Mittwoch, 20. September 2017

Blow out - Der Tod löscht alle Spuren








































Regie: Brian de Palma

Doppelter Boden

1981 drehte Brian de Palma mit "Blow out - Der Tod löscht alle Spuren" einen Film, der sowohl namentlich als auch inhaltlich an das 60er Jahre Meisterwerk "Blow up" von Michelangelo Antonioni erinnert.
Dieser Klassiker spielt im Swinging London und zeigt einen Modefotograph, der vom ständigen Ablichten von diversen Modepüppchen irgendwann ziemlich gelangweilt ist und als Ausgleich das normale Leben auf der Straße fotografiert, auf einer seiner vielen Aufnahmen eine Leiche entdeckt und plötzlich eine Suche zur Wirklichkeit beginnt. Um dorthin zu können, wird er mit den Möglichkeiten von Manipulation konfrontiert.
Bei de Palma wird der Fotograf durch den Tontechniker Jack Terry (John Travolta). Jack ist Teil einer Filmcrew, die billige Horrorfilmchen mit Softsexeinlagen drehen. Der Director dieser Trashfilme, die beispielsweise "Blutbad", "Blutbad II" oder "Monster am blutigen Strand" heissen, ist mit seinem neuesten Werk "Chaos im Studentenwohnheim" überhaupt nicht zufrieden. Grund der Verärgerung sind die laschen, unglaubwürdigen Schreie der nackten, weiblichen Opfer. Die Todesschreie hören sich einfach lächerlich an. Jack soll neue Toneffekte herschaffen, vor allem aber dieser perfekte Schrei, der in diese zentralen Szenen synchronisiert werden soll.
So macht sich Jack mit seinem Aufnahmeequipment auf, draussen in der Nacht authentischeres und besseres Tonmaterial aufzuspüren. Er hält die Geräusche von Fröschen und Eulen fest, dann vernimmt er plötzlich einen heranfahrenden Wagen, der bald die Brücke zum Fluß überqueren müsste, dann ein komischer Knall, das Fahrzeug kómmt genau auf dieser Brücke ins Schleudern und stürzt in die Tiefe, ins Wasser.
Jack rettet der Insassin Sally (Nancy Allen) das Leben, den anderen Insassen kann er leider nicht mehr retten. Im Hospital erfährt er, dass der Tote Senator George McRyan, angehender und aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat, gewesen ist.
Der Berater des Präsidenten kann ihn noch im Krankenhaus davon überzeugen, dass er Stillschweigen bewahren soll. Es wäre keinem gedient, wenn die hinterbliebene Ehefrau und auch die Familie plötzlich erfahren würden, dass der Politiker mit einem jungen Mädchen im Auto unterwegs gewesen wäre. Zögernd willigt Jack ein und er wird zusammen mit der sehr naiven Sally heimlich aus dem Krankenhaus geschafft. Die Medien werden diese Wirklichkeit ganz anders darstellen - kein dunkler Fleck wird an dem Politiker hängen bleiben.
Doch Jack entdeckt beim Abhören seiner Bänder noch eine weitere Unstimmigkeit: Dieser Knall könnte ein Schuß aus einer Waffe sein. Ist der Politiker gar einem Attentat zum Opfer gefallen ?
Bald beginnt sich Jacks Verschwörungstheorie zu verdichten...




"Blow out" wurde 1981 eher enttäuscht aufgenommen. Viele Kritiker fanden den Film schlechter als de Palmas Vorgänger "Carrie" oder "Dressed to kill".
In einer retrospektiven Sicht traten aber immer mehr die grossen Vorzüge dieses Thrillers hervor, der vielleicht die grosse Tradition hervorragender progressiver Politthriller, begonnen in den 70ern mit grandiosen Werken wie "Der Dialog", "Die 3 Tage des Condor". "Marathon Mann" oder "Zeuge einer Verschwörung", beendet.
Darüberhinaus ist "Blow out" ein vielschichtiges und doppelbödiges Werk, dass mehrere Handlungsstränge miteinander virtuos kombiniert:
Manipulierende Medien, Schönfärberei der Politik, Verquickung zwischen scheinbar seriöser Politik mit Sex and Crime - öffentliche Moral und private Promiskuität, Serienmörder, Abhörpraktiken, Politische Verschwörung, Vertuschung...
Vor allem bietet "Blow up" aber auch eine fast schon schmerzliche und sehr traurige beginnende Beziehung zweier Menschen, die im Grund keinen festen Halt haben. Da ist auf der einen Seite die labile Sally, die sehr beeinflussbar ist, weil ihr ein Mensch fehlt, auf den sie sich verlassen kann und andererseits ein zum Zyniker gewordener Typ wie Jack, der immer mehr seine egoistische Seite offenbart, aber eigentlich klüger sein sollte. In einer Rückblende erfahren wir, dass Jack bereits durch einen Fehler den Tod eines ihm vertrauenden Menschen verschuldet hat.
Durch seine immense Neugier, als erster eine grosse Story aufzuspüren, sieht er gar nicht, wie sehr er die Gefahr heraufbeschwört...
Ein vielschichtiger, völlig unterschätzer Film. Gehört zu de Palmas besten Filmen, vor allem deshalb, weil er den Helden eiskalt,hoffnungslos und schonungslos entlarvt...




Bewertung: 10 von 10 Punkten

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