Samstag, 23. Dezember 2017

Fanny und Alexander







































Regie: Ingmar Bergman

Laterna Magica...

"Fanny und Alexander" entstand 1982 und war Ingmar Bergmans letzter Kinofilm mit einer Laufzeit von 188 Minuten. Im TV lief dagegen noch eine deutlich längere Version, diese Fassung dauert 326 Minuten. Danach drehte Bergman seine Filme nur noch ausschließlich fürs Fernsehen. "Fanny und Alexander" kann man in 3 Bilder oder Stimmungen einteilen. Die erste strahlt Lebensfreude gemischt mit Tradition aus. Der Zuschauer nimmt teil an einem schwedischen Weihnachtsfest des Jahres 1907 in Upsalla.
Das zweite Bild könnte krasser kaum sein: Mit dem Auszug aus dem Hause Ekdahl ist die sinnlich-heitere Welt vorbei und so geraten die Geschwister Fanny (Pernilla Allwin) und Alexander (Bertil Guve) in eine Art Gefängnis, in dem Askese und Strenge ständig präsent sind. Das dritte Bild wird durch einen äusserst interessanten cineastischen Kunszgriff eingeleitet, der den Zuschauer zuerst verwirrt und dann in eine vielschichtige Meditation des Glaubens, der Religion und der Wunder eintaucht. Bergmans Alterswerk vereint auch drei wichtige thematische Blöcke, die in seiner Filmographie schon vorher immer wieder sehr präsent waren: Der Künstler und die Kunst, die Religion und die übersinnliche Ebene.
Gleichzeitig ist "Fanny und Alexander" nicht nur Bergmans Triumph, sondern auch der Höhepunkt im Schaffen des legendären schwedischen Kameramannes Sven Nykvist, der hier diese Zeit vor mehr als 100 Jahren in wunderbaren und unvergesslichen Bildern präsentiert. Für "Fanny und Alexander" bekam er nach "Schreie und Flüstern" seinen zweiten Oscar in der Sparte "Beste Kamera" zugesprochen. Insgesamt konnte der Film vier Oscars gewinnen. Natürlich wurden die beste Ausstattung und die besten Kostüme prämiert - auch der Preis für den besten Auslandsfilm konnte gewonnen werden.
Am Weihnachtstag des Jahres 1907 lädt Helena Ekdahl (Gunn Wälgren) wie jedes Jahr zum Fest ein. Die Vorbereitungen sind präzise und jeder der Dienstboten kennt seinen Aufgabenbereicht. Das ganze Haus erstrahlt im weihnachtlichen Glanz. Seit dem Tod ihres Mannes ist Helena als Großmutter das Familienoberhaupt. Ihre drei Söhne Oscar (Allan Edwall), Gustav Adolf (Jarl Kulle) und Carl (Börje Ahlstedt). Oscar leitet gemeinsam mit seiner jungen Ehefrau Emilie (Ewa Fröling) das städtische Theater. Das Paar hat zwei Kinder....Fanny und Alexander. Mit Kinderaugen beobachten sie genau das festliche Treiben im Haus während sie spielen und schauen was die Erwachsenen alles tun. Dabei fällt ihnen auf, dass Gustav Adolf, verheiratet mit Alma (Mona Mann), heftlg mit dem Dienstmädchen Maj (Pernilla August) flirtet. Tatsächlich ist Gustav Adolf ein richtiger Schürzenjäger. Carl dagegen ist eher dem Alkohol zugetan.
Kurze Zeit später werden die Kinder aber mit einem tiefen Verlust konfrontiert. Das kurze Sterben und der Tod des Vaters verstören vor allem den zehnjährigen Alexander. Emilie geht bald eine neue Ehe mit Bischof Vergerus (Jan Malmsjö) ein, der sie in der Zeit nach Oscars Tod seelisch trösten und auch stabiliseren konnte. Der Witwer, der seine Frau und zwei Kinder durch ein Unglück verlor, verlangt aber von seiner Angetrauten den Bruch mit ihrem alten Leben. Sie soll ins Bischofshaus ohne ihre alten Besitztümer einziehen. Auch die Kinder sollen nach ihrem Willen die Spielzeuge zurücklassen. Alexander gelingt es jedoch seinen alten Teddybären mitzubringen, den er meistens unter der Bettdecke versteckt. Vergerus und seine Familie (Kerstin Tidelius; Marianne Aminoff, Harriet Anderson, Hans Henrik Lerfeld, der als bettlägerige Elsa eine Frauenrolle spielt) führen ein strenges Regiment und Vergerius hat aufgrund von religiösem Fanatismus auch üble Erziehungsmethoden für die Kinder parat: Sie werden eingeschlossen und Alexander mit der Rute gezüchtigt, als er eine Lüge erzählt. Bald ist die Ehe auch am Ende, aber es bedarf der Hilfe des Juden Isak Jacobi (Erland Josephson) und vor allem auch durch ein Wunder Gottes, dass die Kinder aus dem Haus des Despoten entführt werden können. In Isaks Haus trifft Alexander auf den Puppenspieler Aron (Mats Bergman) und auf dessen 16jährigen Bruder Ismael (Stina Ekblad in einer Männerrolle). Ismael gilt als psychisch krank und gefährlich, er konfrontiert den kleinen Alexander mit dessen Hass. Ismael kann gar nicht glauben, dass ein junger Mensch schon soviel an Hass in sich tragen kann. Mit dieser Kraft könne man Menschen töten. Alexander wehrt sich gegen diese destruktiven Mächte im Inneren und hat eine Vision, er sieht dabei einen brennenden Menschen. Tatsächlich wird am anderen Tag bekannt, dass der gehasste Stiefvater bei einem Hausbrand sein Leben verlor...







Diese Szenen sind das Innere dieser Familienchronik, die zuerst sehr ausschweifend und voller Detailreichtum das pralle, aber auch den Normen verpflichtete Leben einer Großbürgerfamilie offenlegt. Alles in dem Bild des harmonischen Weihnachtsfestes, dort werden die menschlichen Eigenheiten und Charakterschwächen auch leise und subtil offenbart. Danach leben die Kinder in einem freudlosen Haus, eigentlich ein Gotteshaus, aber durch den wütenden Hass weit davon entfernt ein Ort der Liebe zu sein. Von der bürgerlich-liberalen Welt hinein ins eine klerikale Hölle, der man nur durch ein Wunder entkommen kann. Und hier mündet "Fanny und Alexander" ein in eine Welt voller Mysterien und Geheimnisse. Und vor allem auch eine Wanderung durch die tiefere, dunkle Seite des menschlichen Geistes. Opulent wie Viscontis "Leopard" hat Bergmans Film aber auch stellenweise die Struktur eines sozialkritischen Märchens, manchmal fühlte ich mich an Charles Dickens erinnert.
Die Brüchigkeit der bürgerlichen Ordnung ist allgegenwärtig und Alexander erkennt dies bereits, flüchtet sich in seine Phantasie.








Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

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