Regie: Jean Negulesco
Schweigende Lippen....
Mit "Die Wendeltreppe" von Robert Siodmak landete die RKO einen
Riesenhit. Großen Anteil daran hatte die taubstumme Filmfigur Helen,
gespielt von Dorothy McGuire, die vor einem irren Mörder Angst haben
muss. Daher wollte Erfolgsproduzent Jerry Wald den Studioboss Jack
Warner überzeugen, die Filmrechte an dem Theaterstück "Johnny Belinda"
zu erwerben, denn auch hier war die Hauptfigur ein taubstummes Mädchen.
Warner war zunächst skeptisch und konnte sich nicht vorstellen, dass es
Zuschauer gibt, die einen Film sehen wollen, in dem die
Hauptdarstellerin kein einziges Wort sagt. Er ließ sich dann aber vom
guten kassenerfolg des Siodmaks Thrillers endlich überzeugen. Um sich
auf die Rolle vorzubereiten, lernten Jane Wyman und Lew Eyres die
Taubstummensprache und die Hauptdarstellerin verbrachte sogar ganze Tage
mit Wachs in Ohren, um ein Gefühl für dieses Handikap zu beommen. Die
Dreharbeiten fanden in Fort Bragg, ein Kleinstadt in Kalifornien statt
und danach lag der fertige Film noch ein Jahr im Archiv, ehe sich Warner
entschide den Film in den Verleih zu geben. Wie unrecht er doch mit der
Figur der Taubstummen hatte...Jane Wyman erhielt einen Oscar für die
beste Hauptrolle als Taubstumme und es sollte nicht die letzte in der
Oscar-History sein. Marlee Matlin bekam 1987 den Preis als Gehörlose in
"Gottes vergessene Kinder" und als Stumme triumphierte Holly Hunter mit
"Das Piano" im Jahr 1993. Insgesamt konnte "Johnny Belinda" (deutscher
Titel: Schweigende Lippen) 12 Oscarnominierungen im Jahr 1949 erreichen.
Die brutale Geschichte ist angesiedelt auf der Insle Cap Breton in
Neuschottland an der Ostküste Kanadas. Irgendwann am Ende des 19.
Jahrhunderts. Mit Dr. Richardson (Lew Ayres) kommt ein neuer Arzt auf
die Insel, die Bewohner sind aber allem Neuen erstmal skeptisch bis
misstrauisch gesinnt. Aber der Arzt hat auch Zuspruch und ist als
Junggeselle für einige Frauen nicht uninteressant. So wird er von seiner
Sekretärin Stella (Jan Sterling) regelrecht angehimmelt, aber er
bemerkt die Schwärmerei überhaupt nicht. Als er eines Abend auf Bitten
der Farmerin Aggie McDonald (Agnes Moorhead) sich eine kranke Kuh
ansehen soll, wird er zum erfolgreichen Geburtshelfer des Tiers und
lernt dabei die Halbwaise Belinda (Jane Wyman) kennen, die weder
sprechen noch hören kann. Ihr Vater Black McDonald (Charles Bickford)
hat früh seine Frau verloren und kümmert sich vor allem seine Schwester
Aggie um das Mädchen. Durch ihr Gebrechen gilt das Mädchen bei der
unwissenden Bevölkerung als extrem dumm und man behandelt die junge Frau
mit ihrer Behinderung wie eine Idiotin. Erst der Arzt kann durch sein
Wissen den Vater davon überzeugen, dass man durchaus mit einem
taubstummen Menschen kommunizieren kann. Er lernt ihr schreiben und
lernt ihr die Taubstummen- und Gebärdensprache. Eines Tages wird Belinda
vom Fischer Locky McCormick (Stephen McNally) vergewaltigt. Locky hat
auch in der Zwischenzeit erfolgreich um die hand von Stella angehalten,
die leider immer mehr bemerken musste, dass ihre heimliche Liebe keine
Notiz von ihr nimmt. Die frevelhafte Tat bleibt unbemerkt, doch bei
einer Untersuchung, die von Dr. Richardson angeregt wird, weil dieser
mehr Klarheit über mögliche Fähigkeiten haben möchte, kommt heraus, dass
Belinda schwanger ist. Der ganze Ort geht nun davon aus, dass der Arzt
Vater des Kindes ist und bald wird er und auch die Familie McDonald
geächtet...
"Schweigende Lippen" ist ein gut gemachtes Melodram von Jean Negulesco,
der ursprünglich aus Rumänien stammte und in Hollywood Klassiker wie
"Als Salontiroler", "Die Maske des Dimitrios", "Humoresque", "Wie angelt
man sich einen Millionär", Drei Münzen im Brunnen" oder "Daddy
Langbein" inszenierte. Wobei "Schweigende Lippen" der an der Kasse
erfolgreichste blieb. Er hatte sogar die meisten Kinozuschauer des
Jahres und spielte fast 10 Millionen Dollar in den USA ein. An der
spannenden Machart gibt es kaum was auszusetzen. Ein gutes Melodram, das
vor allem durch das gute Spiel der Darsteller lebt. Dabei überzeugt die
damals schon 29 Jährige Jane Wyman als junge Belinda und strahlt vor
allem in den Close ups viel Wärme aus. Lew Ayres bleibt vielleicht etwas
blass, aber dennoch wars für ihn ein zweiter Riesenerfolg nach "Im
Westen nichts Neues" und einer Zeit der Arbeitslosigkeit als
Schauspieler, weil man ihn als bekennenden Kriegsdienstverweigerer nicht
engagierte. Erst als bekannt wurde, dass er als Sanitäter für die US
Army Medical Corps in Neuguinea und auf den Philippinen gearbeitet
hatte, war er wieder rehabilitiert.
Sehr gut auch Agnes Moorehead, Jan Sterling und Charles Bickford, der
sich in einer der besten Szenen des Films einen Kampf auf Leben und Tod
mit dem Übeltäter Stephen McNally liefert. Er kommt dabei ums Leben und
dieses Verbrechen soll nie aufgedeckt werden und er wird als
vermeintliches Unfallopfer begraben. Kameramann Ted McCord, der auch für
die Bilder in "Der Schatz am Sierra Madre" verantwortlich war, erhielt
natürlich auch eine der 12 Oscar-Nominees. Es sollte nicht seine letzte
sein...auch für "Meine Lieder, Meine Träume" wurde er für den Oscar
vorgschlagen.
Bewertung: 7 von 10 Punkten.
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