Samstag, 17. Februar 2018

Das Wiegenlied vom Totschlag







































Regie: Ralph Nelson

Blaurock...

"This is my country" so am Anfang der Titelsong zum Film, gesungen von der Indianerin Buffy St. Marie - es geht um die Indianer und die unrühmliche Vergangeheit der US-Soldiers.
Nachdem die Indianer ja jahrzehnte vom Hollywoodwestern dramaturgisch als die Bösen (Grosse Ausnahme: Der gebrochene Pfeil) eingesetzt wurden, haben doch die Umwälzungen der 60s (Bürgerrechtsbewegungen, Vietnam) eine andere Sichtweise begünstigt und folgerichtig nahm Hollywood die neuen Strömungen auch in die Filme auf. Es entstanden Werke wie "Little Big Man", "Der Mann, den sie Pferd nannten" und eben auch das Wiegenlied vom Totschlag.
Auch die Indianer forderten zu dieser Zeit ihre Bürgerrechte ein und Filme, wie die o.g. hatten den Anspruch dieses Recht zu verstärken und zu untermauern.
Trotz diesem ehrbaren Anspruch erzielte der Film in den 70s seinen Kassenerfolg vor allem durch sein schon in den Trailern gewollt plakative Slogans "härtester und brutalster Film aller Zeiten" und man wurde den Verdacht nie los, dass es (weniger den Machern) vor allem aber den Studios um Kohle ging, wenn sie den auch den unverbesserlichen Voyeur ins Kino lockten. Damals waren solche provokativen Filme total in  und das Ziel Vergangenheitsbewältigung zu betreiben wurde vielleicht dadurch etwas verfehlt.
Aus heutiger Sicht treten aber die Vorzüge dieses Massakerfilms hervor. Im Zuge des damals noch stattfindenden Vietnamkrieges und des My Lai-Massakers wurde "Soldier Blue" wegen seiner Thematik und seiner expliziten Gewaltdarstellungen sehr kontrovers diskutiert. So drastisch die Szenen sind - das Sand-Creek Massaker, das im Film gezeigt wird, hat tatsächlich so stattgefunden. Während des Massakers, das am Morgen des 29. Novembers 1864 seinen Anfang nahm, wurden vom Verband aus dem 3. Colorado Kavallerie Regiment und einer Kompanie des 1. Colorade-Kavallerie-Regiments insgesamt  28 Männer, 105 Frauen und Kinder des Volkes der Cheyenne auf bestialische Art und Weise umgebracht. Die drastischen Blutorgien kommen der Wahrheit leider sehr nahe.  Das Verbrechen im Winterlager im damaligen Colorado-Territorium führte sogar zu umfangreichen Untersuchungen des US-Kriegsministeriums und des Kongresses.
Eine junge Frau, Cresta Maribel  Lee (Candice Bergen), und der junge US Private Honus Gant (Peter Strauss) werden vom Schicksal zusammengefügt, denn sie sind die einzigen Überlebenden einer Militäreskorte, nachdem diese von den Cheyenne massakriert wurde. Der junge Blaurock Gant ist etwas prüde und seinem Land und seiner Pflicht ergeben. Die Frau Cresta Lee, weiß was sie will, sie wirkt völlig unabhängig - zumindest macht die selbstbewusste Frau diesen Eindruck - und lebte 2 Jahre als Frau des Häuptlings Spotted Wolf (Jorge Riva) bei den Indianern. Ein bisschen verachtet sie den pflichtbewussten Gant und erklärt dem ahnungslosen Soldaten, dass sie in diesem Konflikt mit den Cheyenne sympathisiert. Die beiden versuchen nun nach Fort Reunion zu gelangen. Dort wartet Crestas Verlobter auf sie. Unterwegs werden sie von kämpferischen Kiowas herausgefordert und treffen auf den schrulligen Warenhändler Issac Q. Cumber (Donald Pleasence), der auch Waffen an die Cheyenne verkauft.  Trotz ihrer großen Verschiedenheit - Cresta und Honus kommen sich näher.
Da Honus sich verletzt hat, müssen sie sich trennen und als Cresta alleine in Fort Reunion ankommt, stellt sie fest, dass die Kavallerie ihres Verlobten plant am nächsten Tag das Indianerdorf zu überfallen. Es kommt zum grauenvollen Massaker....





Dem US-Publikum war Ralph Nelsons Brutalo-Western zu selbstkritisch und der Film war kein populärer Erfolg in der Heimat. Die Amis wollten ihre Armee nicht in diesem schlechten Licht als blutverrückte Wahnsinnige sehen, die den Kindern das Hirn herauspusten und wehrlose Frauen köpfen, denn die good old Kavallerie sollten weiterhin das Bild der guten Helfer zur Rettung der Welt beibehalten. Aus heutiger Sicht ist "Soldier Blue" einer der radikalsten Filme über die Schattenseiten der Eroberung des Wilden Westens.
Vielleicht überlagern die Schockbilder auch heute noch das wichtige Thema, die Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Vergangnheit. Schade eigentlich, denn in weiten Teilen sehen wir einen toll fotografierten (Kamera: Robert B. Hauser) und sehr spannenden Western, wäre er nur etwas subtiler mit der Massakersequenz umgegangen, dann wärs sicherlich ein großer anerkannter Klassiker des Spätwesterns. Aber leider muss er sich weiterhin damit rühmen die brutale Realität so drastisch gezeigt zu haben, weit über die Grenzen des dramaturgischen Muss hinausgehend. Zumindest wird er heute noch dafür kritisiert und hat heute noch nicht den Stellenwert, der ihm tatsächlich gebührt. Er ist aber immer noch bekannt als der härteste Western aller Zeiten. In Europa wurde "Soldier Blue" ein riesiger Kinoerfolg. Candice Bergen und Peter Strauss passen perfekt durch ihre Unterschiedlichkeit - sie stehen auch für den Wandel des Rollenverständnisses, dass durch die 68er gehörig auf den Kopf gestellt wurde. Strauss ist der Softie und Candice Bergen die empanzierte Frau - erst nach und nach entdeckt man unter ihrer rauen Schale den ganz sensiblen und weiblichen Kern. Sie kann sich dann für einen Moment bei Youngster Strauss als Beschützer anlehnen und so kehrt die klassische Rollenverteilung wieder kurz zurück.  Donald Pleasence fasziniert einmal mehr in einer denkwürdigen Nebenrolle.
 
   

 
 
Bewertung: 9 von 10 Punkten.

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