangs beherrscht werden.
Hier ist dann erstmalig nicht nur die Grundtendenz niederdrückend, sondern auch die Perspektive für die Zukunft.
50er und 60er Hollywood Varianten boten immer noch eine Art HappyEnd in
dieser Misere der Jugendkriminalität an, etwa die Unschuld eines
Protagonisten, der einfach durch schlechte Gesellschaft auf die schiefe
Bahn geriet und womöglich dann auch dessen Besserung durch einen
entscheidenden Hilfeakt einiger Gutmenschen.
Richard Brooks "Saat der Gewalt" kann man hier als Referenz angeben,
aber auch der jetzt auf DVD erschienene zweite Film des unterschätzten
John Frankenheimer "Die jungen Wilden" aus dem Jahr 1961:
Danny Di Pace (Stanley Christien), Arthur Reardon (John Davis Chandler)
und Anthony "Vampir" Apostolat (Neil Nephew) sind Mitglieder einer
italienischstämmigen Straßengang, die sich "Thunderbirds" nennen. Ihr
Revier ist das Viertel Spanish Harlem in New York City.
Die Thunderbirds haben einen Dauerkrieg mit der immer größer werdenen
Anzahl der Konkurrenzgang "The Horseman" - Einwanderer aus Puerto Rico.
Natürlich ist die Arbeitslosigkeit und auch Perpektivlosigkeit sehr
hoch. Es regiert Hass.
Die drei Thunderbirds dringen am hellichten Tag ins Revier der Puerto
Ricaner ein und töten den blinden Roberto Escalante mit ihren Messern.
Danach werfen sie die Tatwaffen weg und flüchten. Dadurch dass es viele
Augenzeugen gibt, werden sie schnell gefasst.
Vertraut mit dem Fall wird der versierte Staatsanwalt Hank Bell (Burt
Lancaster), der selbst aus diesen Slums kommt und sich mit eisernem
Willen dem Ghetto entsagt hat und sich bürgerlich hochgearbeitet hat.
Er ist in diesem Falle für die Todesstrafe, dies will auch der angehende
Gouverneur Dan Cole (Edward Andrews), der sich von einem harten Urteil
natürlich die erforderlichen Wählerstimmen erhofft.
Doch Bell hat nicht nur mit den Ermittlungen zu tun. Auf der einen Seite
protestiert seine Frau Karin (Dina Merill) über die Todesstrafe, die
ihr Mann fordert. Andererseits ist einer der Jungen das Kind von Bells
früherer Freundin Mary Di Pace (Shelley Winters). Auf der Beerdigung von
Escalante fordert auch dessen Mutter (Vivian Nathan) die ultimative
Gerechtigkeit, die nur den Tod der Mörder bedeutet.
Trotzdem ermittelt Bell dann immer mehr auf beiden Seiten, er sucht
nicht nur nach Beweisen für die Schuld der Jugendlichen, sondern legt
auch ein Augenmerk auf entlastendes Material...








Armut, Unwissenheit, Rassenhass, Instabilität und Unsicherheit sind die
Themen des Films von John Frankenheimer, den er 1961 als seinen zweiten
Spielfilm gedreht hat. Schon in diesem Werk erkennt man die Klasse des
Regisseurs, der Jahre später so großartige Filme wie "Botschafter der
Angst", "Der Mann, der zweimal lebte" oder "Der Gefangene von Alcatraz"
drehte. Frankenheimer erlitt durch den Tod seines Freundes Robert
Kennedy ein Trauma, dass er versuchte mit Alkohol zu lindern. Dies hatte
zur Folge, dass seine Filmarbeiten ab dieser Zeit darunter litten und
er erst in seinem späten Lebensabschnitt mit "Ronin" und "Wild
Christmas" noch zwei sehr gute Filme realisierte und so ein sehr spätes
Comeback feiern konnte.Vielleicht ist das Problem bei "Die jungen Wilden" die Dramaturgie, die
irgendwann den Staatsanwalt mit seinen Gefühlen und Gewissenskonflikten
in den Mittelpunkt stellt, anstatt ganz bei den Jungen zu bleiben.
Aber die Vorlage, der Roman "A Matter of Conviction" von Evan Hunter
sieht dies so vor, dass die geistige Unruhe des Ermittlers im Zentrum
der Geschichte steht.
Daher verspielt der Film vielleicht aus heutiger Sicht dieses große
Thema. Trotzdem leistet der Film so einiges zu diesem Thema, wenn man
das Jahr seiner Entstehung bedenkt: 1961 ist die Aussage mutig, sie geht
vom Schwarz-Weiss Schema ab und zeigt auch die schwierigen
Voraussetzungen, wenn man in diesen Ghettos chancenlos aufwächst.
Sehr eindrücklich ist auf jeden Fall die Sequenz, als Bell die
Augenzeugin, die 15jährige Louisa Escalante (Pilar Seurat) vor Gericht
ins Kreuzfeuer nimmt. Hier erweist sich der Film als subtil, denn am
Ende steht der Respekt und die Wertschätzung für das Mädchen, dass man
auch durch ihren Lebenswandel verurteilen könnte - besonders eben im
Jahr 1961.
"Die jungen Wilden" ist nicht ganz das große Meisterwerk, aber ein recht guter empfehlenswerter Klassiker zu diesem Thema.
Er ist eher unbekannt, umso schöner, dass er jetzt als deutschsprachige DVD erscheint.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.