Mittwoch, 24. April 2019

Der Club der toten Dichter







































Regie: Peter Weir

Carpe diem...

Nach seinem sehr erfolgreichen US-Debüt "Der einzige Zeuge" war Peter Weirs zweiter US-Film "Mosquito Coast" leider nicht sonderlich erfolgreich. Doch sein nächstes Projekt brachte ihn wieder zurück zur Spitze: "Der Club der toten Dichter" entstand 1989 und wurde bei einem Budget von 16 Millionen Dollar ein riesiger Kassenhit. Der Film über die Schüler der traditionsreichen Welton Academy spielte 253 Millonen Dollar ein und landete mit diesem Einspielergebnis in den Kinojahrescharts auf Platz 5. Bei der Vergabe der Oscars sprangen jedoch überraschend nur vier Nominierungen heraus: Tom Schulman erhielt eine davon für sein effektives Drehbuch. In der Rolle des Lehrers Mr. Keating war Robin Williams sogar der Favorit. Peter Weir konnte sich unter die besten fünf Regisseure platzieren und der Film schaffte es auch unter die fünf Filme, die um den Hauptpreis konkurrierten. Die Konkurrenz war in diesem Jahr gar nicht so stark mit Filmen wie "Miss Daisy und ihr Chauffeur", "Feld der Träume", "Geboren am 4. Juli" und dem britischen Drama "Mein linker Fuß". Aber "Club der toten Dichter" war am Ende nur in der Drehbuchkategorie erfolgreich und war im Grunde der Verlierer des Abends. "Miss Daisy und ihr Chauffeur" war mit 4 Auszeichnungen der erfolgreichste Film des Abends.
Vermutlich sah man den "Club der toten Dichter" etwas misstrauisch als ausgesprochenen Zeitgeistfilm. Noch dazu wurde das Konfliktthema des Films zwischen konservativer Schulleitung und den nach Selbstentfaltung strebenden Jungen im Jahr 1959 zu plakativ gezeichnet. Das Leitmotiv "Carpe diem" wurde zum Schlagwort und sehr schnell, vielleicht zu schnell, bekam der Film das Prädikat eines Kultfilms übergestülpt.
Sätze wie "Pflücke die Knospe, so lange es geht, und die Blüten, wenn sie noch prangen. Denn bald sind die Rosenblätter verweht, wie schnell kommt der Tod gegangen", "Oh Käpt’n, mein Käpt’n!" oder "Carpe Diem. Nutzet den Tag, Jungs. Macht etwas Außergewöhnliches aus eurem Leben." faszinierten aber das junge Kinopublikum und es enstand eine hohe Identifikation mit diesen Schülern, die plötzlich ihre Indivualität durch einen unkonventionellen Lehrer entdecken. Sie beginnen ihren bislang strikten Gehorsam zu hinterfragen und prüfen die Möglichkeit, ob es doch noch etwas anderes im Leben gibt als die Leitmotive dieser Schule "Tradition, Ehre, Disziplin und Leistung". Damit hatte dieses traditionsreiche Internat ihren Erfolg und viele der Schüler gelangten durch diesen strikten Lehrplan, durch hohe Anforderungen und nicht zuletzte durch harte Sanktionen zum beruflichen Durchstarten und zum Aufstieg in die Elite. Die Poesie hatte bislang nicht viel Platz in diesem jungen Leben, die auch noch zudem stark unter der Fuchtel von ehrgeizigen Eltern stehen. Bei den Schülern selbst hat die Wellton-Academy den Spitznamen "Hellton Akademie" - damit ist die Hölle auf Erden gemeint.
Im Herbst 1959 beginnt ein neues Schuljahr. Der schüchterne Todd Anderson (Ethan Hawke) ist einer der neuen Internatsschüler. Man hegt große Hoffnungen in ihn, denn schließlich war sein älterer Bruder einer der der Jahrgangsbesten. Er teilt sich sein Zimmer mit dem künstlerisch begabten Neil Perry (Robert Sean Leonard), dessen Vater (Kurtwood Smith) unbedingt will, dass sein Sprößling Medizin studieren soll und später Arzt wird. Um seine guten Leistungen nicht zu gefährdet, entscheidet der Vater, dass sein Sohn das Amt in der Schülerzeitung aufgeben muss. Neil fügt sich dem Willen seines Vaters, Widerreden haben keine Chance. Mr. Nolan (Norman Lloyd), der Schulleiter hat in diesem Jahr auch einen neuen Englischlehrer verpflichtet. Dieser Mr. Keating (Robin Williams) hat selbst in diesem Internat die Schule besucht. Und dieser neue Lehrer ist auch eine echte Herausforderung für die Schüler (u.a. Josh Charles, Gale Hansen, Dylan Kussmann, Allelon Ruggiero, James Waterston), denn er agiert völlig anders als seine Kollegen. So versammelt er die Jungs vor den Bildern ehemaliger Schüler und meint "Jeder von uns, der hier anwesend ist, wird irgendwann aufhören zu atmen, erkalten und sterben" während seine Schüler die alten Jahrgangsfotos längst vergangener Tage anschauen. Oder er sagt ihnen "Im Walt zwei Wege boten sich mir dar und ich ging den, der weniger betreten war - und das veränderte mein Leben". Mit diesen Worten findet bald ein gewisses Umdenken bei den Schülern statt, sie gründen in einer Höhle im Wald den "Club der toten Dichter" und Neil entdeckt seine Liebe zur Schauspielerei. Er meldet sich bei einem Casting, es werden Nachwuchsschauspieler für die Aufführung von Shakespears "Sommernachtstraum" gesucht. Durch sein Talent bekommt er am Ende die Rolle des Puk. Die Aufführung wird zu seinem persönlichen Triumph, aber führt auch zur größten Katastrophe. Am Ende sucht man einen Schuldigen und wird bei Mr. Keating auch fündig. Weder Eltern noch die Schulleitung sehen eine Schuld bei sich, eine Reflektion des eigenen Verhaltens wird unterlassen. Dafür wird aus dem System nur der Fremdkörper entfernt...





Der Film steht zwar für ein demonstratives Bekenntnis zur Kraft und zur Freiheit des Geistes durch das Bild der sich erhebenden Schülern. Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass "Der Club der toten Dichter" ein sehr bedrückender und düsterer Film mit ebensolchem Ausgang ist. Denn vorher wurden die Schüler durch die Autoritäten gezwungen Verrat zu üben und nur so wurden es ihnen ermöglicht im System weiterhin zu bleiben. Wenn man den "Club der toten Dichter" heute aus einer retrospektiven Sicht betrachtet, ist der Zeitgeisteffekt von damals verschwunden und was bleibt ist sogar eine zeitlos aktuelle aber bittere Abrechnung mit gängigen Systemen, die vor allem durch Mitläufer zusammengehalten werden.




Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen