Sonntag, 5. Juli 2020

Gloria, die Gangsterbraut







































Regie: John Cassavettes

Zwei auf der Flucht...

Auch wenn "Gloria, die Gangsterbraut" im Jahr 1980 gedreht wurde, wirkt der Großstadtthriller von John Cassavettes immer noch wie ein typischer 70s Neo Noir. Kein Wunder: Die Straßen der Südbronx und anderen Ecken in New York wirken extrem atmosphärisch und echt. Ausserdem ist mit Gloria Swenson (Gena Rowlands) eine echte Type als Hauptfigur vertreten. Mit "Gloria, die Gangsterbraut", von dem Sidney Lumet einige Jahre später ein Remake mit Sharon Tate realisierte, gelang Cassavettes auch seine kommerziellste Arbeit. Der Film war damals ein guter Kinoerfolg und vor allem Gena Rowlands überzeugte einfach - so sehr, dass sie mit dieser Rolle sogar für den Oscar als beste Schauspielerin nominiert wurde. Vielleicht hätte sie ja auch gewonnen, aber Sissy Spacek als "Nashville Lady" machte er ein Strich durch die Rechnung, aber ich denke nach zwei so hervorragenden, aber von der Academy nicht honorierten Leistungen in "Badlands" und "Carrie" war Sissy Spacek im Jahr 1981 einfach an der Reihe. Gena Rowlands war auch keine Unbekannte, immerhin gelang ihr 1975 schon eine Nominierung für "Eine Frau unter Einfluß" - ja, die besten Rollen ihrer Karriere schrieb ihr der Ehemann John Cassavettes auf den Leib. So glänzte sie auch in "Minnie und Moskowitz" oder in "Die erste Vorstellung" (Opening Night). Cassavettes, der seinen schauspielerischen Durchbruch in den 60s mit Filmen wie "Rosemarys Baby" oder "Das dreckige Dutzend"  hatte. Er gilt aber vor allem als Regisseur unabhängiger Filme als der Wegbereiter und geistige Vater des Independent-Kino. Er hatte damit angefangen und konnte eine ganze Reihe von Filmen - ohne Hollywood-Einfluss - drehen, er war dabei Regisseur, Drehbuchautor und Produzent seiner Filme.
"Gloria, die Gangsterbraut" hat sicherlich auch Luc Besson zu seinem 90er Hit "Leon, der Profi" inspiriert, denn die Ausgangslage ist in beiden Filmen ähnlich. Eine Familie wird von Gangstern ermordet, eine junges Mitglied der Familie überlebt, wird gejagt - kann aber auf die Hilfe einer älteren Person zählen. In Cassavettes Fall ist es Gloria, eine Gangsterbraut (Gena Rowlands). Eine Frau im mittleren Alter, die im Süden der Bronx lebt und mit der Nachbarin Jeri Dawn (Julie Carmen) befreundet ist. Der Zufall will es, dass Gloria bei ihrer Freundin klingelt, weil ihr die Milch für den kleinen Kater ausgegangen ist. Leider der falsche Ort und die falsche Zeit. Denn die Familie Dawn hat wegen der Verstrickung des Vaters Jack (Buck Henry) Trouble mit der Mafia. Jack hat zu viel ausgeplaudert und hat ein Notizbuch, dass die Gangster in den Knast bringen könnte - mit dem Schlimmsten ist zu rechnen. Jeri bittet Gloria, dass sie ihre Kinder mitnehmen soll, denn sie rechnet jede Minute mit dem Eintreffen eines Killerkommandos. Die Tochter weigert sich, der kleine Junge Phil (John Adames) folgt der ruppigen Blondine dann widerwillig. Während er in Glorias Wohnung Zuflucht findet, erscheint die Mörder und die Familie wird hingerichtet. Doch sehr schnell kommen die Gangster dahinter, dass der Junge überlebt hat und dieser auch von seinem Vater das brisante Notizbuch mit sich führt. Und sie kommen auch dahinter, dass Gloria, eine gute Bekannte dieser Verbrecher, die schützende Hand auf den Jungen hält. Gloria und der Junge, das ungleiche Paar, werden zu Gejagten, aber auch in dieser Zeit zu unzertrennlichen Freunden...



Ein Kehrtwende von Gefühlen. Denn Gloria gibt zuerst an, dass sie Kinder gar nicht leiden kann. Und der kleine Phil benimmt sich mit seinen 6 Jahren schon wie ein Kreikäsehoch-Macho, der die etwas unfreundliche Frau an seiner Seite auch nicht besonders mag. Doch dies wird sich im Lauf der Geschichte ändern. Und Gloria erweist sich dabei als echt coole Gangsterbraut, die - wenn es sein muss - den kleinen Mann auch mit der Knarre erfolgreich verteidigen kann.
Auch heute wirkt Cassavettes Neo Noir noch sehr frisch und  vor allem atmosphärisch überaus dicht. Eines der Meisterstücke des Autorenfilmers Cassavettes, der 1980 zum wiederholten Mal seine Ehefrau Gena Rowlands als Hauptfigur einsetzte. In den Schluchten der Großstadt erkennt man, dass es um Menschen und deren kaputte Beziehungen zueinander geht, die Hommage an den Film Noir ist in jeder Szene zu spüren. Erst die Begegnung mit dem Kind katapultiert die Frau aus ihrem Gefühlstief, aus ihrer eigens auferlegten Eiszeit, die eine Norm in der anonymen Großstadt ist.




Bewertung: 9 von 10 Punkten.

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