Donnerstag, 31. August 2017

Citizen Kane








































Regie: Orson Welles

Famous last words...

Der spätere Filmregisseur Orson Welles wurde am 30. Oktober 1938 durch das Hörspiel "War of the Worlds" schlagartig bekannt. Diese fiktive Reportage, die am Vorabend von Halloween ausgestrahlt wurde, wurde von den Zuhörern als extrem echt empfunden, dass es zu einer Massenpanik an der Ostküste kam. Ein Wunderkind wurde geboren und dementsprechend bekam er extrem gute Angebote von Hollywood. Die RKO Pictures bot ihm an einen Film seiner Wahl zu machen, ganz nach seinen eigenen Vorstellungen - ohne dass Produzenten reinreden. Zuerst war da die Idee "Herz der Finsternis" von Joseph Conrad zu verfilmen, aber dieser Plan wurde wieder verworfen und so beschloß Welles - gemeinsam mit Herman J. Manciewicz - ein Drehbuch zu schreiben über das Leben eines Medienmoguls. Als Vorbild für die fiktive Filmfigur "Citizen Kane" diente auch der berühmte Verleger und Medientycoon William Randolph Hearst, der gegen den Film eine große Medienkampagne startete. Welles betonte aber immer, dass seine Filmfigur Charles Foster Kane nicht auf einer einzelnen Person basiert, sondern dass er sich aus verschiedenen Figuren und Einflüssen zusammensetzt. Darunter die Filmproduzenten Howard Hughes und Jules Brulatour sowie die Geschäftsmänner Harold McCormick und Samuel Insull, der seiner Tochter ein eigenes Opernhaus bauen ließ. Auch autobiographische Züge lassen sich bei dem für viele Kritiker besten Film aller Zeiten feststellen. "Citizen Kane" brachte es im Jahr 1942 auf insgesamt 9 Oscar-Nominierungen in den Kategorien Bester Film, Regie, Hauptdarsteller, Drehbuch, Schnitt, Szenenbild, Kamera, Ton und Filmmusik. Leider wurde aber nur das Originaldrehbuch mit dem Oscar ausgezeichnet. Welles filmischer Meilenstein beschäftigt sich auch mit dem Mythos des amerikanischen Traums. Eine Geschichte, typisch für das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, die einem Tellerwäscher den Aufstieg zum Millionär ermöglicht. Es ist aber auch der Fall eines Mannes, der irgendwann seine Ideale verrät und am Ende seines Lebens in Einsamkeit lebt und ein verbittertes Resümee zieht. Viele Kritiker reduzierten den Film auch auf die moralische Geschichte, dass Geld allein nicht glücklich macht und dass ein alter Mann auf seinem Sterbebett über seine verlorenen Kindheit nachdenkt - symbolisiert durch eine künstliche Schneekugel, die er während des Sterbens auf den Boden fallen lässt und die Krankenschwester, die ins Zimmer eilt, nur noch das Wort "Rosebud" hört. Dann ist Charles Foster Kane tot. Man sah vorher düstere Bilder seines Märchenschlosses Xanadu, auf dem Gitter des Anwesens steht "No Trespassing" - Kein Durchgang, doch die Kamera von Greg Toland gewährt uns einen kurzen Einblick in das mit antikem Ramsch überladene Schloß. Auch der riesige Privatzoo - von jedem Tier ein Paar, wie in Noahs Arche - wird gezeigt. Nachempfunden dem Lustpalast des mongolischen Herrschers Kublai Khan. Dann sieht der Zuschauer die Wochenschau "News of March" und erfährt vom Tod des berühmten Amerikaners. Dort werden auch Stationen seines widersprüchlichen Lebens gezeigt. Und die Zeitungsleute rätseln, was das Wort "Rosebud" bedeutet - wer oder was ist Rosebud ? Ein Mädchen ? Der Reporter Thomson (William Alland) soll herausfinden, was dieses letzte Wort im Leben von Charles Foster Kane bedeutet. Dabei trifft er sich einigen noch lebenden Menschen, die Kane nahe standen. Vielleicht kann jemand darüber Auskunft geben. Was weiß Kanes zweite Frau, die Sängerin Susan Alexander (Dorothy Comingore), für die er seine erste Frau Emily (Ruth Warrick) verließ und ihr ein Opernhaus in Chicago bauen ließ ? Von Emily erfährt der Zuschauer, dass sie und der gemeinsame Sohn (Sonny Bupp) einen tödlichen Autounfall hatten. Immer wieder fallen tolle ungewöhnliche Filmszenen auf. So zeigen Zeitsprünge innerhalb nur einer Szene die Entwicklung der Ehe von Charles und Emily am Frühstückstisch. In nur wenigen Minuten zeigt Welles alle Facetten zwischen Flitterwochen und Ehe-Aus. Der Reporter forscht auch in den Unterlagen des verstorbenen Bankiers Walter Parks Thatcher (George Coulouris), der Kans Vormund ab dem 8. Lebensjahr im Jahr 1871 wurde. Vorher wuchs der kleine Charles (Buddy Swan) als Sohn von Mary (Agnes Moorehead) und Jim Kane (Harry Shannon) unbeschwert in einer ländlichen Gegend in Colorado auf.  Von einem säumigen Schuldner bekam Mary Kane ein Bergwerk überschrieben, dass sich bald als lukrative Goldmine herausstellte. Sie überträgt die erzieherische Obhut einem Bankkonsortium und somit dem Vormund, der den kleinen Charles an einem Wintertag dem Elternhaus entreißt. Die Legende besagt, dass der Junge weinend mit seinem Schlitten in der Hand nach dem fremden Mann. Als Kane mit 25 Jahren über sein großes Vermögen verfügen kann, interessiert er sich lediglich für die kleine Zeitung "The Inquirer". die er mit Hilfe seines besten Freundes Jedediah Leland (Joseph Cotten) und Mr. Bernstein (Everett Sloane) erneuert und die Auflage in nie geahnte Höhen treibt. Dieser Erfolg stärkt auch die Machtposition, so kandidiert er gegen den korrupten Politiker Jim Gettys (Ray Collins). Doch die Affäre mit Susan Alexander verhindert ein für alle Mal seine Ambitionen in Washington Politik mitzugestalten. Statdessen zieht er sich mit seiner neuen Ehefrau auf Xanadu zurück. Susan ist einsam und beschäftigt sich ausschließlich mit Puzzlespielen. Irgendwann verlässt sie ihn. Er bleibt einsam bis zu seinem Tod zurück..





Durch das Forschen nimmt der Zuschauer Einblick in die Vergangenheit eines widersprüchlichen Prominenten. Dessen Charakter zersplittert dabei in eine Vielzahl unterschiedlichsten Facetten. Es gibt einen öffentlichen Kane und einen privaten Kane. Darüberhinaus einen Mann, der nicht in sich hineinschauen lässt. Kane ist alles andere als eine Identitfikationsfigur für den Zuschauer, der Mann bleibt ein Rätsel...kühl und unnahbar. Die Ausschnitte und Fragmente, die man aus seinem Leben zu sehen bekommt, sind aber wie die Puzzles, mit denen sich die gelangweilte Susan die Zeit totschlägt. "Rosebud" ist das fehlende Puzzleteil, dass am Ende dem Reporter fehlt - aber dessen Bedeutung der Zuschauer in der letzten Sequenz doch noch schmerzlich erfährt, als die Kamera einen Blick auf die monströse Kunstsammlung von Xanadu gewährt. Die Kunstschätze bringen viel Geld ein, doch es befindet sich auch viel Ramsch unter Kanes Vermächtnis. Ein Kinderschlitten wird in einen Ofen geworfen, wo er verbrennt. Ein Blick darauf und auf seiner Oberfläche erscheint der Name "Rosebud", bevor der Schlitten verglüht und aus dem Kamin des Schloßes entsteigt schwarzer Rauch als Symbol der Vergänglichkeit. Somit bleibt als Resümee die Entwurzelung eines Kindes, dass sich nie mehr davon erholen konnte. Der Verlust der Kindheit und der Verlust der geliebten Eltern. Man sieht Kane auch in einer anderen Szene des Films bereits mit dieser Glaskugel herumlaufen - ein Indiz dafür, dass "Rosebud" viel mehr als ein letztes Wort oder eine letzte schmerzliche Erinnerung ist. Vielmehr ein Dauerschmerz im Leben des Charles Foster Kane. Dies alles enthält eine gewisse Poesie und erinnert ein bisschen an die Erzählungen von Charles Dickens. Und mit der Erkenntnis erklärt sich auch die Tragik und viele Szenen geben plötzlich einen tieferen Sinn.  Der Zuschauer bemerkt, dass er das Geheimnis schon längst hätte erkennen können - denn dieses Geheimnis war immer der nahestende Begleiter der Lebensgeschichte und immer präsent. Zu den visuellen Besonderheiten von "Citizen Kane" zählen die vielen Spiegelungen, die im Film zu sehen sind und auch die Maskentechnik ist großrartig. Mehrere Figuren werden über einem Zeitraum von 40 Jahren von dem gleichen Darsteller verkörpert. Der Wochenschaubericht wurde im Stil einer Nachrichtensendung gedreht und durch reales Archivmaterial ergänzt. Auch Historische Persönlichkeiten wie Theodore Roosevelt und auch Adolf Hitler wurden in die Handlung eingebaut - vieles davon nahm Kameramann Gregg Toland mit der Handkamera auf.




Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen