Dienstag, 19. April 2022

Schrei, wenn Du kannst


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Claude Chabrol

Die Cousins...

Claude Chabrol war mit Sicherheit einer der wichtigsten Regisseure der französischen Neuen Welle (Nouvelle Vague), eine Stilrichtung des französischen Kinos, die sich Ende der 50er Jahre langsam als Gegenpol zum kommerziellen Kino entwickelte.  Ausserdem ist Chabrol vor allem für seine sozialkritischen Filme über das französische Bürgertum bekannt, diese Themen würzte der von Alfred Hitchcock beeinflusste Filmemacher mit abgründigen und doppelbödigen Thrillermotiven. 1959 stand er aber noch ganz am Anfang seiner langem Karriere und hatte soeben seinen hochgelobten Erstling "Le beau Serge" (Die Enttäuschten) realisiert. Mit den gleichen Hauptdarstellern und ähnlicher Geschichte folgte sehr schnell "Les Cousins" (Schrei wenn du kannst) - ein präzise gestaltetes, sehr kühles Werk über zwei unterschiedliche Cousins.
Sehr schüchtern ist der introvertierte junge Charles (Gerard Blain) aus der Provinz, der als Student nach Paris kommt. Er kommt bei seinem Vetter Paul (Jean Claude Brialy) unter, der etwas gleichaltrig ist und ebenfalls Jura studiert. Paul ist selbstbewusst, extrovertiert, ja sogar großspurig - aber er kennt jede Menge lebenslustiger Altersgenossen. Für Charles ist dieses Ausleben vom Dolce Vita und die Dekadenz von Pauls Freunden eher sehr irritierend, aber auch er lässt sich langsam immer mehr vom Vergnügen und Nichtstun treiben. In Pauls Wohnung werden Partys gefeiert, es ist dort immer was los - auch hält sich dort der etwas ältere Schmarotzer Clovis (Claude Cerval) immer mal wieder auf. Charles lernt bei diesem Müßiggang die attraktive Florence (Juliette Mayniel) kennen und verliebt sich in das Mädchen. Die landet aber eines Tages in Pauls Bett und Charles akzeptiert auch, dass sie Pauls Geliebte in der gemeinsamen Wohnung wird. Er stürzt sich voller Eifer und lernt wie ein Besessener. Paul jedoch geht in die Prüfung trotz seiner eklatanten mangelhaften Kenntnisse....




Auch "Schrei wenn du kannst" wurde zu seiner Zeit ein großer Kinoerfolg- der Erfolg dieser ersten Werke der Nouvelle Vague ebnete nicht nur Chabrol, sondern auch anderen Regiedebütanten den Weg. Damals beschrieb der Film sehr realistisch das Leben wohlhabender Studenten in Paris, heute wirkt der Film natürlich auch sehr nostalgisch. Er zeigt aber viel vom Lebensgefühl der damaligen Generation und ist nicht zuletzt ein bitterer Vergleich zwischen einem ruhigen Provinzler mit einem lebensgewandten Blender, der mit seiner zynischen eleganten Art in allen Belangen viel leichter und besser durchs Leben kommt - der Erfolg bei den Mädchen und im beruflichen Werdegang fällt dem leichtsinnigen Typen einfach zu. Sein Vetter müht sich redlich ab, er schuftet für den Erfolg - doch er bleibt ein Verlierer.
Der Film lebt auch vom Spiel der beiden Hauptdarstellern Brialy und Blain, die ihre Rollen perfekt auf den Punkt bringen. Ich kannte mich bisher mit dem Frühwerk von Chabrol nicht besonders gut aus, doch es lohnt sich wirklich, die Beschäftigung mit dieser Neuen französischen Welle, die durch ihre Machart merklich auf die Entwicklung des progressiver geprägten 60er Jahre Kinos Einfluss nahm.




Bewertung: 8,5 von 10 Punkten.

 

Montag, 18. April 2022

Der Uhrmacher von St. Paul


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Bertrand Tavernier

Der unbekannte Sohn...

Die vielleicht bekannteste Arbeit des Filmregisseurs Bertrand Tavernier, der aus Lyon stammt, ist wahrscheinlich der 1986 entstandene Jazzfilm "Um Mitternacht". 1974 realisierte er mit dem Roman von Georges Simeon "Der Uhrmacher von St. Paul" seinen ersten Spielfilm. Die Handlung der Geschichte verlegte Tavernier in seine Heimatstadt Lyon und diese wurde von Kameramann Pierre William Glen auch sehr gut eingefangen. Dabei wird der Kriminalfilm auch um eine politische Variante erweitert und domiierend lebt aber der Film von seiner sehr differenzierten Charakterstudie eines Vaters, dessen Sohn plötzlich einen Mord begangen haben soll. Dieser Uhrmacher Descombes (Philippe Noiret, der klasse spielt) lebt mit seinem Sohn im Altstadtviertel St. Paul in Lyon. Descombes hat viele gute Freunde und ist ein angesehener Bürger, der sich immer wieder mit seinen Kumpels trifft - gemeinsam essen sie und unterhalten sich über Wirtschaft und Politik. Descombes selbst ist eher unpolitisch, im Gegensatz zu vielen seiner Freunden, die eher politisch links und gewerkschaftsnah stehen. Eines Morgens - gerade als er seinen Laden öffnen will - bekommt der besonnenne Mann Besuch von der Kripo. Der mit einem Mordfall beauftragte Inspektor Guilboud (Jean Rocheford) teilt ihm mit, dass Descombes Sohn Bernard (Sylvain Rougerie) der Hauptverdächtige sei. Dieser befindet sich auch auf der Flucht...gemeinsam mit seiner Freundin namens Liliane Torrini (Sylvia Pascal), die auch seine Komplizin sein soll. Diese Nachricht trifft den Vater wie ein Schock, er muss sehr schnell erkennen, dass sein Sohn viele Geheimnisse hatte...



Mit seinem Erstling "Der Uhrmacher von St. Paul" schuf Bertrand Tavernier einen sehr leisen, ruhigen Film, der so gut wie keine Action hat, dafür aber mit einer eindringlichen, psychologischen Studie zu gefallen weiß. Daraus bezieht der Film seine Spannung, auch die verständnisvolle Beziehung zwischen Uhrmacher und dem Kommissar ist gut gestaltet. Krimifans kommen durch diese subtile, sensible Gestaltung der Figuren auf ihre Kosten, man sollte aber keinen Kracher erwarten, der von Höhepunkt zu Höhepunkt eilt. Tavernier orientierte sich sicherlich auch am unaufgeregten Inszenierungstil der Chabrol Krimis aus dieser Zeit. Der Film entstand 1974 und erhielt den Silbernen Bären.




Bewertung: 8 von 10 Punkten.

Der Saustall


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Bertrand Tavernier

Die Rache des Schwächlings..

Der 1981 entstandene Kolonialkrimi "Der Saustall" ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten Filme des Regisseurs Bertrand Tavernier. Er bekam 1983 eine Oscarnomierung als bester ausländischer Film - konnte sich jedoch gegen den spanischen Beitrag "Volver a empazar" von Jose Luis Garci nicht durchsetzen. Bei der Verleihung der Cesars erreichte der Film 10 Nominierungen. Er ging aber am Ende überraschend leer aus. Die Filme "Diva" (Jean Jacques Beneix) und "Das Verhör"(Claude Miller) waren mit jeweils 4 Auszeichnungen die Gewinner des Abends.
Die Geschichte spielt im Jahr 1938 in dem fiktiven Dorf Bourassa Ourbangui in Französisch-Westafrika und ist vom Regisseur als Satire über das Wertsystem der weißen Herrscher über ihre Kolonie zu verstehen.
Dort lebt Lucien Cordier (Philippe Noiret), der einzige Polizist in einer kleinen Kolonialstadt. Man hat ihn nicht wegen seinem Mut und seiner Härte zum Polizisten gewählt, sondern weil er ein zwar gutmütiger, aber sehr feiger Typ ist. Cordier weiß dies und er lässt sich von den den Mitmenschen sehr viel Kränkung gefallen. Auch die beiden Zuhälter des Ortes verspotten und verhöhnen ihn bei jeder sich bietenden Gelgenheit. Seine Frau Huguette (Stephane Audran) betrügt ihn mit Nono (Eddy Mitchell), einem Mann, der bei dem Ehepaar lebt, weil Huguette ihn fälschlicherweise als ihren Bruder ausgibt. Cordier schwärmt für die junge Rose (Isabelle Huppert), lässt aber auch zu, dass ihr brutaler Mann (Michel Beaune) sie auf offener Straße verprügelt. Cordier hat null Autorität um sich durchsezten zu können. Dies macht ihm sein Vorgesetzter (Guy Marchand) klar - ab diesem Zeitpunkt verwandelt sich der gutmütige Polizist nach und nach in einen erbarmungslosen Mörder, der sich all seiner Peiniger entledigt. Er beschuldigt die Anderen, bevor er sie eliminiert. Am Ende bleibt er allein und geistig vernichtet zurück....


Weitere Darsteller sind Jean Pierre Marielle in einer Doppelrolle als Zuhälter und dessen Zwillingsbruder, die Lehrerin Anne wird von Irene Skobline gespielt. Das Szenenbild ist superb - verantwortlich dafür war Alexandre Trauner, ein Altmeister des franzöischen Kinos. Er hat auch bei Marcel Carnes "Kinder des Olymp" mitgewirkt. Kameramann war Pierre William Glenn, der die perfekten Kamerafahrten für diesen Alptraum schuf.



Bewertung: 8 von 10 Punkten.

Das Geständnis


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Constantin Costa-Gavras

Verhör und Folter...

Nach seinem Welterfolg "Z" für den er einen Oscar bekam, drehte der griechisch-französische Regisseur Constantin Costa Gavras mit "Das Geständnis" (Originaltitel: L´aveau) einen weiteren wichtigen Politthriller. Dabei wählte der Filmemacher einen dokumentarischen Stil, der die Beklemmung einer wochenlangen Folter noch verstärkt. Der Film basiert auf dem Tatsachenbericht des tschechoslowakischen Kommunisten Artur London, der einer der 14 Angeklagten des berüchtigten Slansky-Prozess war. Obwohl politisch linksstehend scheute sich der Filmemacher nicht auch die Greueltaten in einem kommunistischen System zu schildern. Seine Beschreibung soll die brutalen Machenschaften des Stalinismus bzw. des Totalitarismus. Der Slansky Prozess fand 1951 in Prag statt. Das Gericht verurteilte 11 der Angeklagten zum Tod durch Erhängen, drei Männer wurden mit einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe belegt. Einige Jahre später kamen die drei Gefangenen aufgrund einer Begnadigung wieder frei. Einer dieser Männer ist Artur Ludvik (Yves Montand) der im Film auch seinen Decknamen "Gerard" aus den Zeiten des Kampfes für die französische Resistance im 2. Weltkrieg trägt und der stellvertretender Außenminister der Tschechoslowakei ist. Ludvik und auch seine Frau Lise (Simone Signoret) sind natürlich überzeugte Mitglieder der kommunistischen Partei und der Regierung. Doch selbst seine Verehrung als Kriegsheld, kann nicht verhindert, dass der loyale Kommunist ins Visier der sowjetischen Geheimpolizei gerät. Zuerst bemerkt Ludvik, dass er vermehrt beobachtet wird und auch einige seiner Parteikollegen, die ebenfalls gute Posten in der Regierung inne haben.
Eines Tages wird Artur von einer Organisation, die sich selbst als "über der Regierungspartei stehend" bezeichnet, verhaftet und monatelang in Isolationshaft gehalten, ohne dass ihm der Grund dafür mitgeteilt wird. Seine Frau Lise und die Kinder werden von der Regierung im Unklaren gelassen und aufgefordert, zu ihrem eigenen Wohl zu kooperieren; Lise wird später aus ihrem Job als prominente Radiomoderatorin entlassen und von der Partei zur Arbeit in einer Fabrik gezwungen. Obwohl sie an ihren Mann glaubt, ist sie ebenso überzeugt von der Weisheit und ultimativen Güte der Partei.
Mit Hilfe von Gehirnwäsche, Schlafentzug und ständigem Hin- und Herlaufen wird Artur langsam dazu gebracht, imaginäre Verbrechen zu gestehen, darunter auch Verrat, und mit der Aussicht auf Strafmilderung geködert, wenn er kooperiert - einer der Vernehmer ist der intellektuelle Kohoutek (Gabriele Ferzetti). Von ihm erfährt er, dass seine Freunde ebenfalls verhaftet wurden und alle Männer in schwerwiegende Verbrechen gegen den Staat verwickelt sind. Es droht die Todesstrafe. Nachdem er schließlich seine angeblichen Verbrechen gestanden hat, wird Artur für einen öffentlichen "Prozess" vorbereitet, der live im Radio übertragen und in den Kinos gezeigt wird. Während seine Entführer ihm beibringen, vorbereitete Antworten auswendig zu lernen, erhält er kräftige Mahlzeiten, Vitaminspritzen und eine Sonnenlampe, um sein Aussehen nach Monaten der Auszehrung zu verbessern....







Der Film bekam eine Golden Globe Nominerung als bester Auslandsfilm des Jahres, verlor allerdings gegen "Der aus dem Regen kam" von Rene Clement. Endlose Folter-, Verhör- und Bedrohungsszenarien machten mitten im Kalten Krieg den film zu einem der härtesten Vertreter in seinem Genre. Gabriele Ferzetti (vor allem bekannt durch "Spiel mir das Lied vom Tod") liefert eine beeindruckende Leistung - genauso wie Hauptdarsteller Yves Montand, der für diesen Film exta 15 Kilogramm abnahm.





Bewertung. 9 von 10 Punkten.

 

Der unsichtbare Aufstand


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Constantin Costa Gavras

Ein Mann für spezielle Aufgaben...

Der Film "Z" gilt bis heute als einer der überzeugendsten Klassiker des politsch engagierten Kinos. In Szene gesetzt wurde der einflussreiche Politthriller von dem griechisch-französischen Filmemacher Constantin Costa Gavras, der auch anschließend diesem Genre treu blieb.
In dem 1970 entstandenen Nachfolgefilm "Das Geständnis" pragerte er die Foltermethoden in einem kommunistischen Staat an. Es folgte "Der unsichtbare Aufstand", der den Widerstand der Tupamaros gegen die von den USA unterstützte Militärdiktatur in Urugay zum Thema hatte. Auch sein Welterfolg "Vermisst" deckt die Machenschaften der Vereinigten Staaten während des Militärputsches 1973 in Chile auf.
Für "Z" bekam er einen Oscar, für "Das Geständnis" und für "Der unsichtbare Aufstand" bekam er eine verdiente Golden Globe Nominierung in der Kategorie des besten Auslandfilmes und für "Missing" erhielt er einen zweiten Oscar für das beste Drehbuch.
Auch wenn - wie schon zuvor in "Z" - der Staat nicht genannt wird, in dem sich die folgenden Ereignisse abspielen gibt es keinen Zweifel darüber, dass Costa Gavras mit diesem südamerikanischen Land Uruguay meint. Die Geschichte spielt 1970 in der Hauptstadt Montevideo. Inspiriert durch den Fall des als Entwicklungshelfer getarnten US-Agenten Daniel Mitrione, der ab dieser Zeit der Regierung in Urugay beratend zur Seite gestellt wurde. In Wahrheit ist der Mann jedoch als hilfreicher Berater für Unterdrückung und Folter bei den Sicherheitskräften des Landes tätig.
Im Film heißt er Philippe Michael Santore (Yves Montand), der offiziell Beamter der AID (Agency for International Development dort tätig ist. Der Film wird in Rückblenden erzählt. Vorher sieht man Szenen von einigen Großrazzien der Polizei. Schließlich findet man seine Leiche in einem in der Stadt abgestellten Auto. Der engagierte und sehr angesehene Journalist Carlos Ducas (O. E. Hasse) kann wie viele andere kritische Bürger nicht verstehen warum die Guerillagruppe ausgerechnet einen harmlosen Beamten - Berater sowie Kommunikations- und Verkehrsexperten -  entführen. Neben ihm wurde auch ein brasilianischer Konsul sowie der Sekretär der US-amerikanischen Botschaft entführt. Letzter wird sehr schnell von der Stadtguerilla wieder frei gelassen, dafür muss sich vor allem Santore dem Verhör der Entführer stellen. Dort fällt seine Tarnung, seine Schuld Helfer von Polizeidiktatur und Folterterror zu sein, ist schon lange aufgedeckt. Die Entführer versuchen auch, dass der Mann seine Schuld eingestehen kann. Zudem ist seine Entführung an die Freilassung einiger Revolutionäre geknöpft. Sollte die Diktatur den Forderungen nicht nachkommen, will man Santore erschließen. Die Entführung stürzt das Land in eine heftige Krise...



Einmal mehr überzeugt Yves Montand auf ganzer Linie. Hinter seiner sympathischen Art kommen sehr böse Abgründe ans Licht. Der Film regt wie alle anderen Filme von Costa Gavras sehr zum Nachdenken an. Die Machart ist sehr kompex, aber äusserst interessant. In Schlüsselrollen sind O.E. Hasse und Renato Salvatori perfekt besetzt.



Bewertung: 9 von 10 Punkten.