Donnerstag, 9. Juli 2020

Das Leben der Anderen


Regie: Florian Henckel von Donnersmarck

Ein Staatsdiener für die innere Sicherheit...

Es gibt wohl kaum einen deutschen Film, der mehr Preise einsammeln konnte als Florian Henckel von Dommersmarks "Das Leben der Anderen",  das Abhör-Vergangenheitsbewältigungsdrama über den Staatssicherheitsapparat der DDR. Angefangen mit dem deutschen Filmpreis 2006 in den Kategorien "Bester Spielfilm", Männliche Hauptrolle Ulrich Mühe, männliche Nebenrolle Ulrich Tukur, Beste Regie, bestes Drehbuch, beste Kamera und bestes Szenenbild setzte sich der Triumphzug international fort. Es konnten drei der begehrten europäischen Filmpreise gewonnen werden (bester Film, Hauptdarsteller, Drehbuch), obendrauf gabs auch noch den Oscar, den Cesar und den BAFTA Award als bester fremdsprachiger Film. Lediglich der Golden Globe Sieg blieb dem Film versagt, dort hatte Clint Eastwoods "Sends of Iwo Jima" die Nase interessanterweise vorn, obwohl dieser Antikriegsfilm aus Japanischer Sicht eine US-Produktion war.
Kaum ein anderer deutscher Film wurde aber auch so kritisiert wie "Das Leben der Anderen". Es fand ein Diskussion darüber statt, ob es wirklich sein darf, dass der Stasi-Hauptmamn Gerd Wiesler ((Kürzel HGW XX/7) die Seiten wechselt und am Ende viel zu positiv dargestellt wird - ein Schlag in das Gesicht der vielen tausend Opfer durch diesen brutalen Sicherheitsapparat des Arbeiter- und Bauernstaats.
Diese Diskussion ist wohl so ähnlich wie die Debatte darüber, ob man in einem Film auch "gute" Nazis darstellen darf - am ehesten entstammt diese Streitfrage aber dem Wunsch eines deutschen Publikums mit Sehnsucht nach dem üblichen Gut und Böse Schema und streng vorgegebenem Rollenverhalten. Realistische Zwischentöne im menschlichen Verhalten werden daher eher als irritierend angesehen, so auch das Verhalten des bösen Abhörspezialisten, der plötzlich aus ganz anderen Motivationen heraus, seine eigene Aufgabe sabotiert. Ich finde aber nicht, dass der Mann so gut weg kommt, als dass er das Leid der Opfer ad absurdum führt. Ganz im Gegenteil, denn seine Rolle ist so tragisch angelegt, dass man von einer zerstörten Existenz reden kann, wenn man die Szene betrachtet, wo er nach der Wende von einem Auto heraus von Theaterschriftsteller Georg Dreymann (Sebastian Koch) beobachtet wird, wie er einsam und verlassen die Straße entlang läuft. Er blieb wie auch schon in der DDR ein einsamer Mensch, der sich nur über das "leben der Anderen" zu definieren weiß.
Er hat auch solange großen Spass an seiner Arbeit als Spitzel, bis er von einer größeren Emotion gepackt wird...der Stasi Hauptmann verliebt sich in die Schauspielerin Christa Maria Sieland (Martina Gedeck) und aus diesem Gefühl heraus agiert er plötzlich aus ganz egoistischen Beweggründen ganz anders, als er entdeckt, dass Dreyman mittels einer Schreibmaschine DDR-kritische Artikel für den westdeutschen Spiegel kauft und diese mit Kurieren in den Westen geschmuggelt werden. Er will die Frau retten, vielleicht in einer Illusion für sich selbst und am besten sieht man diese Erkenntnis in einer Szene, wo er seinen Schwarm in einer kleinen Kneipe um die Ecke trifft, sie dort anspricht und sie offen als große Schauspielerin anhimmelt, während im Hintergrund der größte Schlager der DDR "Wie ein Stern" von Frank Schöbel läuft. Ein Song von einer überlebensgroßen Machart, passend zur Gefühlslage des vorherigen eiskalten und brutal agierende Rationalisten, der in einer der ersten Szenen als Dozent seine fiesen Mehoden zur Wahrheitsfindung gegen Regimegegner vor den Schülern anpreist. Sein Vorgesetzer Anton Grubitz (Ulrich Tukur) hält große Stücke auf seinen perfekt funktionierenden Mitarbeiter. Dadurch wird er auch mit dem Ausspionieren des Theaterschriftstellers Georg Dreyman beauftragt, er soll auf Wunsch des Kulturministers Bruno Hempf (Thomas Thiene) belastendes Material gegen Dreyman finden. Dieser ist zwar als labiler Lebemann bekannt, aber er hat eine weiße Weste und es gab bislang nicht den kleinsten Grund an seiner Regimetreue zu zweifeln.
Wiesler verwanzt nun mit einem Trupp der Stasi die Wohnung, in der Dreyman und seine Lebensgefährtin Christa Maria leben, und richtet auf dem Dachboden des Hauses eine Abhörstation ein. Der Einzelgänger Wiesler hegt aber immer mehr eine gewisse Faszination für das Leben des Mannes, den er zu beobachten hat. Dieser ist künsterisch kreativ, hat eine attraktive Geliebte und ist in seinem Metier äusserst erfolgreich. Alles Eigenschaften, die der farblose Voyeur niemals haben wird. Doch im Laufe der tragische wie dramatischen Geschichte wird er auch über sich selbst hinauswachsen...



 Ein gelunngener Spagat vom Bösen zum Guten zu überzuwechseln, die Akton bleibt geheim und nur sein wütender Chef weiß, dass Wiesler erfolgreich einen Staatsfeind gerettet hat. Er kann es aber nicht beweisen, weil er weiß, dass der kluge und besonnene Wiesler alle Beweise gekonnt vernichtet hat. Erst durch Zufall und durch die Unterlagen, die die Gauck-Behörde archiviert hat, kommt der inzwischen im Westen erfolgreiche Dreyman daninter, dass er lange Opfer der Abhör-Stasi war und dass er unter seinen Feinden einen Schutzengel hatte. Lediglich die Widmung und der Dank an HGWXX/7 in seinem neuen Buch "Die Sonate vom Guten Menschen" mag vielleicht etwas zu dick aufgetragen sein., aber es unterstreicht noch einmal das Thema des Regisseurs, der bewusst eine Versöhnung zwischen Opfern und Tätern im Auge hatte. Für mich hat der Film vor allem mit Hauptdarsteller Ulrich Mühe und Nebendarsteller Ulrich Tukur zwei großartige Darstellerleistungen aufzuweisen, in seinen besten Momenten ist "Das Leben der Anderen" nahe dran an den Abhörthriller "Der Dialog" von Francis Ford Coppola heranzukommen - das gelingt in diesen Momenten, in denen die Einsamkeit und Verlorenheit des Progagonisten nur allzu deutlich wird.




Bewertung: 9 von 10 Punkten. 

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