Freitag, 20. Oktober 2017

Ida







































Regie: Pawel Pawlikowski

Eine Reise in die Vergangenheit und in die Zukunft...

Anfang der 60er Jahre, irgendwo in Polen: Die junge Anna (Agata Trzebuchowaska) ist Novizin und steht kurz davor ihr Gelübde abzulegen. Dabei kennt die junge Frau nichts anderes als das karge Umfeld der schützenden Klostermauern.  Sie wuchs dort schon als Kind auf. Das Land selbst befindet sich im Umbruch in eine moderne Zeit. Viele Strömungen beeinflussen das Leben. Der Schatten des Holocausts liegt noch unverarbeitet über einem vom Katholizismus geprägten Land, andererseits hat aber auch der Stalinismus bereits eine neue Welle der Gewalt heraufbeschworen. Auf Bitten ihrer Oberin soll sie vor dem Gelübde ihre einzige noch lebende Verwandte, eine gewisse Wanda Gruz (Agata Kulesza) besuchen und kennenlernen. Die Frau ist ihre Tante und war im stalinistischen Regime eine gefürchtete Richterin, die Regimegegner auch zum Tode verurteilt hat. Inzwischen hat sie sich zur Ruhe gesetzt, hat immer wieder wechselnde Männerbekanntschaften und hat ein Alkoholproblem. Die erste Begegnung mit der latent aggressiven  und zynischen Frau, die sich als Schwester ihrer Mutter herausstellt, fällt unterkühlt aus und irritiert Anna zunächst . sie will noch am gleichen Abend wieder ins Kloster reisen. Die mondäne Lebefrau könnte nicht grundverschiedener von ihr sein - in ihrer eleganten Stadtwohnung herrscht aber eine gewisse Tristesse und Traurigkeit und so bleiben die Frauen doch länger zusammen als zunächst gewollt.  Anna ist vor allem an ihrer jüdischen Herkunft interessiert, sie erfährt von Wanda, dass sie "Lebenstein" heißt und beide Frauen beschließen sich auf die Suche nach dem Verbleib der Eltern zu machen - bald wird klar, dass die Eltern Opfer des Holocausts wurden. Mit Wandas Auto fahren sie durch Polen und Anna nimmt Einblicke in eine Welt ausserhalb der Klostermauern. Durch einen Anhalter (Dawid Ogrodnik), der Saxophon spielt, kommen weitere tiefgreifende Veränderungen ins Spiel...





und John Coltranes "Naima", das während eines Konzerts erklingt wird sozusagen zum Sinnbild von Veränderungen, die einen etwas hoffnungsvolleren Blick in die Zukunft geben. Die Sängerin dieser Band (Joanna Kulig) steht dabei ebenfalls für den Einfluß der Beatgeneration in den 60er Jahren und stellt damit das Kontrastprogramm in diesem Roadmovie, dass vor allem durch das Spiel der beiden Hauptdarstellerin Agata Kulesza und Agata Trzebuchowska lebt. Die Kameraarbeit von Lukasz Zal und Ryszard Lenczewski erinnert an den spröden, kargen Stil anderer osteuropäischer Filmklassiker wie "Messer im Wasser" (Roman Polanski, 1962), "Asche und Diamant" (Andrzej Wadja, 1958), "Liebe nach Fahrplan" (Jiri Menzel, 1966) oder "Die Liebe einer Blondine" (Milos Forman, 1965). Ausserdem sind starke Einflusse der französischen Nouvelle Vague deutlich. Die beiden Frauen werden durch traumatische Erfahrungen aneinander gebunden. Um den Film genießen zu können, muss man ein Faible für ruhige, stille Momente haben. Dem Regisseur Pawel Pawlikowski ist es vor allem gut gelungen Ambivalenzen aufzuzeigen. Was für die eine Frau der Aufbruch ins Leben bedeuten könnte, ist für die Andere so eine Art Soundtrack des Todes, ein stilles, leises Requiem. Die Melancholie, die der Film zeigt ist stellenweise von atemberaubender Schönheit, auch wenn die Ideen durchaus konstruiert sind.  "Ida" komplettiert neben "Die andere Heimat" und "Nebraska" das Trio der großen Schwarz-Weiß Filme des Kinojahres 2014 - ein Glück, dass Filmemacher auch mal wieder den Mut haben auf Farbe zu verzichten, um so wieder mehr Farbe in die Filmlandschaft zu bringen.




Bewertung: 9 von 10 Punkten.

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