Regie: Fritz Lang
Es war einmal in Indien...
Vor allem die zeitgenössische Kritik in Deutschland hielt die von Fritz Langs 1959 inszenierten Zweiteiler "Der Tiger von Eschnapur" und "Das indische Grabmal" für einen Regisseur seines Ranges extrem enttäuschend. Anders fiel die Bewertung in Frankreich aus. Unsere Nachbarn sahen in seinem ersten deutschen Film nach dem Krieg ein üppiges Meisterwerk. Vielleicht liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte - und dies ist eher als Kompliment zu verstehen, wenn man die Neuverfilmung dieses Indien-Dramas mit Werken wie "M - Eine Stadt sucht einen Mörder", "Nibelungen" oder "Dr. Mabuse" vergleicht. Denn man darf nicht ausser Acht lassen, dass dieses Remake eines der ganz wenigen ausufernden Monumentalfilme ist, die in Deutschland gedreht worden sind. Mit einer Laufzeit von gesamthaft 194 Minuten hat Fritz Langs Farbfilm eine Länge ähnlich wie die klassischen Hollywoodschinken dieser Zeit. Dabei handelt es sich um eine stark abgewandelte Neuverfilmung des zweiteiligen Stummfilms "Das indische Grabmal" (Deutschland, 1921 - Regie: Joe May), bei dem Fritz Lang gemeinsam mit seiner Ehefrau Thea von Harbou das Drehbuch schrieb. Eingeflochten wurde aber auch die Handlung von "Der Tiger von Eschnapur" (Deutschland 1938, Regie: Richard Eichberg). Alle beiden Filme basieren auf dem Roman von Thea von Harbou, sie wurden riesige Erfolge im Kino und liefen sogar zusammengefasst als Wiederaufführung in den 50er Jahren in deutschen Kinos. Schon alleine durch die Popularität des exotischen Stoffes war Fritz Lang ein Kinoerfolg mit seinem Zweiteiler gewiss.
Produziert wurde der Film von Artur Braunder und CCC Film. Vor
imposanter Kulisse entsteht ein Indien wie in einem Märchen. Der
deutsche Ingenieur Harald Berger (Paul Hubschmidt) ist auf dem Wege zum
Palast von Eschnapur, wo er von Fürst Chandra (Walther Reyer) schon
sehnlichst erwartet wird. Berger soll für den Herrscher Krankenhäuser
und andere wichtige Gebäude bauen. Auf dem Weg hilft er der Dienerin
Bharani (Luciana Paluzzi), als diese beim Wasserholen von frechen
Soldaten belästigt wird. Deren Herrin, die Tempeltänzerin Seetha (Debra
Paget) dankt sich bei ihm. Auch sie ist auf dem Weg zum Fürstenpalast.
Auf dem Weg dorthin rettet Berger die schöne Frau vor einem sehr
gefährlichen Tiger, der bei der Bevölkerung "Der Menschenfresser"
genannt wird. Berger verliebt sich in Seetha und auch sie empfindet viel
für den draufgängerischen Ingenieur aus Deutschland. Seetha tanzt für
den Fürsten, der sich ebenfalls in die Schönheit verliebt und sie zu
seiner neuen Maharani machen will. Doch Chandra hat Feinde. Sein eigener
verschlagener Bruder Fürst Ramigani (Rene Deltgen), der als älterer
Bruder bei der Thronfolge übergangen wurde, möchte ihn stürzen und auch
Fürst Padhu (Jochen Brockmann) gerät in Rage als er erfährt, dass eine
Tempeltänzerin den Platz seiner verstorbenen Schwester als Ehefrau des
Fürsten einnehmen soll. Auch die Priesterschaft und der Hohepriester
Yama (Valéry Inkijinoff) sind nicht unbedingt Freunde des reformwilligen
Chandra, der immer mehr westliche Leute nach Eschnapur holen will. Am
Ende von "Der Tiger von Eschnapur" bleibt nur die Flucht. Im zweiten
Teil "Das indische Grabmal" sind Bergers Schwester Irene (Sabine
Rathmann) und ihr Ehemann Dr. Walter Rhode (Claus Holm) im Palast
angekommen. Rhode, Chef von Berger, wundert sich, dass dieser scheinbar
bei einer Tigerjagd sein soll. In Wirklichkeit sind die Liebenden ja auf
der Flucht. Ramigani gelingt aber deren Ergreifung. Er bringt Seetha
zurück in den Palast, denn sie soll nach seinem Plan die Frau des
Fürsten werden, damit sich nicht nur die Priesterschaft, sondern auch
das Volk an den Handlungen seines Bruders erzürnt. Er lässt Chandra
glauben, dass sein Konkurrent Berger - zuerst Chandras Freund, dann sein
Feind - auf der Flucht vor Krokodilen gefressen wurde. Doch Berger
lebt. In den unterirdischen Gängen suchen Irene und ihr Mann nach ihm...
Der Film bietet überragende Schauwerte und klasse Bilder (Kamera:
Richard Angst) und schafft eine Brücke zwischen Langs Monumentalfilmen
der Weimarer Republik. An einigen Stellen erinnert man sich sogar an
Langs Heldenepos "Die Nibelungen", denn genauso opulent kommt der
Zweiteiler aus Indien daher. Von der Farbenpracht muss man auch einige
Jahre im deutschen Filmgeschehen zurückgehen um Vergleichbares zu finden
und da wären wir bei dem UFA-Jubiläumsfilm "Münchhausen". Durch sein
märchenhaftes Flair kommt auch "Der Dieb von Bagdad", der 1940 von
Alexander Korda produzierte Fantasyfilm aus Tausendundeiner Nacht. Man
merkt schon - Indien wird nicht nur aus der Sicht des Westens hier
geschildert mit viel Abenteuerflair und Tausend Geheimnissen, sondern
auch als eine ganz andere Welt, unwirklich und unrealistisch wie im
Märchen. Man darf diesen Film natürlich nicht mit den
expressionistischen Meisterwerken auf eine Stufe stellen, aber Fritz
Lang schafft es dennoch eine durchgehend geheimnisvolle Faszination
entstehen zu lassen. Neben dem Prunk und der Schönheit zeigt er auch das
Gegenteil. Besonders morbide sind die Sequenzen, die einen Einblick ins
unterirdische Gefängnis der Leprakranken geben - in Teil 2 könnte man
sogar meinen, dass sowohl George A. Romero für seine Zombies als auch
Michael Jackson für seinen "Thriller"Clip bei diesen Bildern aus dieser
ausufernden Indien Saga die perfekte Inspiration bekommen hätten.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.