Dienstag, 22. August 2017

Die große Illusion

Regie: Jean Renoir

Die Überwindung der Grenze...

Erster Weltkrieg an der Westfront: Bei einem Aufklärungsflug werden der französische Jagdflieger Maréchal (Jean Gabin) und der hohe Stabsoffizier de Boeldieu (Pierre Fresnay) von dem deutschen Jagdflieger Major von Rauffenstein (Erich von Strohheim)  abgeschossen und geraten in Kriegsgefangenschaft. Trotz allem herrscht gegenseitiger Respekt unter den "Feinden" und bevor die Franzosen ins Kriegsgefangenenlager abtransportiert werden, wird noch gemeinsam gegessen. De Boeldieu und auch Rauffenstein entstammen dem Adel und aufgrund der Klassenzugehörigkeit ist zu erkennen, dass sie sich wünschen, sie hätten sich unter anderen, friedlichen Umständen kennengelernt. Im Lager selbst machen die Gefangenen das Beste aus ihrer Lage - unter den wachsamen Augen der teilweise höflichen Wärter, beginnen die Franzosen einen Tunnel zu graben, der sie in die Freiheit bringen soll.  Unter den Gefangenen ist auch der vermögende Jude Rosenthal (Marcel Dalio), der die Gruppe mit köstlichen Konserven seiner Verwandten versorgt, die Pakete werden auch zugestellt, da die Deutschen so auch die teure Verpflegung für Gefangene sparen. Die Männer üben mit dem Schauspieler Cartier (Julien Carette) auch eine Gesangsstil im Boulevard- und Burleskestil ein. Während dieser Aufführung trifft die Nachricht eintrifft, dass das hart umkämpfte Fort Douaumont wieder in französischer Hand ist. Vor lauter Begeisterung stimmt Marechal die Marseillaise an und landet dafür im Bunker.  Derweil graben seine Kameraden weiter und in der Nacht soll es losgehen. Marcheal kommt sogar an diesem besagten Tag aus der Einzelhaft. Doch dann werden die Männer überraschend verlegt. Damit gibts auch ein Wiedersehen mit von Rauffenstein, der nach vielen schweren Verwundungen nun der Kommandant eines sicher geltenden Gefangenenlagers geworden ist. Die Gemeinschaft der beiden aus dem Adel stammenden Männer intensiviert sich. Um die Flucht von Marcheal und Rosenthal zu ermöglichen, fingiert Boeldieu selbst einen Ausbruchsversuch und ermöglicht den beiden Kameraden einen Vorsprung. Bei einer deutschen Bäuerin (Dita Parlo) finden die beiden vorübergehend Unterschlupf...



Das Filmdebüt von Jean Renoir, dem Meister des poetischen Realismus, entstand 1937 zu einer Zeit extremer wirtschaftlicher und politischer Turbulenzen in Europa. Noch lange nicht waren die Wunden des 1. Weltkriegs verheilt und das Drohen neuer Konflikte war spürbar. Rein oberflächlich gesehen ist sein Kriegsfilm, der im eigenen Genre sehr stark aus dem Rahmen fällt, ein pazifizistisches Plädoyer gegen die Flut nationalistischen Eifers und faschistischer Politik dieser Zeit. Vielmehr kritisiert der Film auch die Konstrukte, mit denen vorhandene Unterschiede zementiert werden können und die allesamt vom Menschen selbst gebaut werden. Renoir gelingt es die Menschen vernünftig zu zeichnen - es gibt keinen Hass. Aber allen ist klar, dass sie verschiedenen Herren dienen, die den Kampf befehlen. Also inmitten des Wahnsinns eines mörderischen Krieges sind die Menschen tagtäglich zu friedlichen Handlungen bereit. Auch wenn sie einen Tunnel graben. Renoir sieht in seinem Film weniger eine Schranke wegen der Rasse, dem Volk oder ethnischen Zugehörigkeiten. Vielmehr sieht er ein Problem darin, dass die Klassen untereinander vielmehr getrennt sind. So verstehen sich die Aristokraten untereinander gut (Rauffenstein und Boeldieu). Auch zwischen Marcheal und der deutschen Bäuerin existiert sehr schnell keine Fremdheit mehr. Der historisch wertvolle Film ist brilliant in seiner Objektivität. Er wurde zu seiner Zeit sowohl in Frankreich selbst als auch im benachbarten Ausland (Deutschland, Italien) geschnitten oder gar verboten. Seltsam das Gegenspiel von Militärismus und Pazifismus. Das Miteinander der beiden Aristokraten basiert beispielsweise auf Tugenden wie Ehre, Ordnung und gegenseitigem Respekt, die aus der Mode kommen - wie sie es in einem Gespräch untereinander formulieren und erkennen, dass ihre Zeit wohl abgelaufen ist.  Somit sind die Deutungen, was eine große Illusion ist, vielschichtiger. Renoir könnte zwar die Illusion als eine Art Wunsch oder Zukunftsvision gemeint haben, dass nicht nur die Nationen, sondern auch die gesellschaftlichen Klassen sich irgendwann miteinander versöhnen. Im Bezug auf seine Entstehungszeit war es aber wohl eher auch schon ein resignierendes Element, dass man nicht aufhalten konnte. Der Weltfrieden war bald wieder in Gefahr. Das Darstellertrio Jean Gabin, Pierre Fresnay und der deutsche Erich von Strohheim spielen ihre Figuren grandios und mit viel Würde. Man empfindet Trauer darüber, warum es gelingt den Menschen immer wieder für den Krieg zu konditionieren. "Die große Illusion" zeigt eindrücksvoll, dass das Miteinander nicht verloren ist. Ein sehr schöner und wichtiger Klassiker der europäischen Filmgeschicht und einer der besten Filme der 30er Jahre.




Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

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