Donnerstag, 31. August 2017

Goldhelm







































Regie: Jacques Becker

Eine Liebe im Belleville....

Endlich mal wieder ein klasse Neuigkeit für Fans von alten Filmklassikern. Am 22. Juni erscheinen mit "Das Loch" und "Wenn es Nacht wird in Paris" zwei Meisterwerke des französsichen Regisseurs Jacques Becker.  Beide Filme gehören gleich nach dem wunderbaren Belle Epoque Film "Goldhelm" zu seinen besten Filmen.  Mit diesem 1952 erschienen historischen Gangsterfilm gelang ihm einer der besten und einflussreichsten französischen Filme dieser Dekade. Mit diesem atmosphärisch dichten Filmkunstwerk gelang auch der großen Simone Signoret der internationale Durchbruch. Ihre Klasse stellte sie mit den Nachfolgefilmen wie "Die Teuflischen", "Therese Raquin", "Pesthauch des Dschungels" und "Der Weg nach oben" immer wieder unter Beweis. Für letztgenannten gewann sie sogar im Jahr 1960 den Oscar.
In "Goldhelm" spielt sie die attraktive Marie, die zu der Bande "Les Apaches" gehört. Chef ist der als Weinhändler getarnte Lebemann Felix Leca (Claude Dauphin), der schon lange ein Auge auf Marie geworfen hat. Es ist um 1900,  die Zeit der "Belle Epoque" und die Geschichte spielt sich vor allem im Belleville Viertel ab. Dort verkehren die Figuren der Unterwelt. Marie wird wegen ihrer blonden Haare, die sie hochgesteckt trägt, Goldhelm genannt. Ihr "Beschützer" ist der Gangster Roland (William Sabatier), der auch nicht zurückschreckt seine Freundin zu schlagen. Bei einem sonntäglichen Ausflug an der Seine, wo die Gangster mit ihren Liebchen eine Bootsfahrt machen, kommt es wieder mal zum Streit zwischen Marie und Roland, der sich auch noch im Tanzlokal fortsetzt. Dort wartet das Publikum schon ungeduldig auf die Musik. Der Tischler Georges Manda (Serge Reggiani) und sein Chef Danard (Gaston Modot) sind gerade fertig geworden mit der Reperatur der Bühne und schon spielt die Kapelle zum Tanz. Unverhohlen macht Marie Manda schöne Augen, was ihrem Freund Roland sichtlich immer mehr missfällt. Da Manda mit Raymond (Raymond Bussieres) befreundet ist, kann der Konflikt an diesem Tag noch im Rahmen gehalten werden. Am anderen Tag besucht die hübsche Marie Manda aber schon in dessen Werkstatt. Eifersüchtig beobachtet von Leonie (Loleh Bellon), Tochter von Mandas Chef. Sie ist mit ihm verlobt. Doch Manda hat für Marie bereits Feuer gefangen. Es kommt zur Eifersuchtsszene, Marie verschwindet enttäuscht. Manda versucht sie wiederzusehen und besucht das Stammlokal der Bande. Leca provoziert einen Zweikampf zwischen Mando und Roland. Am Ende des Kampfes ist einer der Kontrahenten tot...





Im Grunde kann man "Goldhelm", der auch an frühere Filme des poetischen Realismus erinnert, sogar als französischen Film Noir sehen...allerdings in einem historischen Gewand. Da gibts den aufrechten Kerl mit Vergangenheit, der einer Femme Fatale begegnet. Diese Frau hat die Gabe die Männerwelt verrückt zu machen. So sind gleich drei Männer ihrer Schönheit verfallen. Der schöne Roland, der raffinierte und berechnende Felix Leca und der Tischler, der im Knast saß und nun ein bürgerliches Leben antreten möchte. Zusätzlich bietet der Film noch eine schöne Freundschaftsgeschichte unter zwei Männern an, die sich gegenseitig aufeinander verlassen können. So hängen die Schicksale von Manda und seinem Freund Raymond zusammen. Am Ende setzt das Schafott der Liebe ein jähes Ende. Ein ganz großer Film der 50er Jahre.



Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

Rom, offene Stadt

Regie: Roberto Rossellini

Resistenza 1944...

Rom, offene Stadt" ist ein 1945 von Roberto Rossellini gedrehtes Kriegsdrama, dem mit "Paisa" und "Deutschland im Jahre Null" zwei weitere Werke des gleichen Themenkreises folgen sollten.
Mit stark dokumentarischem Charakter gelang dem Filmemacher ein sehr authentisches Werk, das damals auf der Straße gedreht wurde, dort wo sich ähnliche Ereignisse kurz zuvor abgespielt hatten.
"Rom, offene Stadt" spielt 1944 während der Besetzung der Deutschen in Rom, wo auch der Widerstand sehr aktiv ist.
Pina (Anna Magnani) und Marcello (Vito Annichiarico) wollen demnächst heiraten, doch Pina macht sich Sorgen, weil ihr Verlobter als Drucker bei der Herstellung illegaler Zeitungen eine große Rolle spielt. Anführer dieser Organisation ist Manfredi (Marcello Pagliero), der allerdings auch schon vor der Polizei flüchten muss.
Immer mehr sympathisiert auch der Priester Don Pietro (Aldo Fabrizi) mit der Bewegung, er unterstützt sie und sieht dies auch als Glaubenspflicht. Auch ein desertierter deutscher Soldat kann sich bei ihm verstecken. Der Gestapo Führer und SS-Mann (Harry Feist) kann auf die Hilfe von Ingrid (Giovanna Galletti) und Marina (Maria Michi) bauen, die für Geld. Drogen und Pelzmäntel Verrat begehen.
Es kommt zu Razzien, Folterungen und Exekutionen...




Als Zeitdokument ist "Rom, offene Stadt" äusserst interessant und punktet mit Echtheit und Spontaneität.  
Das Drehbuch entstand unter Mitwirkung von Federico Fellini
Obgleich der Film schon 1944/45 realisiert wurde, durften die deutsche Kinogänger ihn erstmals 1961 sehen. Denn nachdem das Umsturz-Opus bereits begeisterte Kritiken und begehrte Filmpreise eingeheimst hatte, wurde dieser Siegeszug 1950 von der deutschen Filmzensur in Wiesbaden gestoppt. Die sahen "völkerverhetzende Wirkungen", genauso wie schon bei Billy Wilders "Stalag 17", der aus gleicher Argumetation jahrelang verboten war. Allerdings war die 61er Fassung in der deutschen Synchronfassung verharmlost und verfälscht. Der Film wurde zum Schlüsselwerk des Neorealismus.




Bewertung: 9 von 10 Punkten.

Victoria

Regie: Sebastian Schipper

Nachts auf den Straßen von Berlin...

Mit "Victoria" hat Sebastian Schipper nach dem 2001er Erfolg "Absolute Giganten" seinen zweiten Geniestreich gemacht. In beiden Filmen spielt auch die Stadt in der sie spielen die Hauptrolle. So ist es nur wenigen Filmemachern gelungen das Flair der Stadt - also Hamburg in "Absolute Giganten" und Berlin in "Victoria" - so überzeugend darzubieten wie Schipper. Trotzdem sind die Filme in der Machart sehr unterschiedlich. Während "Abolute Giganten" von einer schönen Melancholie durchzogen wird, ist das Szenario in "Victoria" dynamisch, hektisch bis pulsierend. Aber der Regisseur legt auch hier Wert auf stille Momente, die dann umso intensiver wahrgenommen werden. Wenn sich etwa die Spanierin Victoria (Laia Costa), in dem Cafe in dem sie für 4 Euro Stundenlohn arbeitet, ans Klavier setzt und ihren Zuhörer Sonne (Frederic Lau) mit ihrem intensiven Spiel und mit einer atmosphärischen Klaviersonate magisch bezaubert.  Ungeduldigen Zuschauern muss man vielleicht sagen, dass sie auf jeden Fall dranbleiben sollen. Denn der Anfang ist sehr ungewöhnlich konzipiert. Die Kamera läuft stets mit den Akteuren mit, die sich am Anfang in einem Berliner Club zum ersten Mal sehen. Eine junge Spanierin sucht dort vergeblich Kontakt, bis sie auf der Straße von vier Jungs angequatscht wird. Sonne scheint der Anführer des Quartetts zu sein, zu dem auch der glatzköpfige Boxer (Frank Rogowski), der Türke Blinker (Burak Ygit) und das betrunkene Geburtstagskind Fuß (Max Mauf) gehören. Die Kamera begleitet das Quartett, das Mädchen schließt sich der komischen Gang an. Es folgen Bilder vom nächtlichen Berlin, dazwischen reden die Akteure lauter dummes Zeug. Die Kamera ist in ständiger Bewegung: Rotierend und delierend. Dies ist für eine deutsche Produktion sehr innovativ und der Film wurde sehr schnell mit "Lola rennt" verglichen, mich erinnerte die Machart aber sehr stark an "Irreversibel" oder "Enter the Void",  diese bemerkenswerten Filme von Gaspar Noe mit ihren aussergewöhnlichen Kameraperspektiven und -fahrten. Die Jungs zeigen ihrer neuen Bekanntschaft das Berlin der Hinterhöfe, ein Hochhausdach ist der regelmässige Treffpunkt der Gruppe. Sie albern herum und man verständigt sich in englisch, da Victoria nicht deutsch spricht. Es ist Berlin, es hat die zweite Hälfte der Nacht schon längst begonnen. Doch die Stadt ist noch wach und ab 4 Uhr nimmt die Begegnung zwischen den vier Jungs und Victoria eine gefährliche Wendung. Plötzlich ist alles anders. Eine Knastbekanntschaft von Boxer verlangt von diesem einen Gefallen, seine drei Freunde sollen ihm dabei helfen. Nur blöd, dass es sich dabei um einen Überfall auf eine Privatbank handelt. Da Fuß inzwischen zu stark alkoholsiert und nicht mehr mitmachen kann, wird er durch Victoria ersetzt, die das Auto fahren soll. Das Mädchen willigt naiv ein mitzumachen, denn sie möchte Sonne damit einen Gefallen machen...





"Victoria" ist ohne erkennbare Schnitte gedreht, die Kamera lief beim Drehen einfach mit. Dabei wandelt der Film auch auf den Spuren des Hitchcock Klassikers "Cocktail für eine Leiche". Das Szenario ist dadurch äusserst dynamisch und ehe man sich versieht ist man in einen Sog hineingezogen worden, der einfach fesselt. Dabei ist man nicht einfach als Zuschauer dabei, sondern mittendrin im Geschehen. Man lebt diese durchzechte Nacht bis zur Katastrophe in den frühen Morgenstunden einfach hautnah mit. Kameramann Sturla Brandth Grovlen gewann einer der 7 Preise beim deutschen Filmpreis. Der Film gewann auch Gold als bester Film. Schipper wurde als bester Regisseur ausgezeichnet, ausserdem konnten die beiden Hauptdarsteller Frederick Lau und Neuentdeckung Laia Costa triumphieren. Desweiteren wurde die pulsierende Filmmusik (Nils Frahm) und die Tongestaltung prämiert. Gesprochen wird im Film nur teilweise Deutsch, die Berliner kommunizieren mit einem meist flüssig improvisierten Englsich, dass heute schon fast zum offiziellen Dialekt Berlins geworden ist. Und man bemerkt: Es ist immer was los in dieser brodelnden Weltstadt, auch noch in den frühen Morgenstunden und vor allem auch im Mikrokosmos Hinterhof. Das Skurrile ist an der Tagesordnung. So kann die Gruppe unbemerkt ein paar Bier im Laden, der nachts offenhat klauen, denn der Besitzer ist an der Kasse eingeschlafen. Aber auch das Böse lauert. Durch das Auftauchen der Gangster wird aus "Victoria" ein komplett anderer Film mit bemerkenswerten Thriller-Qualitäten. Der Film setzte auf Risiko und hat meiner Meinung nur gewonnen. Diese irre Odyssee durch eine ziemlich triste Ecke von Neukölln ist ein großartiger Trip - auch eine Studie über Fremdheit und Verlorenheit, seine Geschichte wirkt roh und echt.




Bewertung: 9 von 10 Punkten.

Berüchtigt

Regie: Alfred Hitchcock

Ehefrau des Naziverschwörers....

"Berüchtigt" aus dem Jahr 1946 heißt im Original den Titel "Notorious" und ist Hitchcocks Nachfolgefilm zu "Ich kämpfe um Dich" (Spellbound) - beide mit Ingrid Bergman in der weiblichen Hauptrolle. Für sie hat er wahrscheinlich zwei der stärksten Frauenfiguren seiner Filme geschaffen und sowohl ihre Dr. Constance Peterson (Spellbound) als auch Alicia Huberman (Notorious) gehören mit zu ihren ganz starken und unvergessenen Filmrollen. Sie stehen auf einer Stufe mit ihren Leistungen in "Casablanca" oder "Das Haus der Lady Alquist". Kameramann dieses starken Spionage-Thrillers mit dazugehöriger Lovestory war der deutsche Ted Tetzlaff.  Die deutschen Zuschauer bekamen bei der Uraufführung des Films im Jahr 1951 einen komplett verfälschten Inhalt serviert. Der Filmtitel damals lautete noch "Weißes Gift" und aus der Nazibande, die sich in Südamerika aufhält, wurden Gangster, die mit Uran und Rauschgift handelten. Aus dem deutschen Alexander Sebastian, gespielt von Claude Rains, wurde ein Aldro Sebastini und Alicia Hubermann hieß Elisa Sombrapal. Man wollte wohl in diesen Jahren den Deutschen nicht einen Hauch der unrühmlichen Vergangenheit zumuten. Erst 1969 nahm das ZDF eine Korrektur dieser Fehler vor und als Geburtstagsgeschenk für Hitchcock bekam der Film die längst überfällige Neusynchronisation. Doch auch in dieser Version fehlt ein Dialog aus dem Original, der die Drahtzieher dieser Nazibande benennt: Der Verweis auf die I.G. Farben wurde weggelassen und der Film für einige Sekunden gekürzt. Trotz allem ist "Berüchtigt" nicht nur ein großer Publikumserfolg geworden, sondern zählt zurecht zu den besten Hitchcock-Filmen. Auch wenn er vielleicht am Anfang etwas Mühe hat in die Gänge zu kommen. Dort wird die Begegnung zwischen Cary Grant und Ingrid Bergman geschildert - in seinem Hauptteil "Brasilien" bekommt der Film nach und nach eine immer dichtere Spannung bis zum erlösenden und konsequenten Schlußpunkt.
Der US-Geheimdienstler T. R. Devlin (Cary Grant) wird auf die deutschstämmige Alicia Huberman (Ingrid Bergman) angesetzt. Deren Vater war ein Nazi, in den USA lebend, und wurde erst vor kurzem wegen Landesverrat zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Vor dieser Verurteilung wurde der Mann und auch die Tochter abgehört. Daher weiß der Geheimdienst, dass Alicia die Nazimachenschaften ihres Vaters streng verurteilte. Durch diese patriotische Haltung wird Alicia zum Wunschobjekt für die Spionage. Denn als Deutsche könnte sie leicht Zutritt zu einer Gruppe von Exilnazis in Brasilien bekommen. Der Auftrag von Devlin lautet die etwas leichtlebige junge Frau für den Geheimdienst zu rekrutieren. Doch Alicia verliebt sich in den Mann, der sie aus ihrem unsteten Leben holt und auch Devlin hat Gefühle für die Frau, versucht diese jedoch zu unterdrücken, da er weiß, dass dies alles Probleme mit sich bringen kann. Bald wartet auch ein konkreter Auftrag auf Alicia. Sie soll das Vertrauen von Alexander Sebastian (Claude Rains) gewinnen, der als Chef der Bande gilt und als wohlhabender Junggeselle bei seiner dominanten Mutter (Leopoldine Konstantin)in einer großen Villa lebt. Mit inkompetenten Kameraden verfahren die Nazis konsequent mörderisch. Ein Fehler von Emil Hupka (Eberhard Krumschmidt) endet mit dessen Ableben. Tatsächlich kommt es zu einem Treffen zwischen Alicia und Alexander, die sich von früher kennen. Alexander verliebt sich in die schöne Alicia und bittet auch bald um ihre Hand. Immer wieder hofft Alicia, dass Devlin sie abhalten würde immer mehr für ihre patriotische Pflicht und für den Spionageauftrag zu opfern. Doch dieser kneift und lässt sie entscheiden. Qualen entstehen und bald treibt Alicia ihre Mission ins Extrem und heiratet den beinahe väterlichen Faschisten. Doch durch ein Mißgeschick im Weinkeller findet Alexander bald heraus, dass er mit einer amerikanischen Spionin verheiratet ist..




In "Berüchtigt" präsentiert Hitchock ein ähnlich unsterbliche Lovestory wie Michael Curtiz in "Casablanca". Es geht dabei um Liebe und Verrat, um Stolz und verleugnete Gefühle. Dieser erste romantische Part wird bald durch einen dunklen Film Noir Teil bereichert, denn als Sebastian und seine Mutter herausfinden, wen da in ihrer Villa wohnt, setzen sie alles daran Alicia zu vergiften. Dies ist die einzige Möglichkeit, um nicht als Verräter von der eigenen Nazibande bestraft zu werden. Fast gelingt der Plan, denn Devlin denkt beim letzten Treffen, dass Alicia wieder mal getrunken hat und erkennt nicht, dass sie da schon sehr krank ist. Beim Paar Grant und Bergman stimmt die Chemie perfekt und auch die Bösen sind klasse. Der Nazimann und seine Liebe zur dominanten Mutter - ein psychologisches Glanzlicht, toll besetzt und von Rains und Konstantin grandios gespielt. Unvergessen die klasse Szene vom Schlüsselklau, dann zur Party, in den Weinkeller und zurück an den Schlüsselbund, wo er zur Erkenntniss führt. Genauso brillant die Schlußszene. Ein großartiger Film. Für Truffaut war es sogar Hitchcocks Bester.



Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

Citizen Kane








































Regie: Orson Welles

Famous last words...

Der spätere Filmregisseur Orson Welles wurde am 30. Oktober 1938 durch das Hörspiel "War of the Worlds" schlagartig bekannt. Diese fiktive Reportage, die am Vorabend von Halloween ausgestrahlt wurde, wurde von den Zuhörern als extrem echt empfunden, dass es zu einer Massenpanik an der Ostküste kam. Ein Wunderkind wurde geboren und dementsprechend bekam er extrem gute Angebote von Hollywood. Die RKO Pictures bot ihm an einen Film seiner Wahl zu machen, ganz nach seinen eigenen Vorstellungen - ohne dass Produzenten reinreden. Zuerst war da die Idee "Herz der Finsternis" von Joseph Conrad zu verfilmen, aber dieser Plan wurde wieder verworfen und so beschloß Welles - gemeinsam mit Herman J. Manciewicz - ein Drehbuch zu schreiben über das Leben eines Medienmoguls. Als Vorbild für die fiktive Filmfigur "Citizen Kane" diente auch der berühmte Verleger und Medientycoon William Randolph Hearst, der gegen den Film eine große Medienkampagne startete. Welles betonte aber immer, dass seine Filmfigur Charles Foster Kane nicht auf einer einzelnen Person basiert, sondern dass er sich aus verschiedenen Figuren und Einflüssen zusammensetzt. Darunter die Filmproduzenten Howard Hughes und Jules Brulatour sowie die Geschäftsmänner Harold McCormick und Samuel Insull, der seiner Tochter ein eigenes Opernhaus bauen ließ. Auch autobiographische Züge lassen sich bei dem für viele Kritiker besten Film aller Zeiten feststellen. "Citizen Kane" brachte es im Jahr 1942 auf insgesamt 9 Oscar-Nominierungen in den Kategorien Bester Film, Regie, Hauptdarsteller, Drehbuch, Schnitt, Szenenbild, Kamera, Ton und Filmmusik. Leider wurde aber nur das Originaldrehbuch mit dem Oscar ausgezeichnet. Welles filmischer Meilenstein beschäftigt sich auch mit dem Mythos des amerikanischen Traums. Eine Geschichte, typisch für das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, die einem Tellerwäscher den Aufstieg zum Millionär ermöglicht. Es ist aber auch der Fall eines Mannes, der irgendwann seine Ideale verrät und am Ende seines Lebens in Einsamkeit lebt und ein verbittertes Resümee zieht. Viele Kritiker reduzierten den Film auch auf die moralische Geschichte, dass Geld allein nicht glücklich macht und dass ein alter Mann auf seinem Sterbebett über seine verlorenen Kindheit nachdenkt - symbolisiert durch eine künstliche Schneekugel, die er während des Sterbens auf den Boden fallen lässt und die Krankenschwester, die ins Zimmer eilt, nur noch das Wort "Rosebud" hört. Dann ist Charles Foster Kane tot. Man sah vorher düstere Bilder seines Märchenschlosses Xanadu, auf dem Gitter des Anwesens steht "No Trespassing" - Kein Durchgang, doch die Kamera von Greg Toland gewährt uns einen kurzen Einblick in das mit antikem Ramsch überladene Schloß. Auch der riesige Privatzoo - von jedem Tier ein Paar, wie in Noahs Arche - wird gezeigt. Nachempfunden dem Lustpalast des mongolischen Herrschers Kublai Khan. Dann sieht der Zuschauer die Wochenschau "News of March" und erfährt vom Tod des berühmten Amerikaners. Dort werden auch Stationen seines widersprüchlichen Lebens gezeigt. Und die Zeitungsleute rätseln, was das Wort "Rosebud" bedeutet - wer oder was ist Rosebud ? Ein Mädchen ? Der Reporter Thomson (William Alland) soll herausfinden, was dieses letzte Wort im Leben von Charles Foster Kane bedeutet. Dabei trifft er sich einigen noch lebenden Menschen, die Kane nahe standen. Vielleicht kann jemand darüber Auskunft geben. Was weiß Kanes zweite Frau, die Sängerin Susan Alexander (Dorothy Comingore), für die er seine erste Frau Emily (Ruth Warrick) verließ und ihr ein Opernhaus in Chicago bauen ließ ? Von Emily erfährt der Zuschauer, dass sie und der gemeinsame Sohn (Sonny Bupp) einen tödlichen Autounfall hatten. Immer wieder fallen tolle ungewöhnliche Filmszenen auf. So zeigen Zeitsprünge innerhalb nur einer Szene die Entwicklung der Ehe von Charles und Emily am Frühstückstisch. In nur wenigen Minuten zeigt Welles alle Facetten zwischen Flitterwochen und Ehe-Aus. Der Reporter forscht auch in den Unterlagen des verstorbenen Bankiers Walter Parks Thatcher (George Coulouris), der Kans Vormund ab dem 8. Lebensjahr im Jahr 1871 wurde. Vorher wuchs der kleine Charles (Buddy Swan) als Sohn von Mary (Agnes Moorehead) und Jim Kane (Harry Shannon) unbeschwert in einer ländlichen Gegend in Colorado auf.  Von einem säumigen Schuldner bekam Mary Kane ein Bergwerk überschrieben, dass sich bald als lukrative Goldmine herausstellte. Sie überträgt die erzieherische Obhut einem Bankkonsortium und somit dem Vormund, der den kleinen Charles an einem Wintertag dem Elternhaus entreißt. Die Legende besagt, dass der Junge weinend mit seinem Schlitten in der Hand nach dem fremden Mann. Als Kane mit 25 Jahren über sein großes Vermögen verfügen kann, interessiert er sich lediglich für die kleine Zeitung "The Inquirer". die er mit Hilfe seines besten Freundes Jedediah Leland (Joseph Cotten) und Mr. Bernstein (Everett Sloane) erneuert und die Auflage in nie geahnte Höhen treibt. Dieser Erfolg stärkt auch die Machtposition, so kandidiert er gegen den korrupten Politiker Jim Gettys (Ray Collins). Doch die Affäre mit Susan Alexander verhindert ein für alle Mal seine Ambitionen in Washington Politik mitzugestalten. Statdessen zieht er sich mit seiner neuen Ehefrau auf Xanadu zurück. Susan ist einsam und beschäftigt sich ausschließlich mit Puzzlespielen. Irgendwann verlässt sie ihn. Er bleibt einsam bis zu seinem Tod zurück..





Durch das Forschen nimmt der Zuschauer Einblick in die Vergangenheit eines widersprüchlichen Prominenten. Dessen Charakter zersplittert dabei in eine Vielzahl unterschiedlichsten Facetten. Es gibt einen öffentlichen Kane und einen privaten Kane. Darüberhinaus einen Mann, der nicht in sich hineinschauen lässt. Kane ist alles andere als eine Identitfikationsfigur für den Zuschauer, der Mann bleibt ein Rätsel...kühl und unnahbar. Die Ausschnitte und Fragmente, die man aus seinem Leben zu sehen bekommt, sind aber wie die Puzzles, mit denen sich die gelangweilte Susan die Zeit totschlägt. "Rosebud" ist das fehlende Puzzleteil, dass am Ende dem Reporter fehlt - aber dessen Bedeutung der Zuschauer in der letzten Sequenz doch noch schmerzlich erfährt, als die Kamera einen Blick auf die monströse Kunstsammlung von Xanadu gewährt. Die Kunstschätze bringen viel Geld ein, doch es befindet sich auch viel Ramsch unter Kanes Vermächtnis. Ein Kinderschlitten wird in einen Ofen geworfen, wo er verbrennt. Ein Blick darauf und auf seiner Oberfläche erscheint der Name "Rosebud", bevor der Schlitten verglüht und aus dem Kamin des Schloßes entsteigt schwarzer Rauch als Symbol der Vergänglichkeit. Somit bleibt als Resümee die Entwurzelung eines Kindes, dass sich nie mehr davon erholen konnte. Der Verlust der Kindheit und der Verlust der geliebten Eltern. Man sieht Kane auch in einer anderen Szene des Films bereits mit dieser Glaskugel herumlaufen - ein Indiz dafür, dass "Rosebud" viel mehr als ein letztes Wort oder eine letzte schmerzliche Erinnerung ist. Vielmehr ein Dauerschmerz im Leben des Charles Foster Kane. Dies alles enthält eine gewisse Poesie und erinnert ein bisschen an die Erzählungen von Charles Dickens. Und mit der Erkenntnis erklärt sich auch die Tragik und viele Szenen geben plötzlich einen tieferen Sinn.  Der Zuschauer bemerkt, dass er das Geheimnis schon längst hätte erkennen können - denn dieses Geheimnis war immer der nahestende Begleiter der Lebensgeschichte und immer präsent. Zu den visuellen Besonderheiten von "Citizen Kane" zählen die vielen Spiegelungen, die im Film zu sehen sind und auch die Maskentechnik ist großrartig. Mehrere Figuren werden über einem Zeitraum von 40 Jahren von dem gleichen Darsteller verkörpert. Der Wochenschaubericht wurde im Stil einer Nachrichtensendung gedreht und durch reales Archivmaterial ergänzt. Auch Historische Persönlichkeiten wie Theodore Roosevelt und auch Adolf Hitler wurden in die Handlung eingebaut - vieles davon nahm Kameramann Gregg Toland mit der Handkamera auf.




Bewertung: 10 von 10 Punkten.