Montag, 15. Januar 2018

Decamerone







































Regie: Pier Paolo Pasolini

Erotischer Reigen...

1970 begann Pier Paolo Pasolini seine "Trilogie des Lebens", zu der die Filme "Decameron" (1970), "Pasolinis tolldreiste Geschichten" (1972) und "Erotische Geschichten aus 1001 Nacht" (1974) gehören.
Auch wenn diese drei Werke zunächst so völlig unterschiedlich im Vergleich zu Pasolinis früheren sozialkritischen Filmen wirken, im Gesamtwerk sind sie äusserst schlüssig und komplettieren ein geschlossenes Werk. Dabei strahlt "Decameron" trotz der teilweise tragischen kleinen Geschichten des Alltags einen unverschämten Optimismus aus. Der italienische Regisseur hat in dem Kaleidoskop der Erotik eine  beinahe noch kindliche Naivität beibehalten. Diese alten Geschichten zeugen bildgewaltig von einer feudalen Vergangenheit - lange bevor die Industrialisierung der der Konsum das Leben völlig verändert hat.
In "Decarmeron" hat Pasolini das Werk Boccaccios auseinandergenommen und präsentiert es in sieben eingebetteten Episoden, abwechselnd tragisch oder grotesk. Zusammengehalten werden diese Episoden von zwei zueinander komplementären Handlungssträngen: Der erste bestreitet Ser Ciappelletto (Franco Citti) einem gefühllosen und todkranken Sünder, der seinem Beichtvater eine letzte Posse vorspielt, indem er sich als Heiliger ausgibt. Der zweite ist ein norditalienischer Künstler (wird von Pasolini selbst gespielt) - einer der berümtesten Maler seiner Zeit - der nach Neapel gekommen ist, um die Wände der Kirche der Heiligen Chiara mit Fresken zu bemalen.
Um diese beiden Figuren herum - die eine leidenschaftlich den Dingen des Lebens verhaftet, die andere den Ansprüchen der Kunst geweiht - werden die anderen sieben Geschichten erzählt:
In der ersten Geschichte kommt Andreuccio (Ninetto Davoli), der reiche aber auch reichlich einfältige Sohn eines Händlers nach Neapel. Eine schöne Frau gibt vor seine Schwester zu sein, dabei hat sie es lediglich auf das viele Geld abgesehen, dass er in seiner Tasche trägt. Er wird eingeladen, fürstlich bewirtet und fällt dann durch eine Falle in einen Trog voller Exkremente. Doch das ist nicht das einzige Abenteuer, dass der junge Mann in dieser Nacht bestehen muss.
Der Arbeiter Matteo (Vincenzo Amata) stellt sich taubstumm und bekommt so Arbeit im Kloster bei den Nonnen. Die sind ganz aus dem Häuschen - endlich ein junger Mann in ihrer Abtei. Natürlich werden seine Dienste reichlich in Anspruch genommen. Die Geschichte endet mit einem echten "Wunder".
In der dritten Geschichte hat Peronella, eine untreue Frau (Angela Luce) ihren Liebhaber ins Haus genommen, während der Mann bei der Arbeit ist. Doch der kommt unerwartet nach Hause.
Geschichte Vier gehört dem lasterhaften Ser Ciappelletto, der im Hause zweier Wucherer plötzlich sterbenskrank wird und man für die letzte Beichte einen Priester holt.
Dann wird eine Gruppe von Malern in der nächsten Geschichte vorgestellt, sie sind auf dem Weg nach Neapel und als sie dort ankommen fängt Giottos Schüler sofort mit seiner Arbeit an.
Caterina (Elisabetta Genovese) und Riccardo (Vincenzo Cristo) schaffen es in der nächsten Geschichte gegen den Willen ihrer Verwandten, auf einer Terrasse nachts miteinander zum ersten Mal zu schlafen. Die beiden erinnern an "Romeo und Julia" und werden von Caterinas besorgten Eltern in flagranti erwischt - als Konsequenz des Schäferstündchens verlangt der Vater die Heirat der beiden. Was die Liebenden begeistert annehmen.
Die nächste Geschichte ist viel tragischer. Drei Brüder rächen sich am Liebhaber (Giuseppe Arrigio) ihrer Schwester und erschlagen diesen bei einem gemeinsamen Ausflug.
Eine andere Episode zeigt die Verführungstricks eines Mannes, um die junge Freundin seines älteren Freundes zu besteigen. Dabei gibt er vor Zauberkräfte zu haben, die eine Frau in ein Pferd oder in einen Esel verwandeln kann. Im letzten Teil schließen zwei Freunde einen Pakt, um herauszufinden, was nach dem Tod passiert. Der erste, der stirbt, soll dem anderen eine Nachricht aus dem Jenseits zukommen lassen. ..







Pralle Lebensfreude, Lust und pure Sinnlichkeit - aber daneben steht auch manchmal der Tod, wie diese Geschichten zeigen. Im Leben gibt es Überraschungen und Widerhaken.
Ich finde Pasolinis Erotik-Trilogie des Mittelalters sehr gelungen. Die beiden besten sind "Decameron" und "Geschichten aus 1001 Nacht", weil dort die Episoden vielleicht etwas ausgewogener sind als in "Pasolinis tolldreiste Geschichten". In "Decamerone" gibt es neben vielen gelungenen Sequenzen, die perfekt den Geist der Epoche und das Denken der Menschen vermitteln, auch einen weniger gelungenen Teil,  wie beispielsweise die Sequenz mit dem Pfarrer.
Am gelungensten finde ich die folgenden 3 Passagen: Den Geldraub, den Totschlag durch die drei Brüder und "Romeo und Julia" auf dem Dach. Hier zeigt sich die Virtousität der Regie, das Zeitalter wird magisch eingefangen, fast würde ich sagen, dass die dominierende Erotik vor allem als Stilmittel eingesetzt wird, um das Leben der einfachen Leute aus dieser Zeit lebendig werden zu lassen. Das gelingt interessanterweise durch die Kraft der Lust. In einer Nebenrolle als Madonna ist Silvana Mangano zu sehen, die meisten anderen Figuren werden von talentierten Laiendarstellern gespielt.
Die Musik wurde von Ennio Morricone gemacht - und Kameramann Tonino delli Colli liefert einmal mehr eine Weltklasseleistung ab. "Decameron" ist auch ein betörender Bilderfilm. Sehr kultig auch das fröhliche mittelalterliche Lied am Anfang, schon dort wird man von Pasolini an der Hand geführt in eine längst vergangene Zeit einzutauchen. Aber haben sich die Menschen wirklich verändert ? 







Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

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