Fünf böse Buben...
"Les garcons sauvages" ist ein französischer Film aus dem Jahr
2017, der von Bertrand Mandico inszeniert wurde. Dem 1971 geborenen
Regisseur gelang damit in seinem Heimatland ein echter Kritikererfolg.
Die Filmzeitschrift "Cahiers du Cinema" kürte diesen besonderen Film zum
besten Film des Jahres 2018 - noch vor "Coincoin et les z'inhumains"
von Bruno Dumont, "Der seidene Faden" von Paul Thomas Anderson und
"Burning" von Lee Chang-Dong. Dabei erschafft er auch in "The Wild Boys"
zahlreiche Zwischenwelten und interpretiert Genres völlig neu. Die
Geschichte spielt zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf der Insel La
Reunion und handelt von fünf heranwachsenden Jungen aus sehr
wohlhabenden Familien. Jean-Louis (Vimala Pons), Tanguy (Anael Snoek),
Hubert (Diane Rouxel), Sloane (Mathilde Warnier) und Romuald (Pauline
Lorillard) sind Nichtsnutze und in etwa vergleichbar mit der Gang des
jungen Schurken Alex de Large aus Stanley Kubricks "Uhrwerk Orange".
Alle fünf sind faszniert vom Okkultismus und begehen einen scheußlichen
Ritualmord an ihrer Lehrerin (Nathalie Richard). Als sie vor Gericht
stehen, lügen sie bis die Balken brechen. Aber damit kommen sie mit
einer vermeintlich milden Strafe davon. Ein niederländischer Kapitän
(Sam Louwyck) garantiert den Eltern, dass ihre Jungs auf seinem
heruntergekommenen Segelboot zu besseren Menschen werden. Er will sie
auf eine Erziehungsfahrt aufs Meer mitnehmen und ihnen Manieren
beibringen. Es garantiert zwar für eine Änderung, aber er kann nicht
versprechen, dass alle Kinder diese Fahrt überleben. Dabei ist noch sein
treuer Hund und dann geht es los aufs offene Meer. Das Boot wird sehr
schnell zur schwimmenden Strafkolonie und immer mehr entfernen sie sich
von der Zivilisation. Der Kapitän löst bei den Jungen zuerst
Unterwerfungsphantasien aus, doch die fünf beten weiterhin ein
atavistisches Phantasiewesen an. Dann erreichen sie eine Insel, die mehr
als seltsam ist. Alles scheint dort sehr gefährlich zu sein - Flora und
Fauna sind mehr als bemerkenswert. Die Bäume haben Schwänze, aus denen
man trinken kann und die Sträucher auf dem Boden öffnen bereitwillig
ihre Äste, die wie Schenkel aussehen, wenn man auf ihnen liegt Das Klima
ist äusserst lasziv und während der Kapitän sich mit seiner
geheimnisvollen Auftragsgeberin (Elina Löwenstein) trifft, beginnen die
Jungs sich zu verändern. Die Geschlechtsteile fallen ab und die jungen
Männern verwandeln sich zu Frauen...
Mit "The Wild Boys" präsentiert Bertrand Mandico ein Debüt, dass
aufhorchen lässt. Im Grunde ein Film auf der Höhe der Zeit und ein
gewagtes und dennoch stimmiges Plädoyer für die Vielfalt der Erotik und
auch für eine eigene sexuelle Identität. Dies ist nie anstößig, denn
Mandico hat seinen Film so künstlerisch ausgestaltet, dass der Zuschauer
durch die Bilder alles visuell etwas verfremdet wahrnimmt und die
Szenerie damit viel weniger anstößig ist. Ein Hauch von Unschuld ist
gegenwärtig. Viel Expressionimus wird aufgeboten. Gerade die schwarz
weiß Szenen auf dem Boot und auf der Insel lassen an alte Filmklassiker
erinnern. Dann führen psychedelisch, sexuell aufgeladene Bildwelten in
ungewöhnlichen Farben wieder weg. Ein bemerkenswertes Beispiel eines
politschen Kinos, das zur Kunst wird. So werden die adoleszenten Gefühle
auf eine Galeere geladen und auf der geheimnisvollen Insel kommt es zur
völligen geschlechtlichen Verwandlung. Mandico entwirft eine
fantasievolle Interpretation von Gender oder Sexualität und dies
eingebettet in einem Abenteuerkleid ala "Zwei Jahre Ferien" von Jules
Verne. Der größte Coup des Films ist die Tatsache, dass alle fünf Jungs
von jungen Schauspielerinnen gespielt werden.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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