Regie: Paolo und Vittorio Taviani
Der Hirtenjunge...
"Mein Vater, mein Herr" ist ein 1977 entstandener Film der Brüder Paolo und Vittorio Taviani, der ursprünglich fürs Fernsehen gedreht wurde, dann aber mit der Präsentation bei einigen Filmfestspielen auch in die Kinos kam. Der Film nach dem gleichnamigen autobiographischen Entwicklungsroman von Gavino Ledda wurde bei den Berliner Filmfespielen mit einem Preis bedacht In Cannes erhielt er neben dem FIRESCI Preis auch die Goldene Palme als bester Film. Der junge Saverio Marconi wurde sowohl bei den BAFTA Awards als auch für den Nastro D´Argento nominiert. Die Geschichte erzählt von einem sardischen Hirten, der seit seiner frühen Kindheit von seinem herrschsüchtigen Vater terroriisert wird. Als junger Mann versucht er endlich dem Terror zu entkommen, indem er sich selbst weiterbildet. Schließlich wird er ein gefeierter Sprachwissenschaftler. Ein eindrucksvolles Werk über die Unterdrückung des Menschen, für den jedoch, wenn auch beschwerlich, ein Ausbruch möglich ist. Die Filmbewertungsstelle Wiesbaden verlieh dem Film das Prädikat "Besonders wertvoll". Die Tavianis engagierten sowohl professionelle als auch nicht-professionelle Schauspieler aus der sardischen Provinz. Der Titel "Padre Padrone" bedeutet wörtlich "Vater Meister“; 2008 wurde der Film vom italienischen Kulturministerium in die Liste der 100 zu rettenden italienischen Filme aufgenommen – eine Liste von 100 Filmen, die "das kollektive Gedächtnis des Landes zwischen 1942 und 1978 geprägt haben“. Der Film beginnt im dokumentarischen Stil in der Grundschule in Siligo, die der sechsjährige Gavino (als Kind: Fabrizio Forte, als junger Mann Saverio Marconi) besucht. Sein tyrannischer Vater (Omero Antonutti), ein Bauer, platzt herein und verkündet der Lehrerin und den Schülern, dass Gavino die Schule verlassen und sich um die Schafe der Familie kümmern müsse. Unter den wachsamen Augen seines Vaters und als Opfer seines sadistischen Verhaltens verbringt Gavino die nächsten vierzehn Jahre als Schafhirte in den sardischen Bergen. Dort beginnt er, "Dinge“ für sich zu entdecken und rebelliert gegen seinen Vater. Gavino wird aus seiner Familie und seiner Isolation gerettet, als er zum Militärdienst einberufen wird. Während seiner Zeit beim Militär lernt er Elektronik, Italienisch und klassische Musik kennen und sehnt sich gleichzeitig nach einem Universitätsstudium. Als Gavino nach Hause zurückkehrt, verkündet er seinem Vater, dass er studieren möchte. Sein Vater ist dagegen und droht ihm, ihn aus dem Elternhaus zu werfen. Es kommt zu einem heftigen Streit, doch Gavino studiert schließlich und ist ein brillanter Student. Er wird Linguist und spezialisiert sich auf die Ursprünge der sardischen Sprache. Der Film endet erneut im dokumentarischen Stil, als Gavino Ledda selbst erklärt, warum er sein Buch geschrieben hat und was sardische Kinder als Bewohner einer ländlichen Gegend mit enger Verbundenheit zum Land erwarten können....
Das patriarchalische Verhalten von Gavinos Vater wird so bereitwillig als unergründliche Konstante hingenommen, dass der Film kaum Einblicke in den Mann oder die Kultur gewährt, die ihn hervorgebracht hat. Immerhin lehrt er seinem Sohn viel über die Natur. Als er wieder einmal den jungen schlägt und dieser unter dem Schmerzen ohnmächtig wird, ist erstmalig auch die Sorge des Vaters für sein Kind zu entdecken. Faszinierend abweichendes Verhalten wird der Tradition zugeschrieben und so etwas von seiner Wildheit genommen. Doch der Film ist lebendig und sehr bewegend, roh, aber selten unverblümt, und voller rauer Landschaften, die die Natürlichkeit und Unvermeidlichkeit der dargestellten Vater-Sohn-Rituale unterstreichen.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.