Samstag, 23. September 2017

Der große Diktator







































Regie: Charlie Chaplin

Friseur und Führer...

"Der große Diktator" ist sicherlich Charlie Chaplins umstrittenster Film. Viele Fans preisen den zwischen 1938 und 1940 gedrehten Film als Meisterwerk und als ultimative Entlarvung des Faschismus. Kritischere Stimmen fanden aber, dass der Film seiner Thema nicht gerecht wurde. Chaplin selbst gab in seiner Autobiographie an, dass er beim Dreh des Films noch nichts wusste vom tatsächlichen Schrecken der Konzentrationslager und wenn er es gewusst hätte, dann hätte er seinen Film in dieser Form nie drehen können. Es wäre ihn nicht mehr gelungen, sich über den mörderischen Wahnsinn der Nazis in dieser Form aus Wortspielen, optischen Gags und Slapstick lustig zu machen. Der Film kam in die Kinos als die USA noch nicht in den Zweiten Weltkrieg eingetreten waren. Deshalb wurde "Der große Diktator" schon bei seinem Erscheinen sehr kritisch aufgenommen und nicht besonders gefeiert. Allerdings lockte die groteske Übersteigerung des deutschen Reichskanzlers viele Menschen ins Kino.
 Der Film beginnt mit einem Prolog, der in der Endphase des Ersten Weltkriegs spielt. Ein kleiner jüdischer Friseur (Charlie Chaplin) kämpft tapfer als kleiner jüdischer Soldat auf tomanischer Seit auf dem Feld der Ehre. Dabei muss er nicht nur gegen den Feind, sondern auch gegen die Tücken der Technik kämpfen. Denn Tomanien attackiert ihren Feind mit der "dicken Berta" - doch statt der Kathedrale von Reims wird durch die mörderische Bombe ein Klohäuschen zerstört. Diese Art von Humor hat etwas befreiendes - und auch etwas Großartiges und Erhebendes. Kein resignierender Humor, sondern eher trotzig nach dem Lustprinzip konzipiert. Und so geht die Geschichte auch weiter. Der Friseur rettet den Piloten Schulz (Reginald Gardiner), der wichtige Dokumente dabei hat, wie man den Krieg gewinnt. Doch das Flugzeug, mit dem sie gegen die Feinde fliehen, stürzt ab. Beide Männer überleben, doch der Krieg ist verloren - wie Schulz von seinen Rettern erfährt. Der Friseur hat aber sein Gedächtnis verloren und verbringt die nächsten 20 Jahre in einem Krankenhaus. Die sich draußen veränderte Welt nimmt er nicht wahr. Deshalb weiß er auch nicht, dass in Tomania der Diktator Adenoid Hynkel (ebenfalls Chaplin in seiner genialen Doppelrolle) die Macht übernommen hat und mit Hilfe seiner beiden mächtigsten Minister Garbitsch (Henry Daniel als Dr. Goebbels) und Feldmarschall Hering (Billy Gilbert als Hermann Göring) die Welt erobern will und die Juden verfolgt. Dann plötzlich verschwindet der Friseur aus der Anstalt und kehrt unbewusst in sein altes Friseurgeschäft im Ghetto zurück und möchte seine Arbeit wieder aufnehmen, wie wenn nie etwas gewesen wäre. Er lernt dort in der Nachbarschaft das Mädchen Hannah (Paulette Goddard) kennen, auf die er mächtig Eindruck macht, weil er sich mit zwei brutalen Nazischergen anlegt. Man fürchtet, dass er bald gefangen genommen wird und ins KZ kommt. Von Herrn Jaeckel (Maurice Moscovich) wird er versteckt. Inzwischen hat er sich aber auch in Hannah verliebt. Plötzlich verbessert sich die Lage im Ghetto. Warum ? Hynkel braucht jüdisches Geld, damit er den Nachbarstaat Osterlitsch erobern kann, bevor ihm Benino Napoloni (Jack Oakie), der Diktator von Bakteria zuvor kommt. Somit werden die Juden vorläufig verschont. Und der Friseur steht sogar unter dem schutz von Kommandeur Schulz, der in ihm den Retter aus dem 1. Weltkrieg erkennt. Als dieser ihm dennoch den Kredit verweigert, erklärt der Diktator die Juden wieder zu seinen Feinden. Kommandeur Schultz tritt gegen diesen Entschluss ein und wird deshalb von Hynkel in ein KZ eingewiesen. Schultz kann jedoch fliehen und bei seinem Freund im Ghetto untertauchen. Am Ende wird der Diktator in alpiner Bergtracht mit Janker und Lederhose als KZ Flüchtling verhaftet und der flüchtige Friseur mit dem Diktator verwechselt. Statt dem Diktator muss der friedliche Friseur nun eine Rede vor der Menge auf dem Wiener Heldenplatz halten. Es wird ein Aufruf zur Menschenliebe, zur Freiheit und ein Aufruf den Hass zu überwinden...



Diese Rede wurde oft kritisiert und man vertrat die Meinung, dass dieser Schlußappell nicht so recht in der Handlung integriert ist und etwas aufgesetzt wirkt. Das kann man so sehen - muss man aber nicht. Denn "Der große Diktator" hat soviele geniale Einzelszenen, dass ich ihn sogar für Chaplins größten Film halte - sogar noch größer als "Moderne zeiten" oder "Goldrausch".
Chaplin schickte sich an den Diktator der Lächerlichkeit preiszugeben und dies gelingt ihm perfekt. Grandios die Rede vom wahren Diktator, für die Chaplin eine eigenen Kunstsprache mit deutschen Schlagworten geschaffen hat, mit viel "Sauerkraut", "Wiener Schnitzel", "Tschuden" und "Schtonk" und dargeboten in hysterischem krächzenden Bellen in der Stimme. Oder die Szene, wie Hynkel sich in die Gardine wie ein Affe verhakt. Er beginnt dann zu Klängen von Lohnengrien mit einer ballonartigen Globus zu spielen und zu tanzen, einfach herrlich diese Szene, die zwischen dem hektischen Alltag des Despoten gezeigt wird. Immer wieder stellt ihm Hering die neuesten Kriegswaffen vor und alle sind untauglich. Dann Szenenwechsel ins Ghetto, wo der kleine Friseur zu Klängen von Brahms einem Kunden den Bart rasiert. Und es bleibt auf dieser genialen Linie. Denn der Besuch des machhaften Napaloni naht. Die beiden begrüßen sich am Bahnhof überschwenglich, der rote Teppich muss mehrmals ausgelegt werden. Hynkel muss mit der dicken Gattin (Grace Hayle) des Duce tanzen, dann gibts Schtonk zwischen den beiden, es folgt eine Sahnentortenschlacht und als Höhepunkt ein Contest, wer "höher" als der andere sitzt. Das passiert auf Friseurstühlen, die man hochkurbeln kann. Beide sind irgendwann beinahe in der Nähe der Decke. Für mich einer der witzigsten Filme aller Zeiten, der aber auch seinem ernsten Thema mehr als gerecht wird. "Der große Diktator" ist ein unvergessener Klassiker und steht mit dem Ansinnen den Faschismus aufs Korn zu nehmen und der Lächerlichkeit preiszugeben auf einer Stufe mit Ernst Lubtischs großem Geniestreich "Sein oder Nichtsein".



Bewertung: 10 von 10 Punkten.

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