Freitag, 25. August 2017

Lebewohl meine Konkubine







































Regie: Chen Kaige

Sehnsucht nach dem irdischen Leben...

Die Pekingoper "Lebewohl meine Konkubine" spielt zur Zeit der Machtkämpfe zwischen den Chu und den Han. Der König war damals überaus mächtig. Am Ende blieben ihm aber nur eine Frau und ein Pferd. Er wollte, dass seine Konkubine auch flieht. Aber sie blieb bei ihm. Ein letztes Mal goss sie ihrem Geliebten Wein ein, tanzte für ihn den letzten Schwerttanz und erstach sich danach mit dem Schwert. Sie blieb ihrem König treu ergeben bis in den Tod. Chen Kaiges Meisterwerk beginnt im China des Jahres 1977, kurz nach dem Ende der sogenannten Kulturrevolution. Auf einer Bühne trifft der Peking-Opernstar Cheng Dieyi (Leslie Cheung) nach 11 Jahren seinen ehemaligen Partner Duan Yialou (Zhang Fengyi) wieder. Beide Schauspieler haben ihr altes prächtiges Opernkostüm an, sind edel maskiert und geschminkt. Der eine als Mann und der andere als Frau. Der König und seine Konkubine. Der Hausmeister ist der einzige Zuschauer, erkennt aber die Stars sofort wieder. Dann tut sich für den Zuschauer in einer Rückblende die jüngste Geschichte Chinas auf. Es ist eine Geschichte von Diktatur, Bürgerkrieg und Revolution, vom Theater und vom Leben. Aber auch die Geschichte dieser beiden Männer, die sich schon seit ihrer Kindheit kennen und miteinander befreundet sind. Damals noch als Schauspielschüler Shitou (Kind: Fei Yong/Teenager: Zhao Holong) und Douzi (Kind: Ma Mingwei/Teenager: Yin Zhi). Letzterer wird zuerst von Meister abgelehnt, da er wenig Talent bei dem sensiblen Jungen wahrnimmt und auch einen sechsten Finger an dessen Hand. Die Mutter (Wenli Jiang) trennt ihn kurzerhand mit einem Messer ab. Der Junge soll es besser haben. Und die Lehrer sagen tatsächlich "Ihr habt bei uns das große Los gezogen" - die Realität wird aber bestimmt durch unmenschliche Prügel und Foltermethoden. Mit Ziegelsteinen werden die Beine auseinandergerissen, damit der Spagat gelingt. Jeder falsche Schritt ein Schlag und auch für den falschen Text, den Douzi immer wieder aufsagt "Die kleine Nonne ist eben erst 16 geworden und ihr langes und sehr hübsches Haar ist ihr von der Meisterin abgeschnitten worden, ich bin eigentlich ein Jüngling und keine zarte Schönheit"...dabei müsste es "ich bin eigentlich eine zarte Schönheit und kein Jüngling, weswegen trage ich eine gelbe Kutte um die Hüfte" heissen. Doch dieser Satz will nicht über seine Lippen. Irgendwann, nach viel Tränen, viel Blut und mit Hilfe der glühenden Tonpfeife des Lehrers,  sitzt aber genau dieser Satz in höchster Vollendung und Perfektion und der kleine Schauspieler identifiziert sich immer mehr zu 100 Prozent mit seiner Rolle als Konkubine. Die beiden werden erwachsen und er wird sich schmerzlich bewusst, dass er seinen Freund Shitou liebt. Doch diese Liebe bleibt unerfüllt und wird nur auf der Bühne in der Form des tragisches Pekingopernstücks zelebriert. Diese Vorstellungen bedeuten dem Schauspieler aber alles. Doch Shitou lernt im Haus der Blüten die Prostituierte Juxian (Gong Li) kennen und nimmt sie zur Frau, was zu großen Spannungen zwischen den beiden Freunden führt....




Juxian braucht einen Beschützer, aber am Ende schützt sie die Männer voreinander und vor der Wirklichkeit„"Lebewohl meine Konkubine" erzählt neben der jüngsten chinesischen Geschichte (vom alten China der alten Generäle der zwanziger Jahre, den japanischen Besatzern, den Kuomintang, den Kommunisten und den Reformern ) auch eine komplizierte Dreieckstragödie zwischen einem Mann, einer Frau und einem Homosexuellen, der seine Sehnsüchte nie ausleben kann und daher eine Besessenheit für seine Rolle wählt. In diesen Zeiten der vielen Umstürze und ständigen gesellschaflichen Wandlungen ist es schwierig für die Schauspieler neutral zu bleiben. Sie werden sich immer wieder politisch positionieren müssen, der Künstler muss zur "Hure" werden, wenn er überleben will. Besonders beängstigend ist eine der Schlußszenen, während die Kostüme der Schauspieler im Feuer lodern und die Akteure öffentlich als Verräter vorgeführt werden. Die Kulturrevolution wird inszeniert als eine flammende Inquisition. Das Propagandarot der Fahnen und Straßenumzüge macht richtig Angst -die Hitze verzerrt die Masken, die die Angeklagten tragen müssen, zu hysterischen Fratzen. Die Freunde werden einander zu Monstern und so werden die Verratenen selbst zu Verrätern. Am Ende kann nur der Tod die Erlösung bringen.
Chen Kaiges Film entstand 1993 und bekam im gleichen Jahr in Cannes die Palme D´Or zugesprochen. Es folgte eine Oscar-Nominierung als bester fremdsprachiger Film, musste sich allerdings von Fernando Truebas "Belle Epoque" geschlagen geben. Besser liefs bei der Golden Globe und BAFTA Verleihung. Dort konnte der Film den begehrten Preis als bester Auslandsfilm gewinnen. Veredelt wurde das Meisterwerk zustätzlich durch die geniale Kameraarbeit von Gu Changwei. Für mich ist das 171 Minuten lange morbide Epos einer der besten Filme der 90er Jahre.




Bewertung: 10 von 10 Punkten.

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