Sonntag, 29. Dezember 2019

Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben








































Regie: Apichatpong Weerasethakul

Geheimnis der Wiedergeburt...

"Uncle  Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben" ist für uns Zuschauer im Westen ein reichlich seltsamer Film. Nichtsdestotrotz erhielt der Regisseur Apichatpong Weerasethakul für diesen Spielfilm 2010 als erster thailändischer Filmemacher die Goldene Palme der Internationalen Filmfestspiele von Cannes. Wahrscheinlich wirkt der Film gerade wegen seiner besonderen Machart auch im hohen Maß faszinierend auf die Zuschauer, die sich auf die Fremdartigkeit einlassen können.
Beispielsweise taucht ein Affenmensch mit glutroten Augen bei seinen Verwandten auf. Dieses Wesen ist der vor langer Zeit verschollene Sohn Boonsong (Jeerasak Kulhong) des sterbenskranken Boonmee (Thanapat Saisaymar), der sich wie selbstverständlich zu den Familienmitgliedern gesellt, die gerade Abendessen. Zuvor tauchte auch die verstorbene Frau Huay (Natthakarn Aphaiwong) in dieser Runde auf. Boonmee und Tante Jen (Jenjira Pongpas) sind gar nicht sonderlich überrascht oder schockiert, dass plötzlich Geister mit am Tisch sitzen und sich ganz normal mit den Lebenden unterhalten, lediglich Tong, Jens Sohn (Sakda Kaewbuadee) und Jai (Samud Kugasang), Boonmees Vorarbeiter aus Laos zucken etwas ängstlich zusammen. Aber sehr schnell haben auch sie sich an diese aussergewöhnliche Zusammenkunft mit den Gästen aus dem Reich der Toten gewöhnt. Man dreht nur das Licht ein wenig herunter, denn das vertragen Geister nicht so gut.
So befremdlich diese filmische Darstellung von Reinkarnation für den Zuschauer zu Beginn auch wirkt, so selbstverständlich nimmt er immer mehr Anteil an dieser Tatsache. Zumal diese sich in einer natürlichen Umwelt zeigt, wie der moderne Mensch sie gar nicht mehr wahrnehmen kann. Doch aus der gezeigten Unberührtheit üppiger Natur und unter dem ständigen Flirren von Insekten ist eine faszinierende Atmosphäre gegeben, die möglicherweise solche Wahrnehmungen noch zulässt. Der Filmemacher zeigt diese mit einem Anflug von Melancholie - diese Idylle, dieses selbstverständliche, vertraute Zusammengehen von sich liebenden Menschen, von Geistern und von Tieren verschwindet allmählich in unserer Welt. 
Es gibt Szenen mit einer Prinzessin (Wallapa Mongkolprasert), die schon lange weiß, dass sie ihre Jugend verloren hat und im Wasser sieht sie ihr jugendliches Spiegelbild. In der ersten Szene zeigt der Regisseur einen massigen Wasserbüffel, der sich von seinem Pflock losreißt, durchs Reisfeld in den nahen Urwald flüchtet. Am Ende duscht sich ein Mönch im Hotelzimmer seiner Verwandten, ist er auch ein Geist ?
Tim Burton, der 2010 Jurypräsident von Cannes war, bringt es vielleicht auf den Punkt "Der Film hat mir einen wunderschönen, seltsamen Traum beschert". Sicherlich wird man nur mit dieser Offenheit Weerasethakuls spirituelle Bilder genießen können. Der Film erzählt vom Abschied eines Menschen, der dieses Dasein verlassen muss, aber dennoch durch die Lebenden mit dieser unserer Welt für immer verknüpft sein wird. In seinen Filmen besetzt der Filmemacher die Rollen ausschließlich mit Laiendarstellern, die im Norden Thailands geboren sind.






Ohne Spezialeffekt-Schnickschnack und andere filmtechnischen Möglichkeiten erzählt dieser Film von einer ganz eigenen Welt und macht Dinge sichtbar macht, die dem Zuschauer normalerweise verschlossen bleiben.  In dieser transzendentalen Erlebniswelt und im Sog der sinnlichen Erfahrungen und traumhaften Bilder (der Kameramann heißt Sayombhu Mukdeeprom, der später mit Miguel Gomez und Luca Guadagnino drehte) gleitet man als Zuschauer tatsächlich etwas in diese andere Ebene der Wahrnehmung und man fragt sich, ob es diese Existenz von Geistern und Zwischenwesen tatsächlich gibt.
Bei der Umfrage der BBC nach den 100 besten Filmen des neuen Jahrhunderts wurde "Uncle Boonmee" auf Platz 37 gewählt. Bereits mit seinem 2004 gedrehten "Tropical Malady" hat mich der Regisseur begeistert, sein Cannes-Gewinnerfilm wird mich noch eine Zeitlang beschäftigen.





Bewertung: 9 von 10 Punkten. 

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