Montag, 21. August 2017

Schlacht um Algier







































Regie: Gillo Pontecorvo

Kampf gegen die Rebellen Kampf für die Freiheit...


1966 gewann der dokumentarisch geprägte schwarz-weiß Spielfilm von Gillo Pontecorvo den Golden Löwen bei den Filmfestpielen in Venedig. Man konnte damals von einem zeitgenössischen Werk sprechen, der die Episode von 1954 bis 1962 im algerischen Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich schildert. Im Jahr 1966 gab es das unabhängige Algerien aber schon 4 Jahre lang und die Kritiker sahen damals auch einen Vergleich zum ständig thematisierten Vietnam-Krieg. Auch wenn die algerisch-nationalistischen Rebellenorganisation FLN am Ende von der französischen Armee niedergeschlagen wurde, weil sie die Köpfe der Organisation erfolgreich besiegten - so war der Freiheitsgedanke und der Wunsch nach Unabhängigkeit langfristig doch stärker. Doch die Methoden mit denen der französischen Armee diesen militärischen Sieg erringen konnte, wurde logischerweise als Erfolgsmuster auch in anderen Regionen dieser Welt eingesetzt, so zum Beispiel in den schmutzigen Kriegen Lateinamerikas der 70er und 80er Jahre. Auch heute noch ist der Film äusserst aktuell, denn die Methoden der Folter, wie beispielsweise das Waterboarding, erfreut sich auch heute noch sehr großer Beliebtheit, wenn es darum geht aus den Opfern Geständnisse herauszupressen oder Namen von den Terroristen zu bekommen.
Im Grunde hat sich doch nichts geändert - dies ist die traurige Botschaft, die der sehr aufwühlende Film auch heute noch für den Zuschauer offenbart. Jedes Mittel ist Recht, wenn es darum geht die eigenen politischen Ziele durchzusetzen, der immer auf den größt möglichen Vorteil abzielt. Sehr offensichtlich wird dies gerade heute im aktuellen Syrien-Konflikt - wo sich die vielen Parteien nicht einigen wollen.
Der Film beginnt auch gleich ziemlich heftig - die französischen Besatzer waren mit ihrer ausgedehnten Folter erfolgreich und haben es geschafft, dass das Versteck des letzten Rebellenführers Ali La Pointe (Brahim Hadjadi) nun endlich bekannt ist. Der hat sich mit drei weiteren Rebellen, darunter eine Frau (Samia Kerbash) und einem Jungen (Mohammed Ben Kassen) hinter der Wand eines Zimmers versteckt. Nun ist das ganze Haus von der französischen Armee umtstellt und der befehlshabende Colonel Matthieu (Jean Martin), ein ehemaliger Kämpfer der Resistance, fordert ihn auf aus dem Versteck herauszukommen. In einer Rückblende wird der Zuschauer dann Zeuge der vergangenen Ereignisse, die einige Jahre vorher in einem Gefängnis beginnen. Dort wird ein Mann zur Guillotine geführt, er ruft vorher "Freiheit für Algerien" und "Gott ist groß" - dann hören die anderen Insassen nur das Geräusch des Fallbeils. Der Film schildert in seinem mutigen, authentischen Dokumentarstil und weitestgehend mit Laiendarstellern besetzt diese Kettenreaktion der Gewalt. Um ihre Forderungen nach Freiheit und Unabhängigkeit durchzusetzen, sind die Rebellen auch nicht gerade zimperlich und die Arbeit als Polizist oder Soldat in Algier ist sehr gefährlich. Gewalttätige Übergriffe sind an der Tagesordnung und die französischen Kolonialisten geben genauso hart zurück. Sie sehen den Unabhängigkeitswunsch eher von einer gewalttätigen Minderheit ausgehend, denn schließlich hat man ja 130 Jahre lange friedvoll zusammengelebt. Doch der Konflikt erhärtet sich. Es kommt zu schweren Attentaten mit vielen Todesopfern. Die 10. französische Fallschirmdivision unter General Massu befiehlt daraufhin die Kasbah von Algier von Aufständischen zu säübern. Dies wirkt sich auch auf die arabische Zivilbevölkerung aus - massiver Einsatz von schwersten Foltermethoden und Hinrichtungen.




Pontecorvo war Chemiestudent, dann Journalist und jugendlicher Partisanenführer im antifaschistischen Widerstand in Italien, ehe er den Dokumentarfilm für sich entdeckte. Dabei erhielt er für "Schlacht um Algier" finanzielle Unterstützung von der algerischen Regierung. Man merkt dem Film auch an, dass er gegen den Kolonialismus ist. Dennoch schildert er die Ereignisse sehr neutral, der Zuschauer kann sich so selbst ein Bild - jenseits vom Gut und Böse Schema - machen. Vor allem auch die gezeigten Bombenattentate sind äusserst großartig in Szene gesetzt. Frauen aus der Kasbah schmuggeln Bomben durch die Kontrollstellen. Sie stellen diese Taschen ab, in denen sich die schmutigen Bomben befinden. Kameramann Marcello Gatti zeigt uns in diesen Minuten die Gesichter der ahnungslosen Menschen, die sich in der Nähe dieser kommenden Katastrophe befinden. In einer Flughafenwartehalle, einer Milchbar, in der französische Teenager zu Popsongs tanzen - dann der explosive, todbringende Knall. Untermalt wird dieses - ebenfalls sehr aktuelle  Bild von der emotionalen Soundtrack-Music des Ennio Morricone. Ein kluger und sehr großer Film der 60er Jahre. 1967 wurde er für den Oscar als bester ausländischer Film nominiert, verlor aber gegen Claude Lelouchs "Ein Mann und eine Frau".




 Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen