Freitag, 11. April 2025

Mein Vater, mein Herr


Regie: Paolo und Vittorio Taviani

Der Hirtenjunge...

"Mein Vater, mein Herr" ist ein 1977 entstandener Film der Brüder Paolo und Vittorio Taviani, der ursprünglich fürs Fernsehen gedreht wurde, dann aber mit der Präsentation bei einigen Filmfestspielen auch in die Kinos kam. Der Film nach dem gleichnamigen autobiographischen Entwicklungsroman von Gavino Ledda wurde bei den Berliner Filmfespielen mit einem Preis bedacht In Cannes erhielt er neben dem FIRESCI Preis auch die Goldene Palme als bester Film. Der junge Saverio Marconi wurde sowohl bei den BAFTA Awards als auch für den Nastro D´Argento nominiert. Die Geschichte erzählt von einem sardischen Hirten, der seit seiner frühen Kindheit von seinem herrschsüchtigen Vater terroriisert wird. Als junger Mann versucht er endlich dem Terror zu entkommen, indem er sich selbst weiterbildet. Schließlich wird er ein gefeierter Sprachwissenschaftler.  Ein eindrucksvolles Werk über die Unterdrückung des Menschen, für den jedoch, wenn auch beschwerlich, ein Ausbruch möglich ist. Die Filmbewertungsstelle Wiesbaden verlieh dem Film das Prädikat "Besonders wertvoll".  Die Tavianis engagierten sowohl professionelle als auch nicht-professionelle Schauspieler aus der sardischen Provinz. Der Titel "Padre Padrone" bedeutet wörtlich "Vater Meister“; 2008 wurde der Film vom italienischen Kulturministerium in die Liste der 100 zu rettenden italienischen Filme aufgenommen – eine Liste von 100 Filmen, die "das kollektive Gedächtnis des Landes zwischen 1942 und 1978 geprägt haben“. Der Film beginnt im dokumentarischen Stil in der Grundschule in Siligo, die der sechsjährige Gavino (als Kind: Fabrizio Forte, als junger Mann Saverio Marconi) besucht. Sein tyrannischer Vater (Omero Antonutti), ein Bauer, platzt herein und verkündet der Lehrerin und den Schülern, dass Gavino die Schule verlassen und sich um die Schafe der Familie kümmern müsse. Unter den wachsamen Augen seines Vaters und als Opfer seines sadistischen Verhaltens verbringt Gavino die nächsten vierzehn Jahre als Schafhirte in den sardischen Bergen. Dort beginnt er, "Dinge“ für sich zu entdecken und rebelliert gegen seinen Vater. Gavino wird aus seiner Familie und seiner Isolation gerettet, als er zum Militärdienst einberufen wird. Während seiner Zeit beim Militär lernt er Elektronik, Italienisch und klassische Musik kennen und sehnt sich gleichzeitig nach einem Universitätsstudium. Als Gavino nach Hause zurückkehrt, verkündet er seinem Vater, dass er studieren möchte. Sein Vater ist dagegen und droht ihm, ihn aus dem Elternhaus zu werfen. Es kommt zu einem heftigen Streit, doch Gavino studiert schließlich und ist ein brillanter Student. Er wird Linguist und spezialisiert sich auf die Ursprünge der sardischen Sprache. Der Film endet erneut im dokumentarischen Stil, als Gavino Ledda selbst erklärt, warum er sein Buch geschrieben hat und was sardische Kinder als Bewohner einer ländlichen Gegend mit enger Verbundenheit zum Land erwarten können....









Das patriarchalische Verhalten von Gavinos Vater wird so bereitwillig als unergründliche Konstante hingenommen, dass der Film kaum Einblicke in den Mann oder die Kultur gewährt, die ihn hervorgebracht hat. Immerhin lehrt er seinem Sohn viel über die Natur. Als er wieder einmal den jungen schlägt und dieser unter dem Schmerzen ohnmächtig wird, ist erstmalig auch die Sorge des Vaters für sein Kind zu entdecken. Faszinierend abweichendes Verhalten wird der Tradition zugeschrieben und so etwas von seiner Wildheit genommen. Doch der Film ist lebendig und sehr bewegend, roh, aber selten unverblümt, und voller rauer Landschaften, die die Natürlichkeit und Unvermeidlichkeit der dargestellten Vater-Sohn-Rituale unterstreichen.








Bewertung: 9 von 10 Punkten. 

 

Der Holzschuhbaum


Regie: Ermanno Olmi

Das Leben lombardischer Bauern...

"Der Holzschuhbaum" (italienischer Originaltitel: L´albero degli zoccoli) wurde 1978 von Ermanno Olmi geschrieben und inszeniert. Der Film zeigt das Leben von lombardischen Bauern in einem riesigen Bauernhaus (Cascina) im späten 19. Jahrhundert. Dieser Gutshof in der Po-Ebene gehört "dem Herrn" - ebenso der große Teil des Viehs und auch das umliegende Land. Die vier Bauernfamilien, die auf dem Gutshof leben und ihn bewirtschaften müssen auch zwei Drittel ihrer Ernte dem Gutshofbesitzer abgeben. Olmi wählte für seine Filmfiguren echte Bauern und Einheimische aus. Der Film kann beinahe schon als Dokumentation angesehen werden, so authentisch ist der Ablauf eines Jahres auf dem Gutshof. Dabei erinnert "Der Holzschuhbaum" sehr stark an die früheren italienischen Klassiker des Neorealismus, weil er das Leben der Armen in den Mittelpunkt stellt. Olmi erhielt viel Lob und sein bester Film gewann vierzehn Preise, darunter die Goldene Palme und den Cesar für den besten fremdsprachigen Film. Am Anfang des Films überredet der Pfarrer den Bauern Battisti (Luigi Ornhagi) und dessen Frau (Francesca Morrigi) ihren Sohn Minek (Omar Brignoli) auf die Schule zu schicken. Damit fällt der kleine Junge weitestgehend als Arbeitskraft auf dem Hof aus. Battistas Frau ist zudem schwanger - wieder ein Kind, wieder einer mehr, der essen will. Dann zerbricht auch noch zu allem Unglück auf dem Heimweg von der Schule Mineks Holzschuh. Um Schuhe zu kaufen, ist kein Geld da. Heimlich schleicht sich Battisti nachts aus dem Haus und fällt eine kleine Erlenpappel und genauso heimlich shcnitzt er seinem Sohn einen neuen Schuh als dem gestohlenen Holz. Kinder werden geboren, Feldfrüchte angebaut, Tiere geschlachtet (eine Gans und ein Schwein: Diese Szenen sah ich mir als Tierschützer und Vegetarier mit Widerwillen an) und Paare heiraten. Im gemeinsamen Bauernhaus werden Geschichten ausgetauscht und Gebete gesprochen. Obwohl die Bauern die unterschwelligen Strömungen der Revolution wahrnehmen, bleiben sie von den politischen Unruhen weitgehend unberührt. Ein kommunistischer Agitator hält eine Rede auf einem Jahrmarkt, und ein frisch verheiratetes Paar wird bei einem Besuch in Mailand Zeuge der Verhaftung politischer Gefangener. In der Familie Finard gibt es oft Streit, da der Vater sehr geizig ist. Neben den Battistis und Finards lebt die Witwe Runk (Teresa Brescianini) mit ihren sechs Kindern sowie die Familie Brena mit auf dem Hof. Mit ihrem Verdienst als Wäscherin kann die Witwe ihre Sprösslinge kaum ernähren. Sie plant daher, mit Hilfe des Pfarrers die beiden jüngsten Kinder in ein Heim zu geben. Ihr ältester Sohn Peppino (Carlo Rota) wehrt sich aber dagegen. Lieber will er Tag und Nacht arbeiten, als dass die Familie zerbricht. Als die Kuh der Familie erkrankt und der Arzt prophezeit, dass das Tier sterben wird, gibt die Mutter dem Tier Wasser zu trinken, das sie neben der Kapelle geschöpft hat. Die Kuh gesundet wider Erwarten, wird jedoch später samt Kalb vom Gutsverwalter abgeholt. Die Familie Brena steckt in Hochzeitsvorbereitungen – Tochter Maddalena (Lucia Pezzoli) heiratet Stefano (Franco Pilenga), der ihr schon seit längerem den Hof gemacht hat. Die Hochzeitsreise verbringt das Paar bei der frommen Tante des Mädchens in Mailand, die ein Waisenhaus leitet. Sie gelangen mit einem Flusskahn in die Stadt, die zu dieser Zeit von Demonstrationen und Unruhen streikender Arbeiter heimgesucht wird. Die Zeiten ändern sich - doch mit Protest und Rebellion haben die religiös geprägten Menschen auf dem Land nichts zu tun. Sie sehen ihr Leben in Armut als Gott gegeben an. Ihre Hochzeitsnacht verbringt das junge Paar in zwei zusammengeschobenen und mit einem Kranz geschmückten Betten im Klostersaal. Einen Tag später gelingt es der Tante, Maddalena und Stefano zur Adoption eines Kindes zu überreden... 












Am Ende wird Battista für das Fällen des Baums hart bestraft. Der Besitzer kündigt der Familie fristlos. Im Abenddunkel beladen sie einen Karren mit ihren wenigen Habseligkeiten. Erst als das Gefährt in der Dunkelheit verschwindet, kommen die Nachbarn heraus, die drinnen für die Familie gebetet haben, und schauen dem Karren, der bald verschwindet, von der Ferne aus zu. Olmis Film wird von vielen bewundert - von Mike Leigh, von Al Pacino, der "Albero degli zoccoli" als seinen Lieblingsfilm nannte. Auch von mir, denn die Geschichte, die fast 3 Stunden dauert und keine besonderen Höhepunkte ausweist, ist geprägt von großem Respekt und spürbarer Anteilnahme und Empathie für diese einfachen Menschen. 











Bewertung: 10 von 10 Punkten

Nur Samstag Nacht


Regie: John Badham

Samstag Nacht im 2001 Odyssee...

1977 war das Kinojahr von John Travolta. Er spielte die Rolle des jungen Italoamerikaner Tony Manero aus ganz einfachen Verhältnissen, der am Wochenende in der Disco "2001 Odyssee" in Manhattan zu Star wird. Der Film spielte 94 Millionen Dollar ein - lediglich "Star Wars", "Ein ausgekochtes Schlitzohr" und "Unheimliche Begegnung der dritten Art" machten 1977 noch mehr Umsatz. In Deutschland landete "Saturday Night Fever" auf Platz 5 der Jahreskinocharts - mehr als 4,5 Millionen gingen in Deutschland ins Kino. Für diese Rolle wurde John Travolta auch für den Oscar nominiert - leider gab es keine weiteren Nominierungen und dies obwohl für diesen Tanzfilm reihenweise Popmusikklassiker wie "Night Fever", "How deep is your Love", "More than a woman", "If i Cant have you", Beethoven Nr. 5", "Disco Inferno" oder "Staying Alive" geschrieben wurde. Die Musik stammt von den Bee Gees, der Soundtrack war ein Millionenseller. Die Academy hat mit You light up my life" (Debbie Boone) und "Nobody does it better (Carly Simon) zwei gute Filmsongs nominiert, aber auch das legendäre "New York, New York" aus dem gleichnamigen Scorsese Film, gesungen von Liza Minelli wurde sträflich missachtet. Inzwischen befinden sich sowohl die Musik von "Saturday Night Fever" und auch "New York, New York" ganz weit oben in der Liste des American Film Institute über die besten Filmsongs.  Sehr wenige Filme spiegeln das Zeitgeistgefühl der 70er Jahre so gut und authentisch wider als John Badhams Klassiker über die damalige Disco-Kultur. Tony Manero wohnt im Bay Ridge Viertel in Brooklyn, er lebt noch im Haus der Eltern und arbeitet in einem Farbengeschäft. Er entflieht aber seinem Alltag, indem er in der Diskothek 2001 Odyssee tanzt, wo er als König des Dancefloors die Bewunderung erhält, nach der sich sehnt. Tony und seine Freunde Joey (Joseph Cali), Double J (Paul Pape), Gus (Bruce Ornstein) und Bobby C (Barry Miller) verbringen ihre Nächte auch in dieser Disco, versuchen in Bobbys Auto Sex mit den Frauen zu haben und klettern in Mutprobenmanier auf die Verrazzano-Narrows-Beidge. Das Mädchen Anette (Donna Pescow) ist in Tony verknallt und er willigt zunächst ein deren Partner im bevorstehenden Tanwettbewerb zu sein. Anettes Glück währt jedoch nicht lange, als Tony sich in die Tänerzin Stephanie Mangano (Karen Lynn Gorney) verguckt, die auch noch besser tanzt als Anette. Zunächst wirkt Stephanie abweisend, doch irgendwann willigt sie ein Tonys Partnerin bei dem Wettstreit zu sein. Obwohl Bobby ein großes Problem mit seiner schwangeren Freundin hat und den Rat von Tony braucht, hat dieser nur noch Augen für Stephanie, die von einer Karriere träumt und damit angibt, dass sie durch ihren Job bekannte Stars en masse kennenlernt. Der Höhepunkt bildet zunächst der Contest, bei dem Tony und Stephanie gewinnen, obwohl Tony das puertoricanische Tanzduo noch besser fand. Danach folgt aber die Sequenz, die damals beim Kinoeinsatz merklich entschärft wurde - Anette stimmt zu mit allen Kumpels von Tony Sex im Auto zu haben, was in eine Vergewaltigung ausartet und es bleibt nicht der einzige Horror dieser Nacht. Aus Enttäuschung über Tonys Missachtung klettert Bobby auf die Brücke und beginnt mit waghalsigsten Mutproben, um die Aufmerksamkeit zu erlangen. Er stürzt zu Tode. Was bleibt ist ein von sich selbst angeekelter und erschütterter Tony, der die ganze Nacht mit der U-Bahn fährt, um irgendwie den Kopf freizubekommen. Er bsucht am Morgen Stephanie, nach einer Aussprache beschließen sie zumindest Freunde zu sein...









Der Sountrack verkaufte sich 40 Millionen Mal und ging um die Welt. Es handelt sich sicherlich um einen der besten Filme des Jahres 1977 und John Travolta hätte sicherlich den Oscar für diese intensive Rolle verdient. Travolta lebt seine Rolle, auf der Tanzfläche agiert er wie ein Pfau, der Amphetamine zu sich genommen hat. Er stolziert wie verrückt herum. In den stärksten Momenten bringt "Saturday Night Fever" auch ein verstecktes Gefühl der Hauptfigur zum Ausdruck. So sehen wir in Tonys Audruck das Bedürfnis, der zu sein, der man sein möchte. Die Realität zeigt aber die gelebte Tristesse. 











Bewertung: 10 von 10 Punkten.