Regie: Gillo Pontecorvo
Kampf gegen die Rebellen Kampf für die Freiheit...
1966 gewann der dokumentarisch geprägte schwarz-weiß Spielfilm von Gillo
Pontecorvo den Golden Löwen bei den Filmfestpielen in Venedig. Man
konnte damals von einem zeitgenössischen Werk sprechen, der die Episode
von 1954 bis 1962 im algerischen Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich
schildert. Im Jahr 1966 gab es das unabhängige Algerien aber schon 4
Jahre lang und die Kritiker sahen damals auch einen Vergleich zum
ständig thematisierten Vietnam-Krieg. Auch wenn die
algerisch-nationalistischen Rebellenorganisation FLN am Ende von der
französischen Armee niedergeschlagen wurde, weil sie die Köpfe der
Organisation erfolgreich besiegten - so war der Freiheitsgedanke und der
Wunsch nach Unabhängigkeit langfristig doch stärker. Doch die Methoden
mit denen der französischen Armee diesen militärischen Sieg erringen
konnte, wurde logischerweise als Erfolgsmuster auch in anderen Regionen
dieser Welt eingesetzt, so zum Beispiel in den schmutzigen Kriegen
Lateinamerikas der 70er und 80er Jahre. Auch heute noch ist der Film
äusserst aktuell, denn die Methoden der Folter, wie beispielsweise das
Waterboarding, erfreut sich auch heute noch sehr großer Beliebtheit,
wenn es darum geht aus den Opfern Geständnisse herauszupressen oder
Namen von den Terroristen zu bekommen.
Im Grunde hat sich doch nichts geändert - dies ist die traurige
Botschaft, die der sehr aufwühlende Film auch heute noch für den
Zuschauer offenbart. Jedes Mittel ist Recht, wenn es darum geht die
eigenen politischen Ziele durchzusetzen, der immer auf den größt
möglichen Vorteil abzielt. Sehr offensichtlich wird dies gerade heute im
aktuellen Syrien-Konflikt - wo sich die vielen Parteien nicht einigen
wollen.
Der Film beginnt auch gleich ziemlich heftig - die französischen
Besatzer waren mit ihrer ausgedehnten Folter erfolgreich und haben es
geschafft, dass das Versteck des letzten Rebellenführers Ali La Pointe
(Brahim Hadjadi) nun endlich bekannt ist. Der hat sich mit drei weiteren
Rebellen, darunter eine Frau (Samia Kerbash) und einem Jungen (Mohammed
Ben Kassen) hinter der Wand eines Zimmers versteckt. Nun ist das ganze
Haus von der französischen Armee umtstellt und der befehlshabende
Colonel Matthieu (Jean Martin), ein ehemaliger Kämpfer der Resistance,
fordert ihn auf aus dem Versteck herauszukommen. In einer Rückblende
wird der Zuschauer dann Zeuge der vergangenen Ereignisse, die einige
Jahre vorher in einem Gefängnis beginnen. Dort wird ein Mann zur
Guillotine geführt, er ruft vorher "Freiheit für Algerien" und "Gott ist
groß" - dann hören die anderen Insassen nur das Geräusch des Fallbeils.
Der Film schildert in seinem mutigen, authentischen Dokumentarstil und
weitestgehend mit Laiendarstellern besetzt diese Kettenreaktion der
Gewalt. Um ihre Forderungen nach Freiheit und Unabhängigkeit
durchzusetzen, sind die Rebellen auch nicht gerade zimperlich und die
Arbeit als Polizist oder Soldat in Algier ist sehr gefährlich.
Gewalttätige Übergriffe sind an der Tagesordnung und die französischen
Kolonialisten geben genauso hart zurück. Sie sehen den
Unabhängigkeitswunsch eher von einer gewalttätigen Minderheit ausgehend,
denn schließlich hat man ja 130 Jahre lange friedvoll zusammengelebt.
Doch der Konflikt erhärtet sich. Es kommt zu schweren Attentaten mit
vielen Todesopfern. Die 10. französische Fallschirmdivision unter
General Massu befiehlt daraufhin die Kasbah von Algier von
Aufständischen zu säübern. Dies wirkt sich auch auf die arabische
Zivilbevölkerung aus - massiver Einsatz von schwersten Foltermethoden
und Hinrichtungen.
Pontecorvo war Chemiestudent, dann Journalist und jugendlicher
Partisanenführer im antifaschistischen Widerstand in Italien, ehe er den
Dokumentarfilm für sich entdeckte. Dabei erhielt er für "Schlacht um
Algier" finanzielle Unterstützung von der algerischen Regierung. Man
merkt dem Film auch an, dass er gegen den Kolonialismus ist. Dennoch
schildert er die Ereignisse sehr neutral, der Zuschauer kann sich so
selbst ein Bild - jenseits vom Gut und Böse Schema - machen. Vor allem
auch die gezeigten Bombenattentate sind äusserst großartig in Szene
gesetzt. Frauen aus der Kasbah schmuggeln Bomben durch die
Kontrollstellen. Sie stellen diese Taschen ab, in denen sich die
schmutigen Bomben befinden. Kameramann Marcello Gatti zeigt uns in
diesen Minuten die Gesichter der ahnungslosen Menschen, die sich in der
Nähe dieser kommenden Katastrophe befinden. In einer
Flughafenwartehalle, einer Milchbar, in der französische Teenager zu
Popsongs tanzen - dann der explosive, todbringende Knall. Untermalt wird
dieses - ebenfalls sehr aktuelle Bild von der emotionalen
Soundtrack-Music des Ennio Morricone. Ein kluger und sehr großer Film
der 60er Jahre. 1967 wurde er für den Oscar als bester ausländischer
Film nominiert, verlor aber gegen Claude Lelouchs "Ein Mann und eine
Frau".
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