Mittwoch, 22. Juli 2020

Nightcrawler - Jede Nacht hat ihren Preis



Regie: Dan Gilroy

Das Auge der Nacht...

Dan Gilroy trat bislang als Drehbuchautor in Erscheinung. Auf sein Konto gehen die Skrips der Filme "The Fall" (Tarsem Singh), "Real Steel" (Shawn Levy) und "Bourne Vermächtnis" (Tony Gilroy, Dans Bruder). Für seine neue Arbeit nahm er auch gleich Platz auf dem Regiestuhl. Gut so, denn mit "Nightcrawler - Jede Nacht hat ihren Preis" lieferte er eines der überzeugenden Regiedebuts des vergangenen Kinojahres ab. Dan Gilory konnte sogar eine der begehrten Oscar-Nominierungen für sein Drehbuch erlangen. Hauptdarsteller Jake Gyllenhal wurde immerhin bei den Golden Globe mit einer Nominierung berücksichtigt. Bei der ehrwürdigen Academy ging er aber leer aus. Das mag vielleicht damit zusammenhängen, dass er seine Filmfigur Louis Bloom vielleicht in manchen Szenen zu künstlich, zu überzeichnet oder gar grotesk angelegt hat. Bei näherer Betrachtung ist diese Eigenheit aber auch eine der großen Stärken des Films. In diesem Momenten erkennt man den Soziopathen, der sich bislang als erfolgreicher neuer Geschäftsmann getarnt hat. Natürlich ist der Film in seinen besten Momenten ganz Thriller, aber er übt auch Kritik am Sensationsjournalismus. Filmisch steht er dabei als Nachfolger der Klassiker "Reporter des Satans" (Billy Wilder, 1951) oder "Network" (Sidney Lumet, 1976 in bester Verwandtschaft und Gesellschaft.
Die wohl bislang heftigste Kritik über den Sensationsjournalismus kam mit der verhängnisvollen Fahrt durch Paris in der Nacht des 31. August 1997.  Um 0 Uhr 25 verunglückte der Wagen von Lady Di und Dodi Al-Fayed in der Alma Unterführung. Der Mercedes Benz prallte mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Tunnenpfeiler. Der angetrunkene Fahrer und Dodi starben noch am Unfallort, Lady Di Stunden später im Krankenhaus. Immer wieder wurde im Zusammenhang mit dem Unfall auch die rasende Meute der dem Mercedes folgenden Paparazzi erwähnt.
Auch beim immer noch sehr aktuellen Flugzeugabsturz des Germanwings Flug 9525 am 24. März 2015 hörte man immer wieder auch in den Nachrichten von diesen Sensationsreportern, die aufgrund ihrer Suche oder besser sogar  Sucht nach dem spektakulärsten Foto auch die Bergungsarbeiten der Einsatzkräfte behindert haben sollen.
Gilroys Film ist ein Beitrag zu dieser immer fataleren Entwicklung in unseren Medien, die Geld und Quote machen müssen.
Und Jake Gyllenhals Louis Bloom ist deren Handlanger. Er ist vor seinem Leben als "Nightcrawler" ein Typ, der sich mit kleinen Gaunerein über Wasser hält und mit seinem rostigen Wagen durch Los Angeles fährt um irgendwas zu klauen. Bei einem seiner Fahrten kommt er zufällig zu einem Autounfall und bemerkt dort einen Kameramann (Bill Paxton), der keinerlei Skrupel hat seine Kamera auf die Verletzten und Sterbenden auf der Straße zu halten. Fortan ist eine Geschäftsidee geboren. Er tauscht sein gestohlenes Rennrad ein, um eine Kamera und ein Funkgerät zu bekommen. Mit Letzerem kann er den Polizeifunk abhören, was ungemein erleichtert, wenn man sehr schnell an eimem Ort sein muss, wo man gute Fotos machen kann. Und was eignet sich dafür am besten: Brände, Unfälle, Katastrophen, Schießereien...die Exklusiv-Fotos und Filme lassen sich jedenfalls immer gut verkaufen. Langsam etabliert der harmlos wirkende Louis sich als besonders rücksichtsloser und findiger Kameramann, beliefert mit seinem exklusiven Bildmaterial von Unfällen und Gewalttaten den Nachrichtensender KWLA in Los Angeles, bei dem die unter Erfolgsdruck stehende Journalistin Nina Romina (Rene Russo, Ehefrau von Dan Gilroy)  das Sagen hat. Die Frau agiert auch häufig skrupellos und erkennt, dass Louis sie die Erfolgsleiter weiter aufsteigen lassen könnte -  daher fördert sie sein Kaltblütiges Talent.  Immer mehr wird aber hinger der höflichen Fassade der Psychopath sichtbar. Louis ist aber auch ein Kind seiner Zeit, er will Erfolg und Geld um jeden Preis - als Geschätsmann weiß er, dass er rücksichtslos am stöärsten mitmischen kann.  Im Internet hat er sich Wissen über Management und Betriebswirtschaft angelegt, das er in Verhandlungen anzuwenden weiß. Und ja...er expandiert und stellt sogar einen Praktikanten an.  Der leichtgläubige Rick (Riz Ahmed) braucht dringend einen Job und so wird er zu Louis Navigator, der ihn durch die Straßen von Los Angeles am schnellsten zu den täglichen Katastrophen führen soll...



Und der Zuschauer wird von Dan Gilory auf eine höchst interessante Fahrt mitgenommen, die sich auf dem Höhepunkt in einer Szene gipfelt, die zu den spannendsten Film-Sequenzen der letzten Jahre gezählt werden darf. Louis und sein Assistent sind in dieser Szene sogar vor der Polizei an einem Tatort. Die Gangster sind sogar noch in dem Haus, in dem sie gerade mehrere Menschen kaltblütig erschossen haben. Louis wittert trotz des lebensgefährlichen Risikos die Chance mit diesem Film ganz nach oben zu kommen. Grandios auch die Kamerafahren von Robert Elswitt (Kameraoscar für "There will be blood") durch das nächtliche Los Angeles, die Straßen wirken immer seltsam bedrohlich. Somit weißt "Nightcrawler" eine visuelle Stärke auf, was die düstere Aussage noch bedrückender werden lässt.


Bewertung: 9 von 10 Punkten.

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