Mittwoch, 23. Januar 2019

Bringing out the Dead







































Regie: Martin Scorsese

Die Stadt, die niemals schläft...

Mit seinem 1999 entstandenen "Bringing out the Dead" landete der erfolgsverwöhnte Martin Scorsese eine echte Bauchlandung an der Kinokasse. Sein spirituelles Sequel zu "Taxi Driver" spielte nur ca. 16 Millionen Dollar ein, die Produktionskosten lagen doppelt so hoch. Wie so oft ist New York "the city that never sleeps" Hauptdarsteller des Films, der ansonsten keine straffe Dramaturgie aufweist. Scorsese und der geniale Kameramann Robert Richardson (Oscar für JFK, Aviator und Hugo Cabret) folgen mit der Kamera an drei aufeinanderfolgenden Tagen und vor allem Nächten dem ausgebrannten Rettungssanitäter Frank Pierce, der von Nicholas Cage sehr einfühlsam und glaubwürdig dargestellt wird. Seine Fahrten mit drei verschiedenen Kollegen gestalten sich immer als sehr elektrisierend, man benötigt viel Adrenalin um an die Orte zu fahren, wo der Abgrund des menschlichen Elends wartet. Die schillernde und pulsierende Großstadtmetropole präsentiert ihre menschlichen Opfern - an Unfallorten, bei Schlägereien, in den heimischen Wohnzimmern. Die Hauptantriebsfeder um diesen Job wirklich machen zu können ist "Leben retten", doch dies gelingt nicht immer und so besteht seine Aufgabe auch darin an den Ort der Gewalt, des Zusammenbruchs oder des Sterbens nicht nur Hilfe, sondern auch Ermutigung zu bringen.
Mit seinem Kollegen Larry Verber (John Goodman) wird er in die Wohnung einer Familie gerufen, wo der alte Vater einen Herzinfarkt erlitten hat und tot zu sein scheint. Doch mit Hilfe des Defibrillators und dem Abspielen einer Frank Sinatra Schallplatte (die hörte der Mann gerne) gelingt die Wiederbelebung noch vor Ort. Dann nichts wie ab in die Notaufnahme, die immer heillos überlastet ist und wo Schwester Constanze (Mary Beth Hurt) an der Rezeption arbeitet und die Anamnese durchführt. Die Tochter des Notfallpatienten heißt Mary (Patricia Arquette), Frank spendet der jungen Frau etwas Trost.
Am anderen Tag macht Frank Dienst mit dem wiedergeborenen Christen Marcus (Ving Rhames), der das Kunststück besitzt die Rettungen dieser Nacht als großes Werk von Jesus Christus aussehen zu lassen. Die neugierigen Passanten vor Ort, die mit ihm gebetet haben, finden die beiden Sanitäter irre cool. Irgendwie lässt Frank das Schicksal von Marys Vater nicht los, der immer noch auf der Intensivstation liegt und inzwischen 14 mal wiederbelebt wurde. Frank ist ausgepowert und sieht immer wieder den Geist der verstorbenen Rose (Cynthia Roman) vor sich. Er hat nach wie vor Schuldgefühle, dass er die junge Frau nicht retten konnte. Wie Travis Bickle in "Taxi Driver" reist Frank wie ein Bootsmann am Fluß Styx durch die nächtlichen Straßen, während der Dampf aus den Schächten steigt, als ob unten ein großes Feuer brennen würde. Er sieht dann tote Menschen, die ihm begegnet sind in seinem harten Job. Frank weiß aber auch, dass er gegen das Schicksal machtlos ist. Er trifft Mary wieder, die einen Drogendealer (Cliff Curtiz) besucht, der ihr den Stoff "zum Entspannen" gibt. Sie schläft in dessen "Oase", wo Frank sie gerne herausholen will, doch sie schläft zu fest.
In der dritten Nacht ist der durchgeknallte und äusserst aggressive Tom Wolls (Tom Sizemare) sein Kompagnon im Krankenwagen. Der nervt sich wegen dem verrückten Noel (Marc Anthony), ein Drogensüchtiger und Dauergast in der Notfallaufnahme. Als er sieht, dass Noel die Fensterscheiben einiger Autos mit einem Baseballschläger einschlägt, hat er genug. Er will Noel mehr oder weniger den Kopf einschlagen. Dieser wird aber im letzten Moment von Frank gerettet. Und auch der Drogendealer vom Vortag wird noch einmal in Erscheinung treten und Frank kann auch ihn retten, der aufgespießt auf dem Geländer seines Balkons im 14. Stock und im Angesicht des Todes "Ich liebe diese Stadt" in den Nachthimmel schreit...




"Bringing out the Dead" basiert auf dem Roman von Joe Connelly, der selbst einmal New Yorker Rettungssanitäter war. Das Drehbuch von Paul Schrader ist ein weiteres Kapitel in der langjährigen fruchtbaren Schriftsteller-Regisseur Kollaboration. Schrader ist auch verantwortlich für die Drehbücher von "Taxi Driver", "Raging Bull" oder "Die letzte Versuchung Christie". Die Geschichte hat keinen wirklichen Plan, denn auch die Tage des Rettungsassistenten scheinen weder einen Anfang noch eiin Ziel zu haben. Sie schweben dahin wie ein langatmiger Horror. Frank, der Protagonist ist nicht fit - er hallzuniert, nur widerwillig fährt er mit seinem Wagen zum nächsten menschlichen Inferno. Sein Job ist auch gleichzeitig seine persönliche Tragödie - er ist gut in seinem Metier, doch sie geht nie zuende. Vom Burn out bis zum Wahnsinn ist es nicht mehr weit. Für mich sind diese schrägen und skurrilen Amulanzfahrten extrem gut gelungen und weisen auch "Bringing out of the Dead" als weiteres Meisterwerk des Regisseurs aus. Zwar kleiner und unauffälliger als seine opulenten Mafiafilme, aber gerade auch in diesen gut beobachteten Großstadtportraits wie "Die Zeit nach Mitternacht" oder "Hexenkessel" erweist er sich als bedeutender Filmemacher, der viel über die Menschen, ihren Ort und ihre Zeit, zu erzählen weiß.





Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

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