Freitag, 13. Oktober 2017

Accatone







































Regie: Pier Paolo Pasolini

Aus dem Leben eines Zuhälters...

"Accatone" aus dem Jahr 1961 war die erste Regiearbeit des italienischen Filmregisseurs Pier Paolo Pasolini. Ein mit Laiendarstellern aus dem dargestellten Milieu besetztes Werk des späten Neorealismus. Ihm gelang eine sehr intensive Vorstadtstudie, die auf die Missstände der italienischen Gesellschaft hinweisen sollte - diese Menschen in den Trabantenstädten sind arm und sozial ausgegrenzt. Ihren Lebensunterhalt können sie nicht immer mit Arbeit bestreiten, viel einfacher gelingt das mit einer kriminellen Energie. 
Pasolini nannte die Menschen seines Filmes "Subproletariat", da sie nicht einmal fähig sind sich selbst und ihr Elend zu begreifen. " Sie werden schuldlos schuldig wie die Helden der griechischen Tragödie" so der Filmemacher.
Erzählt wird die tragische Geschichte des jungen Müßiggänger und Zuhälter Vittorio (Franco Citti), der sich schon lange "Accatone" (Bettler, Schmarotzer) nennt. Und tatsächlich beschreibt dies auch sein Tagwerk. Aber hier in der Vorstadt ist das relativ normal, viele seiner Kumpels gehen der gleichen "Beschäftigung" nach und lassen die Freundin für sich arbeiten. Weil er sich in der trostlosen Trabantenstadt keine eigene Wohnung leisten kann, lebt er mit seinem Mädchen Maddalena (Silvana Corsini) bei der kinderreichen Nannina (Adele Cambria), deren Mann Ticio wegen Zuhälterei im Knast sitzt. Von Salvatore Umberto Bevilaqua), einem Freund von Ticio erfährt Accatone, dass Maddalene ihn verraten haben soll. Er kann nicht verhindert, dass Salvatore mit drei weiteren Freunden Maddalena abpassen und sie in einer einsamen Gegend massiv verprügeln. Bei der Gegenüberstellung der Verdächtigen identifiziert die Frau jedoch drei Unschuldige und muss anschließend ins Gefängnis. Damit ist die sichere Geldquelle für Accatone versiegt. Jetzt erinnert er sich, dass er verheiratet ist und einen kleinen Sohn hat. Doch der Bruder (Massimo Cacciafeste) seiner Nochehefrau Ascenza (Paola Guidi) jagt ihn fort. Schließlich lernt er die naive Stella (Franca Pasut) kennen, gemeinsam mit seinem besten Freund Pio (Piero Morgia) fahren sie durch die Gegend. Er beschließt ein ehrliches und arbeitsames Leben zu führen, nachdem Stella bei ihrem ersten Freier versagt hat.  Doch für die Arbeit ist er nicht geschaffen, schon am ersten Tag gibt er auf. Nun bleibt nur noch die Möglichkeit als Dieb zu arbeiten. Gemeinsam mit dem Dieb Balilla (Mario Capriani) und Cartagine (Roberto Scaringella) wird spontan ...



Vor dieser Entscheidung zeigt Pasolini dem Zuschauer die einzige sehr surreale Szene in seinem ansonsten extrem realistischen und nüchternen Szenario. Accatone träumt dabei seine eigene Beerdigung. Sein Sarg wird von seinen Kumpels getragen, doch er darf den Friedhof als Einziger nicht betreten.
Viele Szenen sind sehr eindrücklich, sie zeigen aber auch die innere Leere dieses Lebens. Accatone hält sich ohne Ziel mühsam über Wasser. Die Gewalttaten erweisen sich bei Pasolini als Gesten von Verzweiflung und Hilflosigkeit. Am Drehbuch hatte der Hauptdarsteler Franco Citti großen Anteil, die Drehorte fanden im Osten Roms statt, vornehmlich in der Via Fanfulla da Lodi im Pigneto-Viertel. Großartige Leistung der schwarz-weiß kamera von Tonino delli Colli. Die Musik nach Johann Sebastian Bach verstärkt die Schwere des Stoffs.
Schon in seinem Erstling lässt Pasolini die Passionsgeschichte etwas anklingen - in seinem zweiten Film "Mamma Roma" kommt dies noch stärker zu tragen. Daher ist es nur logisch, dass Pasolini kurze Zeit später seinen Christus-Film "Il vangelo secondo Matteo" realisierte. Seinerzeit war "Accatone" ein Film, der für Furore sorgte. Rechtsgerichtete Jugendliche stürmten die Kinos, vor allem in Rom wollte niemand das Elend vor den Toren der Metropolen ungeschminkt sehen.



Bewertung: 8 von 10 Punkten.

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