Donnerstag, 12. Juli 2018

Call me by your name







































Regie: Luca Guadagnino

Ruf mich bei deinem Namen...

Bei der Oscarverleihung sorgten die Nominierungen für "Call me by your name" (darunter auch bester Film) für eine Überraschung, denn Luca Guadagninos Film ist alles andere als übliches Oscarfutter und irgendwie weit davon entfernt ein Film fürs amerikanische Mainstreampublikum zu sein. Regisseur Guadagnino, der Sohn einer Algerierin und eines Italieners wuchs einige Jahre in Äthiopien auf, besuchte die Universität La Sapienza in Rom. Bereits 1999 legte er mit "The Protagonists" sein Spielfilmdebüt vor. Es folgte eine 35-minütiger Kurzfilm mit Tilda Swinton. Sie war auch in seinem Film "Io sono l´amore" zu sehen. Dieser Film erhielt sogar eine Golden Globe Nominierung. Es folgte "A bigger Splash" - ein Remake des Alain Delon/Romy Schneider Klassikers "Swimmingpool".
"Call me by your name" ist auf den ersten Blick gesehen ein Sommerfilm mit viel Romantik und viel Melancholie, denn zu einer ersten großen Liebe kommt dann am Ende auch noch ein Abschied dazu. Für die Kameraarbeit hat der italienische Filmemacher auf den Thailänder Sayombhu Mukdeeprom gesetzt. Eine sehr gute Wahl, der Cinemathograph hat bislang für Apichatpong Weerasethakul (u.a. auch für "Onkel Boonmee erinnert sich an seine frühere Leben") gearbeitet.
Eine starke Komponente liegt auch in der Filmmusik - hier konnte Sufjan Stevens gewonnen werden, der erstmalig für einen Film drei Filmsongs (Mystery of Love, Visions of Gideon", "Futile Devices") beisteuerte. Der Mann weiß, wie man dichte melancholische Lieder schreibt.
Die Geschichte spielt in den frühen 80er Jahren, daher kamen auch Songs dieser zeit von F. R. David, Franco Battiato, Lorendana Berte, Bandolero, Giorgio Moroder und Joe Esposito zum Einsatz, als Gegengewicht zum Pop dieser Zeit wurden auch Stücke von Ryuichi Sakamoto, Johann Sebastian Bach und Maurice Ravel eingesetzt.
Die Geschichte ist recht alltäglich - der 17jährige Elio (Thimothee Chalamet) lebt bei seinen Eltern im ländlichen Norditalien. Es sind Ferien und es ist Sommer. Sein Vater (Michael Stuhlbarg) ist ein angsehener Professor für Archäologie und er lädt jeden Sommer einen Doktoranden für 6 Wochen dorthin ein, um eine Hilfe bei seinen akademischen Papieren zu haben und um bei Forschungsarbeiten zu helfen. In diesem Sommer ist es der zuerst etwas oberflächlich und etwas arrogant wirkende Amerikaner Oliver (Armie Hammer) aus New England. Der schöne Landsitz liegt irgendwo in der Poebene, nahe der Kleinstadt Crema. Elio ist mehrsprachig aufgewachsen, der Vater ist vermögend und dementsprechend ist die Mutter (Amira Cazar) durch einige Dienstboten entlastet. Der Haushalt wird von Mafalda (Vanda Capriola) geschmissen. Elio ist ein Schöngeist, er liest viel und ist ein talentierter Klavierspieler. Mit der etwa gleichaltrigen Mariza (Esther Garrel) flirtet er ein bisschen und der Neuankömmling sieht gut aus und hat auch gleich einige Verehrerinnen um sich geschart. Vor allem die hübsche Chiara (Victoire Du Bois) scheint sich sehr stark für den attraktiven Ami zu interessieren. In dieser zeit versucht auch Elio Oliver einzuschätzen.  Er merkt, dass der ihm alles andere als egal ist, vermutet aber, dass Oliver ihn nicht besonders leiden kann. Gelegentlich schwimmen sie zusammen und machen Spaziergänge oder Radtouren in die Stadt. Er beginnt eine sexuelle Beziehung mit Mariza und prahlt damit vor Oliver, um weitere Reaktionen abzuschätzen. Immer mehr fühlt er sich von Oliver angezogen. Während eines Besuchts auf der Post fasst Elio dann doch seinen Mut zusammen und deutet an, dass er Gefühle empfindet. Obwohl Oliver zögern, kommt es am folgenden Tag zum ersten Kuss...





"Call me by your name" ist vor allem ein europäischer Film, die Handschrift des italienischen Regisseurs ist deutlich spürbar. Das Schlußbild am Kamin ist wunderschön und doch gleichzeitig sehr schmerzhaft, denn mit Abschied wird sich jeder Zuschauer identifiieren können, auch mit dem süßen Schmerz der ersten Liebe, die man für immer in Erinnerung behalten wird.
Die Affäre eines 17jährigen Jungen mit einem 24jährigen US-Amerikaner basiert auf dem 2007 erschienen Roman von Andre Aciman (Ruf mich bei deinem Namen) wird getragen von hervorragenden Darstellerleistungen. Der 1995 geborene Timothee Chalamet wurde sogar mit einer Oscar-Nominerung als bester Hauptdarsteller geehrt - leider war Gary Oldman als Churchill so sehr Churchill, dass man voraussehen konnte, dass nur er das Rennen machen kann. Schauspiel-Oscars vergibt man gerne an Darsteller, die bekannte und historische Persönlichkeiten darstellen. Ein Hoch aufs Method Acting - oder auch nicht. Jedenfalls finde ich die Leistung von Chalamet genauso preiswürdig. Sie ist halt völlig anders, hat Identifikationscharakter, Tiefe und löst Emotionen aus, während die andere Art der Schauspielkunst wie sie Gary Oldman liefert, den Zuschauer so verblüfft und beeindruckt, weil man es schafft eine bekannte Persönlichkeit zum Leben zu erwecken.
Von den vier Oscarnominierungen konnte James Ivory den Preis fürs beste adaptierte Drehbuch gewinnen - damit gelang dem mittlerweile 90jährigen Regisseur von Filmen wie "Zimmer mit Aussicht" oder "Maurice" ein glänzendes Comeback.
"Call me by your name" ist sicherlich einer der schönsten Filme dieses Jahres. Dem Regisseur gelang ein super Film, der sowohl feinfühlig, lebendig und auch zerbrechlich wirkt. Damit ist ihm nicht nur ein Klassiker des Jugendfilms gelungen. Weit mehr als Coming of Age oder Coming out - die Hauptthemen dieses Films sind die Sehsucht und die Vergänglichkeit.






Bewertung: 9,5 von 10 Punkten. 

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