Freitag, 25. August 2017

Polizei greift ein

Regie: Samuel Fuller

Brisantes Diebesgut...

Samuel Fullers Film Noir "Polizei greift ein" (Originaltitel: Pickup on South Street) wurde für das deutsche Kino in "Lange Finger - harte Fäuste" umbenannt - eine ziemlich unglückliche Übersetzung für den Charakter dieses kleinen Meisterwerks der schwarzen Serie, bei dem tatsächlich was sehr Brisantes auf der South Street angenommen wird.
Die deutsche und auch die französische Synchronisation hat dann aus dem Diebstahl eines Mikrofilms, der brisante Informationen amerikanischer Kommunisten an die Sowjetunion enthält, einen ganz anderen Inhalt aus dem brisanten Diebesgut gemacht - eine Formel um eine ziemlich leicht herzustellende Droge, die skrupellosen Drogenhändlern gutes Geld einbringen kann. Dadurch ergibt sich in der Verfälschung der Story eine gewisse Verwandtschaft zu Hitchcocks "Berüchtigt". Um dem deutschen Zuschauer im Nachkriegsdeutschland keine fiesen Nazis anzubieten, wurde aus der Spionagegeschichte ein "Weißes Gift" - ein Mischmasch aus Uran und Rauschgift. Und beide Filme wurden der politischen Dimension beraubt. Dank dem ZDF wurde zumindest "Berüchtigt" neu synchronisiert, aber "Polizei greift ein" blieb leider bis heute in der deutschen Version entpolitisiert.
Dennoch ist der Film auch als Rauschgiftgeschichte eine Perle des späten Film Noir - der Film gewann sogar 1953 den Bronzenen Löwen der Filmfestspiele in Venedig.
Der mehrfach vorbestrafte Skip McCoy (Richard Widmark) aus New York City ist ein sehr erfolgreicher Taschendieb. Er hat seine eigene Methode entwickelt seinem Nachbarn im Bus oder in der U-Bahn das Geld zu klauen. Sehr gelegen kommt ihm da auch die Tatsache, dass diese Verkehrsmittel ständig verstopft sind und man dadurch ganz nah beim Anderen steht. An einem ziemlich heißen Tag stiehlt er aus der Handtasche der attraktiven Candy (Jean Peters) die Geldbörse. Was er nicht weiß: Die Frau führte einen brisanten Inhalt mit sich, der sich nun in seinen Händen befindet. Er hat auch nicht bemerkt, dass die junge Frau von zwei Kriminalbeamten beschattet wurde. Die sind einem Rauschgiftring auf der Spur und haben herausgefunden, dass diese Candy als Kurier eines Mikrofilmes mit der Formel für die Herstellung von billigem Rauschgift fungiert. Candy wußte aber nicht, was sie da für und von ihren Lover Joey (Richard Kiley) an einen Drogenboss zu überbringen hatte. Er setzt seine Freundin unter Druck den gestohlenen Mikrofilm wieder zu besorgen. Auch die Polizei und das FBI sind inzwischen nicht untätig - der ruppige Captain Dan Tiger (Murvyn Vye) und FBI Agent Zara (Willis Bouchey) setzen auf die Kentniss der Polizeiinformantion Mo Williams (Thelma Ritter), die so ziemlich alle Diebe in ihrem Viertel kennt.
Sie kann die Methode, wie der unbekannte blonde Dieb vorgegangen ist, sofort McCoy zuordnen. Für etwas Geld nennt sie auch seinen Namen, obwohl sie ihn mag. Der lebt abgeschieden und richtig romantisch in einer kleinen Fischerhütte am Hafen. Bald wird er von der Polizei Besuch bekommen, aber auch von Candy, die ebenfalls durch Moe den heißen Tipp bekam. In der Nacht betritt sie seine Hütte und wird von ihm mit einem Faustschlag zu Boden befördert. Erst jetzt erkennt er in ihr die Frau, die er in der U-Bahn beklaut hat. Die versucht es mit weiblichen Verführungskünsten, ein erster Kuß als Vorgeschmack. Doch Skip fällt auf diese Tour nicht herein und wirft Candy aus seinem Zuhause. Aber irgendwie hat es zwischen den beiden dennoch gefunkt...




Bei der zeitgenössischen Kritik wurde Fullers Film nicht begeistert aufgenommen, obwohl Nebendarstellerin Thelma Ritter eine Oscarnominierung erhielt und der Film in Venedig preisgekrönt wurde. Fullers Film hatte aber großen Einfluss auf die Nouvelle Vague. Bestens zusehen in Godards "Außer Atem" - dort werden mehrere von "Polizei greift ein" zitiert.  Zumindest im Metier des Taschendiebs gibts auch einen verwandtschaftlichen Aspekt zu Robert Bressons "Pickpocket". Für mich ist "Polizei greift ein" ein unbestrittenes Meisterwerk seines Genres und tatsächlich so ein bisschen ein Bindeglied zwischen der schwarzen Serie der 40er Jahre und den europäischen, vor allem französischen Varianten, die dann in den 50er Jahren entstanden. Fullers Film hat einen starken europäischen Touch und ist irre atmosphärisch. Jean Peters gibt eine tolle Femme Fatale ab, die sich aber am Ende für die Liebe entscheidet. In "Polizei greift ein" kommt auch Samuel Fullers Sympathie für die Aussenseiter der Gesellschaft zum Tragen. Die Helden sind Taschendiebe und sogar ein weiblicher Polizeispitzel. Sie werden wegen ihrer Armut zu etwas kriminellem oder unmoralischem gezwungen, aber wenn es darauf ankommt, haben sie das Herz am rechten Fleck. Selten hat auch eine Lovestory so gut funktioniert wie hier bei Widmark und Peters.





Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

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