Donnerstag, 17. Mai 2018

Die Jagd







































Regie: Thomas Vinterberg

Täter und Opfer...

Der neue Film vom dänischen Dogma95 Mitbegründer Thomas Vinterberg heißt "Die Jagd" und ist vielleicht sogar noch eine Spur eindringlicher als seine bislang beste Arbeit "Das Fest" aus dem Jahr 1999. In beiden Filmen geht es um sexuellen Mißbrauch - "Das Fest" war eine Abrechnung mit dem 60jährigen Vater, dessen Sohn an diesem Geburtstag den Mißbrauch des Vaters an den Kindern offenbart. In "Die Jagd" geht es um einen Lehrer, der fälschlicherweise in den Verdacht eines Kindesmißbrauch gerät. Extrem nachhaltig ist der Schluß des Films, bei dem die Männer tatsächlich auf eine Jagd gehen und durch eine Sekundensequenz der Geist der Geschichte noch einmal hervorgehoben wird. Das sollte nicht verraten werden, es ist jedenfalls ein genialer Fingergriff des Regisseurs, ich frage mich nur, ob diese Sekunde tatsächlich das ganze Ausmaß dieser vorangegangenen Katastrophe wiedergibt oder ob es nicht sogar ein bissel beschönigt. Dieser Jagd ging nämlich eine menschliche Jagd und Hatz voraus, die durch die unbedachte Äusserung eines Kindes die primitivsten Ausmaße menschlichen Verhaltens offenbaren, alles unter dem Deckmantel gängiger Normen. Denn beim sensiblen Thema des Kindermißbrauchs kommen auch die geheimen Lynchwünsche der bürgerlichen Gesellschaft zu Tage. Ausgelöst durch die kleine 5järige Klara (Annika Wedderkopp), die sich gerne mit dem geschiedenen Lucas (Mads Mikkelsen) trifft, nicht nur wegen der Liebe zu dem Hund von Lucas. Das kleine Mädchen fühlt sich beim erwachsenen Lucas geborgen und himmelt ihn etwas an. Lucas selbst arbeitet derzeit im Kindergarten von Grethe (Susse Wold) und versucht als geschiedener Vater mehr Kontakt zu seinem geliebten 14jährigen Sohn Marcus (Lasse Vogelstrom) zu bekommen, was seine Exfrau immer wieder verhindert oder zumindest begrenzt. Klaras Eltern sind oft im Streit, Vater Theo (Thomas Bo Larsen) ist der beste Freund von Lucas - seit Kindertagen. Aus Eifersucht behauptet die kleine Klara, dass Lucas ihr sein Geschlechtsteil gezeigt hat. Grethe reagiert zunächst auf diese Äußerung irritiert, sie zettelt aber sehr schnell den Rufmord an, indem sie dem Beschuldigten keine Möglichkeit der Rechtfertigung gibt, sondern pädagogisch korrekt das Kind befragt, allerdings so subjektiv, weil der Täter schon feststeht und weil Kinder ja nie lügen können. So wird aus begründeter Angst eine hysterische Hexenjagd mit starken Tendenzen zur Selbstjustiz....




 Obwohl man ja schon anmerken muss, dass Mads Mikkelsen gefühlt inzwischen in jeder dritten europäischen Kinoproduktion auftaucht - dieses Mal wird er seinem guten Ruf als großer Schauspieler mehr als gerecht. Die Rolle des Lehrers Lucas spielt er sagenhaft gut, der Film brachte ihn in diesem Jahr die dritte Nominierung als bester Schauspieler für den europäischen Filmpreis ein - er musste sich allerdings von Altstar Jean Louis Trintignant in Hanekes "Liebe" geschlagen geben. "Die Jagd" ist ein sehr bedrückender, atmosphärisch unglaublich dichter Film über die Auswüchse bürgerlicher Gerechtigkeit. Der vermeintliche Täter wird zum Opfer, weil diese Dynamik weitere Täter hervorbringt. 




Bewertung: 8 von 10 Punkten.

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