Mittwoch, 23. Januar 2019

Was geschah wirklich mit Baby Jane ?


Regie: Robert Aldrich

Das makabre Comeback der Baby Jane Hudson...

1917: Baby Jane Hudson (Julie Allred) ist ein gefeierter Kinderstar, die mit ihrem Vater Ray Hudson (Dave Willock) immer wieder erfolgreiche Tourneen in diversen Varietes absolviert. Der Ruhm stieg dem ehrgeizigen Kind allerdings in den Kopf und so muß sich nicht nur der Papa, sondern auch die Mutter Cora Hudson (Anne Barton) und Janes Schwester Blanche (Gina Gillespie) allerhand Unverschämtheiten von dem verwöhnten Gör gefallen lassen. Doch die Mutter tröstet die kleine Blanche damit, dass sie ihr eine viel erfolgreichere Zukunft prophezeit.
Kaum zu glauben, wenn man sieht wie rasend schnell die beliebten Baby Jane Puppen Absatz finden...
1935: Inzwischen ist Blanche tatsächlich zu einem gefeierten Hollywoodstar aufgestiegen, während der Ruhm des einzigen Kinderstars Baby Jane total verblasst ist.
Doch Blanche hat einen Knebelvertrag mit dem Studio geschlossen. Dieser sieht vor, dass Weltstar Blanche nur dann einen Film macht, wenn auch Jane einen Film machen darf. Doch Jane ist untalentiert und ihre Filme landen im Archiv und nicht in den Kinos.
Bei einem Unfall, bei dem eine betrunkene Baby Jane involviert ist, wird Schwester Blanche so schwer verletzt, dass sie fortan im Rollstuhl sitzen muss.
1962: Den Ruhm vergangener Tage sieht Blanche (Joan Crawford) nur im Fernsehen, als eine Retrospektive ihrer alter 30er Jahre Filmhits gezeigt werden.
Sie lebt mit Baby Jane (Bette Davis) zusammen, die seit Jahren - mehr oder weniger mürrisch - die Gehbehinderte versorgt.
Manchmal kommt die Haushaltshilfe Elvara (Madie Norman) vorbei und putzt im Haus, denn Baby Jane ist mit all dem sehr überfordert. Seit Jahren zeigt sie extreme psychische Auffälligkeiten und gehört eigentlich in eine Nervenheilanstalt, doch Blanche zögert, denn wer sollte sie denn sonst so fies quälen wie ihr alkoholisiertes Schwesterherz.
Richtig, auch Blanche teilt gerne aus, vor allem in der Rolle des Opfers ist sie großartig und Baby Jane darf als Täterin mit viel Hang zum Sadismus auftrumpfen.
Ihr Realitätsverlust gaukelt ihr vor, sie wäre reif für das längst überfällige Comeback. Und was liegt näher als mit dem alten Programm, dass vor 45 Jahren so erfolgreich war, durchzustarten.
"Du kannst alles im Leben verlieren, aber nie dein Talent" wie Daddy so schön gesagt hat. Also gräbt sie ihren alten vermoderten Hit von damals "I´ve written a letter to daddy" wieder aus und engagiert den Musiker Edwin Flagg (Victor Buono), der das Ganze etwas moderner arrangieren soll. Während sie unten krächzende Gesangseinlagen als beinahe 60jähriger Kinderstar probt, bekommt ihre Schwester tote Wellensittiche oder Ratten zum Essen serviert. Die Katastrophe ist unaufhaltsam..




Robert Aldrich drehte "Was geschah wirklich mit Baby Jane" im Jahr 1962. Die Besetzung mit den Altstars Bette Davis und Joan Crawford war damals ein echtes Risiko und nur durch Aldrichs Bemühen konnte er diese beiden, von Jack L. Warner in diesem Zusammenhang betitelten abgetakelten alten Schachteln als Besetzung durchsetzen.
Die Rechnung ging auf, der Film war an den Kassen sehr erfolgreich.
Auch bei der Oscarverleihung 1963 gabs 5 Nominierungen, in der Kategorie "Beste Kostüme" war der Film auch erfolgreich.
Es ist etwas schwierig den Film genremässig einzuordnen. Einerseits gibt viel makabren Horror, andererseits ist aber auch immer das Drama bzw. Psychogramm gegenwärtig. Die beiden Diven der Filmgeschichte dürfen reichlich Gas geben, vor allem Bette Davis überragende wie völlig überzogene Darstellung der Baby Jane Hudson bleibt bis heute unvergessen....



Bewertung: 10 von 10 Punkten

Vom Winde verweht


Regie: Victor Fleming

Der alte Süden stirbt...

Tatsächlich ist "Vom Winde verweht" immer noch der erfolgreichste Film aller Zeiten. In dem inflationsbereinigten Ranking der größten Blockbuster liegt die Verfilmung von Margaret Mitchells Erfolgsroman unangefochten auf Platz 1 - vor "Star Wars" und "Sound of Music". Um zu erfassen warum dieser Film Generationen immer wieder begeistert hat, ist aber unbedingt erforderlich "Vom Winde verweht" auf der perfekten Blu Ray anzuschauen. Die DVD Ausgabe mit der zweiten Hälfte des Films auf der Rückseite des Silberlings war ja mehr als sonderbar.
Natürlich ist dieser Ausnahmefilm vor allem in der zweiten Hälfte ein echter Schmachtfetzen in Sachen Romantik, erzählt er doch die tragische Geschichte von Scarlett O´Hara (Vivien Leigh), die sich bereits als junges Mädchen in den nachdenklichen Grübler Ashley Wilkes (Leslie Howard) verliebt ist, von diesem aber einen Korb bekommt, weil er seine Cousine Melanie (Olivia de Havilland) ehelichen will, ganz nach den Gepflogenheiten der Familie Wilkes aus dem Süden. Er ist der Sohn des Plantagenbesitzers von "12 Eichen" und Scarlett die Tochter des Plantagenbesitzers von Tara. Gerald O´Hara (Thomas Mitchell), der Vater stammt aus Irland und liebt das Land. Er will später seiner ältesten Tochter Scarlett die Plantage vererben, aber noch hat Scarlett keinen Sinn fürs Land. Wie ihre Mutter (Barbara 0`Neill) und ihre beiden Schwestern (Evelyn Keyes, Ann Rutherford) wächst sie behütet im Wohlstand auf und wie alle jungen Leute der reichen Südstaatler genießt sie das Leben auf Tanz-Bazar-Festen oder Barbecue-Partys. Und wie alle Sprößlinge der Plantagenbetreiber hat sie genügend Personal zur Verfügung. Die wichtigste Bezugsperson ist die schwarze Haushälterin und Erzieherin, die "Mammy" (Hattie McDaniel) genannt wird. Überhaupt können diese Adligen im Süden überhaupt nicht verstehen, dass Präsident Abraham Lincoln die Sklaven, die kostenlos arbeiten, befreien will. Es geht ihnen doch hier gut und die Schwarzen hier sehen es als großes Privileg an ihren weißen Herren und Herrinnen perfekt zu dienen. "Vom Winde verweht" beginnt am Vorabend des Bürgerkriegs und hat - ähnlich wie Viscontis großartiges Epos "Der Leopard" - das Sterben einer Epoche, der guten alten Zeit und der Beginn einer neuen Ära zum Thema. Dieser Vergänglichkeit widmet Regisseur Victor Fleming auch einen großen Teil und genau dieser melancholische Abgesang ist auch gleichwertig zur bereits erwähnten unerfüllten Liebesromanze zwischen Scarlett und Ashley und zwischen Scarlett und dem gut aussehenden Rhett Butler (Clark Gable), der eigentlich viel besser zur kratzbürstigen, verwöhnten, egoistischen und nicht unterzukriegenden Scarlett passen würde, doch sie merkt leider zu spät, dass sie diesen unverschämten Captain Butler liebt. Am Ende fallen dann die berühmten Sätze "Frankly my dear, I don´t give a damn" von Butler, der Scarlett verlässt. Aber man glaubt ihr dennoch, wenn sie danach weinend auf der Prachttreppe von Tara sitzt, verlassen - dennoch zukünftig einen Weg zu ihm finden will "After all, Tomorrow is another day".
"Vom Winde verweht" handelt auch von der Sklavenbefreiung der Schwarzen im Bürgerkrieg der Nordstaaten gegen die Südstaaten. Eine späte Einsicht, denn erst am Totenbett ihrer Cousine Melanie erkennt sie, dass die Liebe zu Ashley ein Jungmädchentraum war, eine Schwärmerei, die sie all die Jahre daran gehindert hat mit ihrem dritten Ehemann Rhett glücklich zu werden.
Der Film ist durchtränkt von Sonnenuntergängen in Technicolor, von imposanten Kameraeinstellungen - mal orange-roter Himmel, ein anderes Mal im strahlenden Blau. Ganz klein neben einer imposanten Eiche steht Scarlett alleine oder auch in Begleitung ihres Vaters und die Figuren dürfen unvergessliche und überlebensgroße Dialoge von sich geben. Diese Szenen gehören zur Aura des Films - imposant auch die Massenszene der vielen vom Krieg verwundeten Soldaten auf den Straßen Atlantas. Scarlett in grandioser Garderobe schreitet durch dieses Schlachtfeld des Grauens.
Aus heutiger Sicht könnte man dem Film, wie auch dem Buch, einen gewissen Rassismus vorwerfen. Denn die Schwarzen werden hier sehr oft als gutmütig, naiv bis dumm bezeichnet. Und sie geben zumindest an für die gute Sache des Südens mitzufiebern, denn schließlich geht es ihnen ja gut in der Gesellschaft dieser Herrengesellschaft und Kavalliere. Einmal darf Scarlett die lügende Prissy (Butterfly McQueen) ohrfeigen - sehr zum Gefallen des Kinopublikums.





 


Trotzdem dürfte der Film und auch der Oscarregen, der ausgeschüttet wurde, das Thema "Rassismus" positiv belebt haben. Denn als beste Nebendarstellerin wurde nicht Olivia deHavilland als Melanie ausgezeichnet, sondern die dunkelhäutige Hattie McDaniel für ihre Rolle als Mammy. 1939 - zu dieser Zeit war noch Rassentrennung an der Tagesordnung und in den Südstaaten durfte sie nicht mal zur Premiere in ein "weißes" Kino kommen. Mit dieser Auszeichnung hat Hollywood sicherlich ein politisches Zeichen gesetzt. Die damals völlig unbekannte Vivien Leigh bekam den Zuschlag für die Hauptrolle - obwohl Kinodiven wie Bette Davis, Paulette Goddard, Norma Shearer, Joan Crawford, Claudette Colbert oder Tallulah Bankhead im Gespräch waren. Drei Regisseure waren beteiligt. George Cukor wurde von Clark Gable wegen seiner Homosexualität rausgemobbt, dann kam Victor Fleming, der auch absprang und sich aus nervlichen Gründen beinahe suizidieren wollte. Sam Wood sprang für einige Tage als Ersatz ein, dann kam Fleming wieder und beendete das Megaprojekt, diesen ersten richtig großen Monumental-Tonfilm. Aber treibende Kraft war der ehrgeizige Filmproduzent David O´Selznick, der sich gegen die Widerstände seines Schwiegervaters Louis B. Mayer und Irving Thalberg durchsetzte und den Film mit Herzblut realisierte.
Der Rest ist Geschichte - Vivien Leigh und Clark Gable wurden DAS unsterbliche Filmpaar und die junge Schauspielerin erhielt ihren ersten Oscar. Insgesamt gabs 8 reguläre Oscars und 2 Sonderoscars als Bonus dazu. Und er wurde Jahrzehnte lang erfolgreich in den Kinos wiederaufgeführt.
Man kann ihn vielleicht an mancher Stelle zu schnulzig und dramatisch ansehen, aber er besitzt auch heute noch zweifelsohne eine riesige Magie.









Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

Casino



Regie: Martin Scorsese

Das Paradies der Spieler....

"Casino" aus dem Jahr 1995 ist nicht nur einer der großen Mafiafilme von Martin Scorsese, sondern hat darüberhinaus eine starke Ähnlichkeit mit  dem später entstandenen "Wolf on Wall Street". Grund dafür ist das in beiden Filmen dominante Thema "Die Macht des Geldes". Auch der fünf Jahre zuvor entstandene "Good Fellas" widmete sich stark der Gier nach Schotter.
40 Millionen Dollar Produktionskosten fielen bei diesem ausufernden 178 Minuten langem Las Vegas Monumentalfilm an. Es lohnte sich aber - an der Kasse spielte "Casino" 116 Millionen Dollar ein und wurde ein guter Kassenhit.
"Wenn es die Mafia nicht gäbe, müsste man sie erfinden" - das gleiche gilt auch für Las Vegas. Ein Ort, mitten in der Wüste, wo die Regeln irgendwie aufgehoben schienen, an dem es keinen Tag und keine Nacht gibt. Wo alles einen Preis hat und wenn das Glück mit Dir ist, dann gehst du als Millionär nach Hause. Aber die meisten Menschen verlieren ihr Geld, denn das meiste Geld sackt das Casino ein.
Robert Altman hat 1974 mit "California Split" eine kleine Filmperle über Spieler gemacht, die süchtig nach dem Glücksspiel sind. Ähnlich ging Paul Thomas Anderson in seinem 1996 gedrehten Neo Noir "Hard Eight" vor - er porträtiert vier Spieler in Las Vegas. 1991 inszenierte Barry Levinson mit "Bugsy" den Mobster Bugsy Siegel als Gründervater des Konzepts der Hotelcasinos und des modernen Las Vegas. Seit 1941 betrieb der Gangster ein Wettbüro in Las Vegas und kaufte vier Jahre später mit seinen Partnern Meyer Lansky, Moe Sedway und David Berman ein Glücksspielhotel, dass er gewinnbringend verkaufte. Diesen Gewinn investierte er in den Bau des Flamingo Las Vegas, ein Hotelcasino mit Hollywoodflair und so konzipiert, dass auch Stars dort auftreten konnten.
Genauso schillernd wie bei Levinson geht es auch bei Scorsese zu. "Casino" basiert auf einem Buch von Nicholas Pileggi, der uneingeschränkten Zugang und größtes Vertrauen zu einem Mann hatte, der einst vier Casino für die Mafia betrieb und dessen wahre Geschichte die Handlung des Films inspiriert.
Doch "Casino" beginnt zuerst mit einer Szene, in der gleich eine Autobombe explodieren wird. Sie soll Sam "Ace" Rothstein (Robert de Niro) ins Jenseits befördern und als er den Zündschlüssel dreht, kommt es zur Explosion. Dies geschieht 1983 und der Film geht sofort nach der Katastrophe mit einem brennenden Auto 10 Jahre zürück. In dieser Zeit ist Rothstein ein erfolgreicher Berufsspieler und pflegt gute Beziehungen zur Mafia, vor allem mit dem Paten Remo Gaggi (Pascale Gajano). Obwohl er kein Italiener sondern Jude ist, bekommt er die Chance in Las Vegas das neue Casino "Tangiers" zu leiten. Da er vorbestraft ist, wird einfach nur eine Lizenz als Restaurantmanager beantragt und der strafrechtlich nicht vorbelastete Philip Green (Kevin Pollak) wird offiziell Kasinochef, ist aber lediglich ein "Strohmann". Wichtig für die Mafiabosse ist nur, dass das Kasino sehr viel Geld macht. Und dass es keine Probleme gibt - damit dies alles funktioniert wird Polizei, Politik und Behörden "geschmiert". Tatsächlich erweist sich Rothstein als echter Macher, er verdoppelt die Gewinne. Zur seiner Unterstützung und dass die Gelder reibungslos fließen schickt die Mafia den skrupellosen Nicky Santoro (Joe Pesci) nach Las Vegas. Nicky ist ein Jugendfreund von Rothstein. Der weiß auch, dass Nickys Auftauchen Probleme mit sich bringen kann, da dieser auch auf eigene Rechnung arbeitet. Mit Nicky und seiner Bande wird das Klima auch um ein vielfaches krimineller. Der jähzornige Nicky hat Null Skrupel und macht sich bald unbeliebt. Zur gleichen Zeit verliebt sich Rothstein in die attraktive Ginger McKenna (Sharon Stone), eine exklusive Edelprostituierte mit einer Schwäche und einer Hörigkeit für ihren Ex-Zuhälter Lester Diamond (James Woods). Immerhin schafft es Rothstein, dass Ginger seinen Heiratsantrag annimmt...







Was folgt ist nicht das große Glück, sondern im Laufe der Ehe nehmen die Hassgefühle immer mehr zu. Bald spielt auch die schöne Blondine ein falsches Spiel und der Traum vom großen Geld endet in vielen Fällen mit dem Tod. Sharon Stone wurde für die Rolle der Ginger bei der Oscarverleihung 1996 mit einer Nominierung als beste Hauptdarstellerin bedacht - sie musste sich am Ende allerdings von Susan Sarrandon geschlagen geben. Bei den Golden Globes liefs besser...dort gewann Stone den Preis und es ist bis heute ihre beste Performance geblieben. Anfänglich wirkt "Casino" etwas unterkühlt und an manchen Stellen wie ein Dokumentarfilm, dann hält der reale Wahnsinn (durch unersättliche Gier) Einzug im Casino und Scorsese ist voll in seinem Element. Schonungslos zeigt Scorsese das Treiben in den Spielhöllen, das Zählen des vielen Geldes, die Aktivitäten der Mafia - auch wie sie ihre Einnahmen mit rücksichtsloser Gewalt sichern. "Las Vegas, das ist für uns Spieler das, was Lourdes für die Gebrechlichen und Verkrüppelten ist" wird Ace Rothstein einmal im Film sagen. Dabei erweist sich dieses Umfeld als Vorhof zur Hölle...sowohl geschäftlich wie privat. Und deNiro und Pesci spielen natürlich wieder genauso genial auf wie in "Good Fellas".







Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Bringing out the Dead







































Regie: Martin Scorsese

Die Stadt, die niemals schläft...

Mit seinem 1999 entstandenen "Bringing out the Dead" landete der erfolgsverwöhnte Martin Scorsese eine echte Bauchlandung an der Kinokasse. Sein spirituelles Sequel zu "Taxi Driver" spielte nur ca. 16 Millionen Dollar ein, die Produktionskosten lagen doppelt so hoch. Wie so oft ist New York "the city that never sleeps" Hauptdarsteller des Films, der ansonsten keine straffe Dramaturgie aufweist. Scorsese und der geniale Kameramann Robert Richardson (Oscar für JFK, Aviator und Hugo Cabret) folgen mit der Kamera an drei aufeinanderfolgenden Tagen und vor allem Nächten dem ausgebrannten Rettungssanitäter Frank Pierce, der von Nicholas Cage sehr einfühlsam und glaubwürdig dargestellt wird. Seine Fahrten mit drei verschiedenen Kollegen gestalten sich immer als sehr elektrisierend, man benötigt viel Adrenalin um an die Orte zu fahren, wo der Abgrund des menschlichen Elends wartet. Die schillernde und pulsierende Großstadtmetropole präsentiert ihre menschlichen Opfern - an Unfallorten, bei Schlägereien, in den heimischen Wohnzimmern. Die Hauptantriebsfeder um diesen Job wirklich machen zu können ist "Leben retten", doch dies gelingt nicht immer und so besteht seine Aufgabe auch darin an den Ort der Gewalt, des Zusammenbruchs oder des Sterbens nicht nur Hilfe, sondern auch Ermutigung zu bringen.
Mit seinem Kollegen Larry Verber (John Goodman) wird er in die Wohnung einer Familie gerufen, wo der alte Vater einen Herzinfarkt erlitten hat und tot zu sein scheint. Doch mit Hilfe des Defibrillators und dem Abspielen einer Frank Sinatra Schallplatte (die hörte der Mann gerne) gelingt die Wiederbelebung noch vor Ort. Dann nichts wie ab in die Notaufnahme, die immer heillos überlastet ist und wo Schwester Constanze (Mary Beth Hurt) an der Rezeption arbeitet und die Anamnese durchführt. Die Tochter des Notfallpatienten heißt Mary (Patricia Arquette), Frank spendet der jungen Frau etwas Trost.
Am anderen Tag macht Frank Dienst mit dem wiedergeborenen Christen Marcus (Ving Rhames), der das Kunststück besitzt die Rettungen dieser Nacht als großes Werk von Jesus Christus aussehen zu lassen. Die neugierigen Passanten vor Ort, die mit ihm gebetet haben, finden die beiden Sanitäter irre cool. Irgendwie lässt Frank das Schicksal von Marys Vater nicht los, der immer noch auf der Intensivstation liegt und inzwischen 14 mal wiederbelebt wurde. Frank ist ausgepowert und sieht immer wieder den Geist der verstorbenen Rose (Cynthia Roman) vor sich. Er hat nach wie vor Schuldgefühle, dass er die junge Frau nicht retten konnte. Wie Travis Bickle in "Taxi Driver" reist Frank wie ein Bootsmann am Fluß Styx durch die nächtlichen Straßen, während der Dampf aus den Schächten steigt, als ob unten ein großes Feuer brennen würde. Er sieht dann tote Menschen, die ihm begegnet sind in seinem harten Job. Frank weiß aber auch, dass er gegen das Schicksal machtlos ist. Er trifft Mary wieder, die einen Drogendealer (Cliff Curtiz) besucht, der ihr den Stoff "zum Entspannen" gibt. Sie schläft in dessen "Oase", wo Frank sie gerne herausholen will, doch sie schläft zu fest.
In der dritten Nacht ist der durchgeknallte und äusserst aggressive Tom Wolls (Tom Sizemare) sein Kompagnon im Krankenwagen. Der nervt sich wegen dem verrückten Noel (Marc Anthony), ein Drogensüchtiger und Dauergast in der Notfallaufnahme. Als er sieht, dass Noel die Fensterscheiben einiger Autos mit einem Baseballschläger einschlägt, hat er genug. Er will Noel mehr oder weniger den Kopf einschlagen. Dieser wird aber im letzten Moment von Frank gerettet. Und auch der Drogendealer vom Vortag wird noch einmal in Erscheinung treten und Frank kann auch ihn retten, der aufgespießt auf dem Geländer seines Balkons im 14. Stock und im Angesicht des Todes "Ich liebe diese Stadt" in den Nachthimmel schreit...




"Bringing out the Dead" basiert auf dem Roman von Joe Connelly, der selbst einmal New Yorker Rettungssanitäter war. Das Drehbuch von Paul Schrader ist ein weiteres Kapitel in der langjährigen fruchtbaren Schriftsteller-Regisseur Kollaboration. Schrader ist auch verantwortlich für die Drehbücher von "Taxi Driver", "Raging Bull" oder "Die letzte Versuchung Christie". Die Geschichte hat keinen wirklichen Plan, denn auch die Tage des Rettungsassistenten scheinen weder einen Anfang noch eiin Ziel zu haben. Sie schweben dahin wie ein langatmiger Horror. Frank, der Protagonist ist nicht fit - er hallzuniert, nur widerwillig fährt er mit seinem Wagen zum nächsten menschlichen Inferno. Sein Job ist auch gleichzeitig seine persönliche Tragödie - er ist gut in seinem Metier, doch sie geht nie zuende. Vom Burn out bis zum Wahnsinn ist es nicht mehr weit. Für mich sind diese schrägen und skurrilen Amulanzfahrten extrem gut gelungen und weisen auch "Bringing out of the Dead" als weiteres Meisterwerk des Regisseurs aus. Zwar kleiner und unauffälliger als seine opulenten Mafiafilme, aber gerade auch in diesen gut beobachteten Großstadtportraits wie "Die Zeit nach Mitternacht" oder "Hexenkessel" erweist er sich als bedeutender Filmemacher, der viel über die Menschen, ihren Ort und ihre Zeit, zu erzählen weiß.





Bewertung: 10 von 10 Punkten.