Montag, 28. August 2017

Der blaue Engel

 





































Regie: Josef von Sternberg 

Professor Unrat...
Ein Weltstar wird geboren und sogar so ein großer, wie ihn die Filmgeschichte nicht oft hervorbringen wird: Mit übereinandergeschlagenen schönen Beinen, bekleidet mit Strapsen, Glizterkostüm und Seidenstrümpfen singt sie ungeheuer lasziv die Friedrich Hollaender Songs "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt", "Nimm dich in acht vor blonden Frauen" oder das temperamentvolle "Ich bin die fesche Lola". Die Männer unten im kleinen Saal des Nachtlokals "Der blaue Engel" johlen zuerst, dann werden sie stumm und man hat dann das Gefühl, dass die kleine Tingeltangelsängerin Lola Lola (Marlene Dietrich) von allen Männern im Saal angebetet wird. "Männer umschwirn mich wie Motten das Licht und wenn sie verbrennen dafür kann ich nichts". So ähnlich gehts auch den braven Gymnasiasten Lohmann (Roland Varno), Ertzum (Carl Ballhaus) und Goldstaub (Robert Klein-Lörk). Selbst der Primus Angst (Rolf Müller) trägt die Bilder dieser Sängerin mit sich, die seit einiger Zeit mit ihrem Ensemble in der Stadt gastiert. Und die werden von Gymnasialprofessor Dr. Rath (Emil Jannings) während einer Unterrichtstunde entdeckt. Rath hat seine Jungs mit eiserner Disziplin fest im Griff, für den pedantischen Sonderling zählt Zucht und Ordnung. So sieht der moralische Sittenwächter auch gleich die Verdorbenheit vpr sich und natürlich hat er ein Interesse, dass seine Zöglinge nicht auf die schiefe Bahn abgetrieben werden. Die verkehren allerdings schon heimlich, aber sehr munter in dem wenig beleumundeten Lokal. Rath entschließt sich die Künstlerin zur Rede zu stellen. Doch auch er wird vom Virus "Lola Lola" ergriffen. Während der Professor zwar noch seine Schüler im Etablissement aufstöbert, hat er in Lolas Garderobe Platz genommen und als verschrobener Naivling auf dem Gebiet der Liebe lässt er sich im Nu ganz leicht von ihr um den Finger wickeln. Am anderen Abend ist er wieder im Lokal und seine Schüler haben damit auch schon bemerkt, dass nicht mehr ihr Wohlbefinden das Motiv für Raths Auttauchen darstellt. Am anderen Tag haben sie bereits die Tafel mit Karikaturen vollgekritzelt, die den Lehrer lächerlich machen und mit wenig Respekt nennen sie ihn jetzt "Unrat". Da er ihr schon verfallen ist, verzichtet er nach einer Aussprache mit dem Direktor der Schule auf Amt und Würden, um seine Angebetete heiraten zu können. Die willigt ein, obwohl sie ihn bei seinem Heiratsantrag minutenlang auslacht. Zwar ist das ungebildete Mädchen aus der Unterschicht geschmeichelt, dass ein älterer Herr aus guten Kreisen um ihre Hand anhält. Doch genauso weiß sie auch selbst von ihrer Oberflächlichkeit, wie sie auf Männer wirkt und lässt es zu - durch die Momentaufnahme seiner Liebe gerührt. Sie weiß aber im Stillen, dass nichts daraus werden kann. Zumindest nicht auf Dauer. Dennoch läuft das einige Zeit ganz gut, aber dann stellt sich doch der Überdruß ein. Mit dem Artisten Mazeppa (Hans Albers) steht bereits ein attraktiver Nebenbuhler bereit. Mit Rath selbst geht es weiterhin bergab. Er muss sich inzwischen seinen Lebensunterhalt als Assistent des Chefs und Zauberkünstlers Kiepert (Kurt Gerron) verdienen. Als Clown darf ihm sein zaubernder Direktor rohe Eier zur Gaudi des Publikums auf den Schädel schlagen, dazwischen hat er als Text ein krähendes "Kikeriki" nachzuahmen. Es kommt noch dicker. Das Ensemble hat wieder einen Vertrag für ein Gastspiel beim "Blauen Engel" bekommen. Das heißt zurück in Raths Heimatstadt und damit ist auch ein volles Haus zahlender Gäste sicher. Denn alle wollen den gefallenen Akademiker auf der Bühne sehen..




Der Film "Der blaue Engel" entstand 1930 durch den großen Einfluß des damaligen UFA Chefs Erich Pommer, der leider 3 Jahre später auf Geheiß der Nazis schmählich aus dem Amt gejagt wurde, obwohl unter seiner Führung dem Filmstudio noch weitere Welterfolge wie "Die drei von der Tankstelle" oder "Der Kongreß tanzt" realisiert werden konnten.
Heinrich Mann lieferte die literarische Vorlage, die aber von Regisseur Josef von Sternberg in entscheidenden Punkten verändert wurde. Mann hatte in seinem Roman die Figur des Professor Rath als machtlüsternen und sexuell verklemmten Spießbürger gezeigt, der seine Moral nur vortäuscht. Im Film ist Rath aber ein gar nicht mal so unsympathischer Sonderling, lediglich wirkt er etwas weltfremd und linkisch. Lediglich beim Schulunterricht gibt sich Rath als wilhelminischer Erfüllungsgehilfe, der seine Schüler mit Drill und Rohrstock die preußischen Tugenden nahe bringt. Jannings, der bereits zu dieser Zeit einen Oscar als bester Schauspieler erringen konnte, läuft in "Der blaue Engel" zur schauspielerischen Höchstform auf, dennoch ist der Film ein Marlene Dietrich Film. Ihre Mischung aus Femme Fatale und Unschuld wurde eine der nachhaltigsten Frauenrolle der Filmgeschichte. Mit ihrem Auftritt hielt der Tonfilm Einzug ins Kino. Lola steht für eine neue Zeit. Ihr Partner verkörpert das Vergangene. Schön zu sehen bei der in den Zwischenabschnitten eingeblendeten mittelalterlichen Spieluhr mit faszinierenden Totentanz-Figuren. Es ertönt das preußische Glockenspiel "Üb immer Treu und Redlichkeit" - eine Mahnung an den alten Geist, der vom neuen völlig überrannt wird und gegebenenfalls von ihm getötet wird.



Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

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