Regie: Claude Chabrol
Die Cousins...
Claude Chabrol war mit Sicherheit einer der wichtigsten Regisseure der
französischen Neuen Welle (Nouvelle Vague), eine Stilrichtung des
französischen Kinos, die sich Ende der 50er Jahre langsam als Gegenpol
zum kommerziellen Kino entwickelte. Ausserdem ist Chabrol vor allem für
seine sozialkritischen Filme über das französische Bürgertum bekannt,
diese Themen würzte der von Alfred Hitchcock beeinflusste Filmemacher
mit abgründigen und doppelbödigen Thrillermotiven. 1959 stand er aber
noch ganz am Anfang seiner langem Karriere und hatte soeben seinen
hochgelobten Erstling "Le beau Serge" (Die Enttäuschten) realisiert. Mit
den gleichen Hauptdarstellern und ähnlicher Geschichte folgte sehr
schnell "Les Cousins" (Schrei wenn du kannst) - ein präzise gestaltetes,
sehr kühles Werk über zwei unterschiedliche Cousins.
Sehr schüchtern ist der introvertierte junge Charles (Gerard Blain) aus
der Provinz, der als Student nach Paris kommt. Er kommt bei seinem
Vetter Paul (Jean Claude Brialy) unter, der etwas gleichaltrig ist und
ebenfalls Jura studiert. Paul ist selbstbewusst, extrovertiert, ja sogar
großspurig - aber er kennt jede Menge lebenslustiger Altersgenossen.
Für Charles ist dieses Ausleben vom Dolce Vita und die Dekadenz von
Pauls Freunden eher sehr irritierend, aber auch er lässt sich langsam
immer mehr vom Vergnügen und Nichtstun treiben. In Pauls Wohnung werden
Partys gefeiert, es ist dort immer was los - auch hält sich dort der
etwas ältere Schmarotzer Clovis (Claude Cerval) immer mal wieder auf.
Charles lernt bei diesem Müßiggang die attraktive Florence (Juliette
Mayniel) kennen und verliebt sich in das Mädchen. Die landet aber eines
Tages in Pauls Bett und Charles akzeptiert auch, dass sie Pauls Geliebte
in der gemeinsamen Wohnung wird. Er stürzt sich voller Eifer und lernt
wie ein Besessener. Paul jedoch geht in die Prüfung trotz seiner
eklatanten mangelhaften Kenntnisse....
Auch "Schrei wenn du kannst" wurde zu seiner Zeit ein großer Kinoerfolg-
der Erfolg dieser ersten Werke der Nouvelle Vague ebnete nicht nur
Chabrol, sondern auch anderen Regiedebütanten den Weg. Damals beschrieb
der Film sehr realistisch das Leben wohlhabender Studenten in Paris,
heute wirkt der Film natürlich auch sehr nostalgisch. Er zeigt aber viel
vom Lebensgefühl der damaligen Generation und ist nicht zuletzt
ein bitterer Vergleich zwischen einem ruhigen Provinzler mit einem
lebensgewandten Blender, der mit seiner zynischen eleganten Art in allen
Belangen viel leichter und besser durchs Leben kommt - der Erfolg bei
den Mädchen und im beruflichen Werdegang fällt dem leichtsinnigen Typen
einfach zu. Sein Vetter müht sich redlich ab, er schuftet für den Erfolg
- doch er bleibt ein Verlierer.
Der Film lebt auch vom Spiel der beiden Hauptdarstellern Brialy und
Blain, die ihre Rollen perfekt auf den Punkt bringen. Ich kannte mich
bisher mit dem Frühwerk von Chabrol nicht besonders gut aus, doch es
lohnt sich wirklich, die Beschäftigung mit dieser Neuen französischen
Welle, die durch ihre Machart merklich auf die Entwicklung des
progressiver geprägten 60er Jahre Kinos Einfluss nahm.
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