Samstag, 18. April 2020

Die Brut







































Regie: David Cronenberg

Materialisierte Aggressionen

 1979 stand David Cronenberg noch am Anfang seiner phänomenalen Karriere als Filmregisseur. Er hatte noch nicht diese Welterfolge wie in den 80ern, galt aber bereits als grosse Hoffnung im Sektor des Horrorfilms. Denn seine Filme waren sehr persönlich geprägt und unterschieden sich auch durch ihre Eigenwilligkeit stark von anderen Genrevertretern, selbst in der progressiven 70s Filmdekade. Seine Filme handelten von einem unheilvollen Körperhorror. Der Mensch machtlos einer katastrophalen Entwicklung ausgeliefert, die zunehmend die Ganzheit des Körpers beeinflusst und ihn körperlich und seelisch mutieren lässt.
"Die Brut" entstand nach seinen ersten Erfolgen mit "Shivers" und "Rabid", ist in Deutschland nach wie vor auf dem Index, aber vielleicht liegt der Film mit etwas Glück unter der Ladentheke der Videothek ihres Vertrauens.
Grund für diese Einstufung ist wahrscheinlich das Bild, dass der Film über Kinder vermittelt. Mich hat der Film immer ein bisschen an "Böse Saat" von Mervyn LeRoy aus den 50ern erinnert. Bei diesem Klassiker spielt ein böses Kind die Hauptrolle. Cronenbergs Kind im Film wird zuerst als Opfer inszeniert und etwas später als mögliche Zeugin eines grausamen Mordes, selbst als Täter der Bluttat schliesst man die kleine Candice Carveth (Cindy Hinds) nicht ganz aus.
Candice ist sozusagen das bemittleidenswerte Produkt einer gescheiterten Ehe von der psychisch kranken Nola (Samantha Eggar) und Frank Carveth (Art Hindle).
Das Paar lebt vorübergehend getrennt, weil Nola so krank ist, dass sie derzeit in einer längeren PsychoTherapie mit stationärem Aufenthalt durchmacht. Ihr Arzt ist der berühmt berüchtigte Dr. Hal Raglan (Olver Reed), der einbe äusserst umstrittene Psychoplasmatik-Therapie in seiner Klinik betreibt. Um die psychologischen Blockaden und die verdeckten Aggressionen aus der Kindheit zu durchbrechen, müssen diese Aggressionen noch einmal hervorgeholt werden und immer wieder durchlebt werden. Meistens übernimmt der Arzt in den ominösen Sitzungen den Part als "Daddy".
Ziel der Carveths ist es die zerrüttete Ehe vielleicht doch noch retten zu können. Aber die Voraussetzungen sind denkbar ungünstig. Als Frank bei seiner kleinen Tochter blaue Flecken und viele Verletzungen am Rücken entdeckt, nachdem sie bei der Mutter war, hat er den Verdacht, dass seine kranke Frau das gemeinsame Kind schlägt. Er will das alleinige Sorgerecht erwirken. Er fordert eine Unterredung mit Dr. Raglan, der ihm abrät in der jetzigen Therapiephase seiner Frau etwas zu unternehmen, dass zum Nachteil Nolas wäre. Da Frank mit den Schwiegereltern (Henry Beckman/Nuala Fitzgerald) ein gutes Verhältnis hat, soll die Kleine zuerst bei Schwiegermutter Juliana unterkommen. Mittlerweile stellt sich in den Therapiesitzungen heraus, dass Nola wütend auf ihre Mutter ist. Sie wurde als Kind geschlagen. Der Arzt fordert von ihr, sich ganz in die Wut zu begeben und alles rauszulassen. Zur gleichen Zeit passiert schreckliches im Haus der Schwiegermutter. Juliana ist mit ihrer Enkelin nicht mehr allein im Haus, eine kleine Person (Kind ?), dessen Gesicht uns Cronenberg vorerst nicht zeigt, wütet in der Küche, wirft sämtliches Geschirr zu Boden und schliesslich wird die kleine Candice Zeuge eines bestialischen Mordes..


"Die Brut" war der bislang einzige Film von Cronenberg, den ich noch nicht kannte. Tatsächlich ist er eher immer ein Geheimtipp geblieben.
Der Film ist aber ein grandioser Genrebeitrag, der mich total begeistert hat. Ich stelle ihn mal spontan auf eine stufe mit "Die Unzertrennlichen", der m.E. Cronenberg bester Film ist.
Der Film soll auch ein Remake bekommen. Eine Nachricht, die jetzt nicht mehr sonderlich überraschen sollte, da im Horrorgenre derzeit beinahe jeder gute Klassiker noch einmal verfilmt werden muss. Meistens wird der fiese Widerhaken rausgenommen und durch CGI Effekte und viel Mainstream-Zugeständnis ersetzt.
Vielleicht wird aber dadurch das Original wieder ein Thema. Ich hab mich stellenweise richtig gut gegruselt, vor allem "Die Brut" erzeugt echte Gänsehaut und Cronenberg gelingt es spielend, durch die intelligente Story und die vielen Überraschungen die der film bietet, richtig unangenehmen Horror zu erzeugen.
Lange Zeit vermeidet er es, den direkten Blick auf den Täter zu legen und zelebriert genüsslich das Motto "Grauenvoll ist das was wir nicht sehen, der Horror läuft in unseren Gedanken ab". 
Darüberhinaus gelingt es ihm den Plot so stark zu inszenieren, dass selbst die Auflösung eine genauso starke Wirkung hat.
Ganz klar: Ein perfides, böses Meisterwerk.




Bewertung: 10 von 10 Punkten.

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