Regie: Lucas Dhont
Die Zurückweisung...
Lukas Dhonts erster Spielfilm "Girl" wurde gleich ein
internationaler Erfolg. Bei den Filmfestspielen in Cannes gab es drei
Preise. Die Geschichte eines Transmädchens, das eine professionelle
Balletkarriere machen möchte, wurde im Rahmen des Europäischen
Filmpreises als "Bester Erstlingsfilm" prämiert. Hauptdarsteller Victor
Polster bekam auch eine Nominierung als bester Schauspieler, musste sich
jedoch von Marcello Fontes Leistung in Matteo Garrones "Dogman"
geschlagen geben. Sein zweiter Film wurde ebenfalls bei den
Filmfestspielen in Cannes prämiert, die Geschichte über die Freundschaft
von zwei Jungs bekam den Großen Preis der Jury. Ausserdem wurde Dhonts
Film - wie bereits zuvor "Close" von Belgien als Beitrag für die
Oscarverleihung 2023 in der Kategorie "Bester internationaler Film"
eingereicht und kam sogar in die Endrunde der fünf Filme, die eine
Nominierung bekamen. Mit vier Nominierungen wurde "Close" auch bei der
Vergabe der europäischen Filmpreise geehrt: Bester Film, beste Regie,
Bestes Drehbuch und bester Darsteller Eden Dambrine. Leider ging der
Film am 10. Dezember 2022 bei der Preisverleihung in Reykjavik leer aus.
Dabei hätte es vor allemd er Jungdarsteller Eden Dambrine verdient als
Sieger in der Hauptdarstellerkategorie hervorzugehen. Sein Spiel ist
hervorragend, subtil und beängstigend fragil. Das gleiche trifft auch
auf seinen gleichaltrigen Filmpartner Gustav de Waele zu, der sicherlich
auch gute Chancen auf einen Preis gehabt hätte, wenn der Europäische
Filmpreis auch Nebendarsteller honorieren würde.
Der Film ist extrem emotional und niederschmettert und hinterlässt
den Zuschauer keineswegs mit einem guten Gefühl - thematisisert wird
eine sehr intensive und extrem nahe Jugendfreundschaft zwischen zwei
Jungs, die zerbricht, als die beiden von Mitschülern ständig verdächtigt
werden schwul zu sein.
Léo (Eden Dambrine) ist ein Schüler, mit dem Rémi (Gustav de Waele) eine sehr enge Freundschaft verbindet. Die
beiden Jungen verbringen den größten Teil ihrer Freizeit zusammen,
wobei Leo häufig bei Remi schläft, mit dem Wohlwollen von Sophie (Emilie
Dequenne), dessen Mutter, die Leo als ihren eigenen Sohn betrachtet. Léo, extrovertierter als Rémi, fördert nachdrücklich die Leidenschaft seines Freundes für die Oboe und bewundert sein Talent. Léo und Rémi besuchen die örtliche weiterführende Schule. Beim
Kennenlernen anderer Schüler wird Léo durch die Fragen seiner
Klassenkameraden verunsichert, die sich, da sie die große Nähe zwischen
Léo und Rémi bemerkt haben, fragen, ob sie in einer Beziehung sind. Leo
bestreitet dies energisch und sagt, dass er und Remi nur so enge
Freunde seien, dass sie sich gegenseitig als Brüder betrachteten, aber
diese Diskussion verunsichert ihn. Obwohl
er in den folgenden Tagen weiterhin Zeit mit Rémi verbrachte,
distanziert sich Leo vermehrt, was bald zu einer Katastrophe führt....
Lea Drucker spielt Leos Mutter. Der Film stimmt traurig und fordert
den Zuschauer mit einem sehr ernsten Thema. Dabei erinnert Lucas Dhont
an seine Landmänner Jean Pierre und Luc Dardenne, die ebenfalls ähnliche
Filme ("Das Kind", "Der Sohn", "Der Junge mit dem Fahrrad")
realisierten. Dabei ist das Drehbuch eigentlich perfekt, die Dialoge
hervorragend und jede Szene fügt sich in das große Ganze als weiterer
Blickwinkel hinein. Eine anfangs schöne jugendliche Chronik, die durch
gesellschaftliche Erwartungen und durch ein Schubladendenken zum
Melodram wird. Die schönsten Momente werden abgelöst von einer brutalen
Wirklichkeit, die nur noch Verdrängung und Schuldgefühl hinterlassen.
Durch eine Aussprache gelingt zumindest eine kleine Erleichterung, die
eine Trauerarbeit zulassen. Für mich ein sehr starker und zarter Film,
der nachhaltige Wirkung hat.
Bewertung. 10 von 10 Punkten.
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