Freitag, 11. Oktober 2019

Tsotsi


Regie: Gavin Hood

Townships, Johannesburg...

Der Vergleich mit dem kraftvollen Meisterwerk von Fernando Meirelles "City of God" liegt bei "Tsotsi" sehr nahe. Beide Filme thematisieren die Jugendkriminalität in den s.g. Schwellenländern. Und beide orientieren sich dabei weniger an den US-Gangstafilmen der Neuzeit, sondern eher am ersten bedeutenden Film über Kindergangster: Bunuels "Die Vergessenen", ein 1950 entstandener Film, der die Zustände in den Slums von Mexico City schildert und schon damals ein ähnlich trostloses Bild zeigt. Sehr zu empfehlen...
Ich finde alle drei Filme ausgezeichnet, wobei es die beiden anderen Filme wohl etwas leichter haben zu überzeugen, weil dort der ungeschönte Realismus immer Oberhand hat. "Tsotsi" dagegen setzt sich rein oberflächlich mit diesem gestohlenen Baby natürlich zuerst mal des Kitsches und der Verwässerung aus.
Die Dramaturgie wechselt nun vom dreckigen Slumreport immer wieder zu einer gewissen Erlösungsgeschichte und zu einer Reise ins Ich des Protagonisten Tsotsi. Das gestohlene Baby fungiert auch als eine Art Sehnsucht auf eine bessere Welt. Und ich finde, dass diese Dramaturgie sehr wohl überzeugt. Sie ist weder kitschig, noch rührselig...sondern elementar. Regiesseur Gavin Hood vermittelt eine sehr glaubwürdige Identifikation zwischen Junggangster und seinem gestohlenen Baby. Durch die Erinnerungen an die Kindheit, die bei Tsotsi aufkommen (Vater brutaler Alkoholiker, Mutter Aidskrank), wird schnell klar, dass er in diesem kleinen Geschöpf sich selbst sieht und so ist es keineswegs unglaubwürdig, wenn ein junger Mensch aus äusserst dissozialen Verhältnissen in genau dieser Lebenssituation den verschütteten guten Kern in sich spontan mobilisieren kann.




Schlüsselszene ist der erneute Einbruch in die Villa der Eltern, er hat ja Tage vorher die junge Mutter zum "Krüppel" geschossen, den Wagen geklaut und rein zufällig lag dieses Baby auf dem Rücksitz.
Die direkte Konfrontation mit dem Vater des Kindes wird zur grandiosen Vergangenheitsbewältigungs-Szene, denn Tsotsi hat einen Hass auf den eigenen Vater und er beobachtet in dieser Einbruchs-Situation den Vater des Kleinen sehr genau.
Ich finde diese Szene mit den daraus sich ableitenden Interpretation in die traurige Psyche unseres Gangsters ist grandios gemacht.
In diesem Kontext wirkt dann auch der Schluss niemals übertrieben, sondern er manifestiert auch die Aussage des Films. Dieser Säugling hatte, vielleicht nur für eine Momentaufnahme, eine reinigende Wirkung auf unsere grausame Realität. Zeigt sie doch an, dass alle Menschen fast identische Grundbedürfnisse in sich tragen und erst die Lebenswege ausschlaggebend sind, was wir werden und was wir sind.



Bewertung: 9 von 10 Punkten.

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