Regie: Nuri Bilge Ceylan
Nächtliche Leichensuche....
Mit "Once upon a Time in Anatolia" (Originaltitel: Bir Zamanlar
Anadolu´da) hat der türkische Regisseur Nuri Bilge Ceylan eine
großartiges Meisterwerk geschaffen. Je länger der 157 Minuten Film
läuft, desto mehr zieht er den Zuschauer gekonnt in seinen Bann. Als
Stilistisches Kennzeichen des Regisseurs scheinen lange Einstellungen zu
sein, die dem Publikum sorgfältig komponierten Bildkompositionen
präsentieren. "Once upon a Time in Anatolia" enstand im Jahr 2011 und
erhielt gemeinsam mit "Der Junge mit dem Fahrrad" einem Film der
Gebrüder Dardenne (Belgien) den großen Preis der Jury bei den
internationalen Filmfestspielen in Cannes. Drei Jahre später erhielt er
ebenfalls in Cannes die Goldene Palme für den Nachfolgefilm
"Winterschlaf".
Der Film lässt sich viel Zeit zum Aufbau seiner Geschichte, dabei ist
auch die Kameraführung von Gökhan Tiryaki lobend zu erwähnen, die Bilder
sind so gemacht als würden die Figuren, die in einem Mordfall eine
Tatortbegehung machen, auf sehr beengtem Raum agieren. Es ist Nacht und
sie fahren mit drei Autos durch die türkische Provinz. Kenan (Firat
Tanis) ist der Mörder und auch sein Komplize 'Ramazan (Burhan Yildiz)
sitzt in einem der Wagen. Beide umringt von Polizisten. Der Staatsanwalt
Nusret (Taner Birsel) ist dabei, ebenso der Gerichtsarzt Dr. Cemal
(Muhammet Uzuner). Am Anfang unterhält sich Kommissar Naci (Yilmaz
Erdogan) mit seinem Fahrer Arap Ali (Ahmet Müntaz Taylan) über
Büffel-Joghurt. Man hat beinahe das Gefühl die türkische Ausgabe eines
Tarantino-Films zu sehen, der Humor ist relativ schwarz. Naci ist
ungeduldig, da Kenan nicht mehr genau weiß, wo er die Leiche von Yasar
(Erol Eraslan) vergraben hat. Oder aber die Beamten absichtlich immer
wieder in die Irre führt. Zumindest ist dies Nacis Verdacht, irgendwann
wird er gegen den Gefangenen handgreiflich. Der Staatsanwalt ist
sichtlich gelangweilt, denn er wollte eigentlich am nächsten Tag
frühzeitig nach Ankara reisen. Er erzählt dem Gerichtsarzt eine
sonderbare Geschichte einer Frau, die ihren Todestag genau vorhergesagt
hat. Immer wieder wird diese Geschichte im Lauf der Handlung fortgesetzt
und man erfährt näheres und kann wie in einem Puzzle Stein für Stein
langsam zusammensetzen, damit daraus ein Bild wird. Jedenfalls werden
die Männer nach so langer erfolgloser Suche müde und vor allem hungrig.
So entscheiden sie sich zur Schlafensstunde in einem nahen Dorf beim
Dorfvorsteher Mukhtar (Ercal Kesal) einzukehren. Dort sind sie trotz
später Stunde willkommen, es wird Lamm gegessen und die Männer bewundern
die Schönheit von Mukhtars jüngster Tochter Cemile (Cansu Demirici).
Bei diesem Besuch gesteht Kenan dem Kommissar, dass er mit Yasars Frau
Gülnaz (Nihan Ocutucu) ein Verhältnis hatte und er der Vater ihres
Sohnes Adem (Fatih Ereli) ist. Am frühen Morgen bricht der Konvoi wieder
auf, dann finden sie auch den Ort, wo die Leiche vergraben wurde....
Ein atmosphärisch dichtes Meisterwerk, sehr schwermütig und vor allem
bietet "Once upon a time in Anatolia" einen interessanten Einblick in
Land und Leute. Die Szenen wurden formstreng gestaltet, aber immer
wieder schimmert eine vollende Schönheit aus ihnen. Magische Augenblicke
und tragische Momente, die sehr tief gehen. Die Dialoge zwischen den
Staatsanwalt und dem Gerichtsartz werden immer wahrhaftiger, auch wenn
man genau dies vermeiden will. Viele Sequenzen bleiben im Gedächtnis
haften: Der Wind und die Bäume im Dunkel, vom Licht der Autos
angestrahlt. Man weiß man ist irgendwo in Anatolien, aber alles wirkt so
eng. Wenig Totale, die Kamera agiert in Augenhöhe und zeigt nicht was
rechts, links, unten oder oben ist. Poetische Momente sind dabei. Viele
Kritiker verglichen den Film mit Antonionis großartigem "Blow up" -
schon alleine wegen des Phantoms "Leiche". Mich erinnerte Ceylans Film
aber auch an den Oscarpreisträger aus Argentinien "In ihren Augen" von
Juan Jose Campanella. In beiden Filmen wird der Krimianteil dazu
verwendet für wesentlich vielschichtigere Aussagen.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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