Sonntag, 26. Juli 2020

Fat City


Regie: John Huston

In Stockton...

In einem Interview mit dem "Life Magazine" im Jahr 1969 erklärte Leonard Gardner die Bedeutung seines Titels für den Roman "Fat City". Diese "Fat City" ist im Slang genau das, was Menschen in unteren Schichten meinen, wenn sie auf der Suche nach einem guten Leben sind...zu finden in dieser "Fat City". Der Schriftsteller meinte aber, dass er seinen Titel ironisch sieht. "Fat City" ist ein verrücktes Ziel, das niemand jemals erreichen wird".
Und schon gar nicht seine Protagonisten Billy Tully oder Ernie Munger.
Regisseur John Huston verfilmte 1971 Gardners Roman und konnte den Romancier sogar als Drehbuchautor gewinnen.
Dabei gelang ihm ein hervorragendes und realistisches Portrait einiger gescheiterter Existenzen. Billy und sein jüngerer Kumpel sind Menschen, die keine Chance mehr haben. Und im Grunde wissen sie das auch, selbst wenn sie auf ihre Träume nicht gerne verzichten. Ausserdem kehrte der Meisterregisseur mit diesem spröden Boxerdrama zu dem Genre zurück, mit dem er seine lange Karriere begann. Sein erster Film läutete die Ära des Film Noir ein, für viele Filmhistoriker ist er sogar der erste Noir der klassischen Ära und drehte mit "Key Largo" und "Asphalt Dschungel" zwei weitere erstlklassige Vertreter der schwarzen Serie. "Fat City" bedeutet sozusagen Hustons Comeback auf diesem für ihn bekannten Terrain.
Sowohl Huston selbst als auch Autor Gardner waren in der Jugend Leichtgewichtsboxer. Gardner in seiner Heimatstadt Stockton, in der auch die Geschichte des 29jährigen Billy Tully (Stacy Keach) spielt. Tully hatte schon mal ganz guten Erolg als zweitklassiger Boxer und wurde von Manager Ruben (Nicolas Colasanto) betreut. Doch als er von seiner Frau verlassen wurde, begann er zu trinken und seither hält er sich mit schlecht bezahlten Gelegenheitsjobs über Wasser. Er hat schon Monate lang nicht mehr geboxt. Eines Tages übt er in der Sporthalle des YMCA, dort lernt er den ca. 10 Jahre jüngeren Ernie Munger (Jeff Bridges) kennen und Tully fordert den Youngster heraus mit ihm einige Sparringsübungen zu machen. Bei dieser Gelegenheit erkennt er das Talent von Ernie, dem er dann empfiehlt dem Boxclub von Ruben beizutreten. Ernie macht dies auch und Ruben ist von dem jungen Talent begeistert, dass er ihn zu seinem neuen "Champion" aufbauen möchte. Doch so leicht ist es nicht ein erfolgreicher Boxer zu werden. Bald ist der Traum vom schnellen, großen Geld auch wieder ausgeträumt. Erschwerend kommt hinzu, dass Ernie eine Beziehung mit Faye (Candy Clark) beginnt, die eher ein bürgerliches Leben möchte. Auch Billy Tully will wieder boxen, er hatte eine kurze Affäre mit der Trinkerin Oma (Susan Tyrell), deren Freund derzeit im Gefängnis ist. Doch die beiden gescheiterten Existenzen gehen sich gemeinsam noch mehr auf die Nerven. Die Hoffnung, dass sich beide Menschen einander helfen könnten, entpuppt sich sehr schnell als Illusion. Also steigt er wieder in den Ring, doch er verspielt die geringe Chance, die der Sieg ihm geboten hat und fängt das Trinken wieder an...







In der letzten Szene des Films treffen sich Billy und Ernie zufällig und trinken gemeinsam einen Kaffee. Bei dieser Begegnung herrscht am Ende Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Für die Darstellung der trinkenden Oma Lee Greer wurde Susan Tyrell im Jahr 1973 mit einer Oscarnominierung als beste Nebendarstellerin belohnt. Sie konnte sich aber gegen Eileen Heckard nicht durchsetzen, die den Preis für ihre Rolle in "Schmetterlinge sind frei" gewann. Wie Susan Tyrell spielen auch ihre beiden männlichen Kollegen auf extrem hohen Niveau. Doch weder Stacey Keach noch Jeff Bridges wurden bei der Oscarwahl berücksichtigt. Bridges wurde im Jahr vorher immerhin nominiert, musste aber viele viele Jahre auf seinen Oscar warten. Erst 2010 wurde er nach mehreren erfolglosen Nominierungen für "Crazy Heart" von Scott Cooper ausgezeichnet. Kameramann Conrad L. Hall ist ebenfalls ein Oscargewinner und seine Qualität stellt er auch in "Fat City" eindrücklich unter Beweis. Der Kameramann gewann bereits dreimal (Zwei Banditen, American Beauty, Road to Perdition). Die Bildsprache des Stadtportraits ist grandios.






Bewertung: 9 von 10 Punkten. 

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