Freitag, 24. April 2020

Cyclo







































Regie: Tran Anh Hung

Aus dem Leben eines Rikschafahrers...

"Cyclo" heißt der zweite Film des in Frankreich lebenden Exil-Vietnamesen Tran Anh Hung. Sein Filmdebüt "Der Duft der grünen Papaya" war ein großer internationaler Erfolg für den Regisseur, er wurde dafür bei den Filmfestspielen in Cannes mit einem Preis bedacht, erhielt den Cesar für den besten ausländischen Film und bekam auch eine Oscarnominierung in der Auslandsfilm-Kategorie.
"Der Duft der grünen Papaya" war ein idyllischen Saigon Portrait, obwohl der Film kunstvoll in einem französischen Studio gedreht wurde. Der Nachfolgefilm "Cyclo" allerdings wurde ausschließlich an Originalschauplätzen in Saigon (heute. Ho-Chi-Minh Stadt) gedreht.
Mit diesem sehr eigenwilligen Großstadtportrait ist ihm nach meiner Einschätzung einer der besten Filme der 90er Jahre gelungen. Wobei "Cyclo" in seiner Heimat wegen seiner schonungslosen Darstellung verboten wurde. Es gibt in der Geschichte zwei äusserst brutale und blutige Sequenzen. Aber genauso aggressiv sieht das Verkehrsgewühl dieser chaotischen Metropole aus, die die Kameracrew unter der Leitung von Benoit Delhomme, teilweise hinter Kartons oder Zeltplanen versteckt, eingefangen haben.
Mehr als 8 Millionen Menschen leben in dieser Stadt und als Rikschafahrer lebt man auf diesen übervollen und hektischen Straßen besonders gefährlich.
Einer davon ist die Hauptfigur der Geschichte - der 18jährige Junge (Le Van Loc) ist auf sein Fahrrad angewiesen, denn mit dem Job finanziert er das Überleben seiner armen Familie. Der Junge denkt sehr oft an seinen vor einem Jahr verstorbenen Vater, der die gleiche Arbeit ausführte und bei einem schweren Verkehrsunfall starb.
Zur Familie gehört der alte Großvater (Ke Kinh Huy), der trotz körperlicher Einschränkung noch Fahrräder repariert und seine beiden Schwestern (Tran Nu Yen Khe spielt die ältere Schwester,  die kleine Schwester wird von Pham Ngoc Lieu verkörpert) - das kleine Mädchen stellt Schuhe her und die größere Schwester trägt auf einem der vielen Märkte der Stadt Wasser.
Eines Tages wird dem Jungen das Fahrrad gestohlen, das er von seiner Arbeitgeberin (Nguyen Nhu Quynh) geliehen und noch nicht mal ganz bei ihr abgezahlt hat. Die Chefin verfügt, dass er Dienste für ihre kriminelle Vereinigung ableisten muss, das Sagen in dieser Gang hat der melancholische "Poet" (Tony Leung). Es bleibt dem Jungen verborgen, dass auch seine größere Schwester nun in der Schuld steht und für den Poeten anschaffen soll. Doch der Poet verliebt sich in seine Prostituierte, auch das Mädchen hat Gefühle für ihren jungen Zuhälter. Währenddessen soll der Junge als Killer arbeiten und die Gangmitglieder zeigen ihm ihre brutalen Praktiken. Ein bisschen freundet sich der Junge mit dem schwachsinnigen Sohn (Bjuhoang Huy) seiner Chefin an, der in etwas gleichaltrig ist und ein Faible für Farben hat. Als ein Freier das Mädchen entjungfert, ist er Poet rasend vor Wut, denn diese Spielart war nicht vereinbart und er entscheidet sich den Mann zu töten...




Die Handlung ist nicht ganz leicht zu entschlüsseln, denn einige Szenen des Films wirken irgendwie kryptisch. Erst nach und nach wird das Bild klarer von der Geschichte des jungen Rikschafahrer, die ein bisschen an Vittorio de Sicas Klassiker "Fahrraddiebe" angelehnt ist und der Liebesgeschichte zwischen einem jungen Gangster und einem armen Mädchen, die kein gutes Ende nimmt - in einer Stadt, die wirkt als würde sie ihre Menschen auffressen wollen. Tran Anh Hung zeigt dem Zuschauer eine turbulente und total hektische Stadt, was auch an der ganzen Atmosphäre zu spüren ist. Aber er schafft es gekonnt auch leise Zwischentöne zu setzen, um den Charakter der Hauptpersonen besser begreifbar zu machen. So ist der Poet kompliziert, traumatisiert und depressiv. Der Cyclo eher einfach und unschuldig und die Schwester etwas traurig und melancholisch. Die naturalistische Beschreibung vom Leben des Alltags in einem fremden land wird zunehmend ein komplexes, surreales Gemälde, in dem die Außenwelt mit dem Innern der Protagonisten eine gewisse Verschmelzung eingeht. So schwebt über allem eine gewisse Balance zwischen Wirklichkeit und Traum, zwischen Vorstellung und Beobachtung. "Cyclo" hat mir auf eine ruhige, magische Weise einen fremden Ort auf dieser Erde und seine Menschen, die dort leben, nahe gebracht.





Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

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