Freitag, 5. Juni 2020

Der fremde Sohn







































Regie: Clint Eastwood

Schafft der Polizeiapparat eigene Realitäten ?

Los Angeles im Jahre 1928: Die alleinerziehende Mutter Christine Collins (Angelina Jolie) ist eine aufstrebende Angestellte bei einer Telefongesellschaft. Ihr Sohn Walter (Gattlin Griffith) ist wegen ihrer Berufstätigkeit oft allein. An einem Tag, als sie sich für ihren Jungen freigemacht hat und mit ihm ins Kino will, muss sie kurzfristig für eine kranke Kollegin einspringen. Am frühen Abend als sie nach Hause zurückkehrt, ist Walter spurlos verschwunden.
Und er bleibt es auch. Nach fünf Monaten verzeichnet die Polizei von Los Angeles, die immer wieder wegen Korruption und äusserster Brutalität in den Schlagzeilen auftaucht, einen scheinbaren Erfolg.
Ein Junge wird in Illionois gefunden, der angibt Walter Collins zu heissen. Die Beamten machen bei diesem in der öffentlichkeit bereits bekannten Fall ein grosses inszeniertes Medienspektakel bei der Zusammenführung zwischen Mutter und Sohn am Bahnsteig. Doch Christine erkennt in dem Jungen nicht ihren Sohn.  Captain J.J. Jones (Jeffrey Donovan) kann die verblüffte und enttäuschte Frau vor Ort überreden, den Jungen eine Zeitlang auszuprobieren und argumentiert gekonnt mit traumatischen Belastungsstörungen. Auch der Psychologe der Polizei erkennt keinen Grund, an der guten Polizeiarbeit zu zweifeln. Obwohl Christine glaubwürdig - durch Zeugen und Indizien - versichern kann, einen "Fremden Sohn" zuhause zu haben. Reverend Briegleg (John Malkovich) versucht als einziger der verzweifelten Frau zu helfen.
Da ereignen sich bei einer Routineverhaftung des kleinen kanadischen Landstreichers Sanford Clark (Eddie Alderson) durch Detective Lester Ybarra (Michael Kelly) neue Erkenntnisse, die auch Licht ins Schicksal des kleinen Walters bringen könnte. Sanford erzählt dem Cop eine unglaubliche Geschichte über einen Serienkiller...




Clint Eastwood hatte 2008 ein besonders gutes Jahr in seiner Schaffensphase. Mit mittlerweile 78 Jahren schuf er mit "Gran Torino" und "Der fremde Sohn" gleich zwei seiner besten Arbeiten überhaupt.
"Der Fremde Sohn" ist alleine für sich schon eine sehr brillinate Drehbucharbeit, die geschickt zwei interessante Zeitgeschichten aus Los Angeles miteinander verwebt. So basiert die Geschichte tatsächlich auf den wahren Fall der "Wineville Chicken" Morde. Verbunden wird diese schreckliche Mordserie mit den Machenschaften der damals sehr umstrittenen Los Angeles Police, die bekannt war für Korruption und unlautere Methoden. Bereits in anderen Filmen wie "LA Confidential" wurde dieses korrupte System der exekutiven Gewalt im Amerika der Vorkriegsjahre gezeigt.
Auch Kameramann Tom Stern leistet meisterhafte Arbeit, er kreiert wahrlich grosse Kinobilder und zelebriert durchgehend eine vollendete Bildsprache. Jede Kameraeinstellung sitzt und sowohl Ausstattung oder Kostüme machen das perfekte Bild auf ein nostalgisches L.A. möglich. Jedes Detail glänzend herausgearbeitet und die Spannung wurde in dem ca. 140 Minuten langen Film nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen. Selten zeigte sich US-Kommerzkino in den letzten Monaten so intelligent und erlesen. Clint Eastwood ist das geniale Bindeglied zwischen Mainstream-Kino und Autorenfilm....





Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.

1917







































Regie: Sam Mendes

Durch die feindlichen Linien...

Insgesamt 10 Oscarnomierungen gab es bei der Verleihung 2020 (bester Film, beste Regie, bestes Drehbuch, beste Kamera, bester Ton, bester Tonschnitt, bestes Szenenbild, bestes Makeup, beste Filmmusik und beste visuelle Effekte). Davon konnte drei in Siege umgewandelt werden. Wenig überraschend war der Sieg von Roger Deakins als bester Kameramann, obwohl in dieser Kategorie die Konkurrenten Robert Richardson, Jarin Blaschke, Lawrence Sher und Rodrigo Prieto auch hervorragende Leistungen bewiesen. Aber Deakins Kamerafahrten durch die Schützengräben Frankreichs war einfach umwerfend und nicht zu schlagen. Es ist nach "Blade Runner 2049" der zweite Oscar für den Briten, der zu den Kameramännern mit den bislang meisten Nominierungen gehört. Ein weiterer Oscar ging an die besten visuellen Effekte und für den besten Ton.
Für Regisseur Sam Mendes ist "1917", die Geschichte zweier Soldaten der Britischen Armee, die 1917 als Meldegänger an der Westfront einen dringenden Befehl in die vorderste Linie bringen sollen, ein großer Erfolg geworden. Der Antikriegsfilm spielte insgesamt 369 Millionen Dollar ein und ist nicht der erste Film über ein Kriegsereignis des Regisseurs. Bereits 2005 drehte er mit "Jarhead" ebenfalls einen Klassiker des Genres. Einen Oscar bekam Mendes im Jahr 2000 für "American Beauty" und die zwei letzten Bondfilme "Skyfall" und "Spectre" gehen auch auf das Konto des 1965 in England geborenen Filmemacher. Mit Kameramann Deakins und Regisseur Mendes lässt sich der europäische Einschlag des britsch-amerikanischen Coproduktion nicht verleugnen.
Die Macher setzten bewusst auf eine One-Cut-Optik, also ähnlich wie Hitchcocks "Cocktail für eine Leiche" - der Zuschauer hat das Gefühl, dass sich die Handlung wie in Echtzeit abspielt, auch wenn dies ein Trugschluß ist. Möglich macht dies ein effektiver Schnitt.
Die Geschichte geht teilweise auf einen Bericht von Mendes Großvater väterlicherseits zurück, die er seiner Familie erzählte.
Es ist der 6. April 1917 - die Luftaufklärung hat herausgefunden, dass der Rückzug der Deutschen nur vorgetäuscht wurde. In Wirklichkeit haben sie sich aus diesem Gebiet an der Westfront nur deshalb zurückgezogen, weil sie ihre ganze Präsenz auf die neue Hindenburg Linie verlagert haben. Bereit die britischen Verbände in eine katastrophale Falle zu locken. In den britischen Schützengräben werden zwei junge Soldaten ausgewählt eine Nachricht an Oberst MacKenzie (Benedict Cumberbatch) vom zweiten Bataillon der Devonshire persönlich zu übermitteln. Er soll gewarnt werden vor dem Hinterhalt und seinen geplanten Auftritt abbrechen, die das Leben seiner 1.600 Männer gefährden würde. Lance Corporal Tom Blake (Dean-Charles Chapman) wird aus zwei Gründen mit diesem Himmelfahrtskommando betraut: 1. Er kann gut Karten lesen und 2. Sein älterer Bruder (Richard Madden) gehört zu zweiten Bataillon. Blake wählt Lance Corporal William Schofield (George MacKay) als Begleiter aus....





Durch die hervorragende Machart des Films erweist sich "1917" sofort als Meisterwerk seiner Filmgattung und der Zuschauer fiebert von Anfang an mit den beiden Soldaten mit. Mendes hat eine kluge Entscheidung getroffen die beiden Hauptrollen mit zwei unverbrauchten Darstellern zu besetzen, die ihre Sache sehr gut machen. George MacKay und Dean-Charles Chapman sind Namen, die man sich merken wird. In kleineren Rollen sind auch Colin Firth und Mark Strong zu sehen.







 Bewertung: 9 von 10 Punkten.