Freitag, 15. Juni 2018

Das Schweigen







































Regie: Ingmar Bergman

Reise ohne Hoffnung...

Mit "Das Schweigen" aus dem Jahr 1963 löste Regisseur Ingmar Bergman einen der größten Filmskandale aller Zeiten aus. Aber die Publicity um den Film bescherte ihm auch seinen größten Kinoerfolg. Alleine in Deutschland wollten über 10 Millionen Zuschauer den Film im Kino sehen. Als anstößig galten vor allem die drei Szenen mit einem Liebesakt eines Pärchen während einer Varietevorstellung, die Sexszenen zwischen Anna, gespielt von Gunnel Lindbloom (Das siebente Siegel, Die Jungfrauenquelle), mit einem Fremden und die Masturbationsszene ihrer älteren Schwester Ester.
Es war damals auch eine echte Überraschung, dass der Film in Deutschland ungeschnitten in die Kinos kam und sogar zusätzlich das Prädikat "Besonders wertvoll" erhielt. In anderen Ländern wurde "Das Schweigen" sogar verboten oder nur mit Schnitten dieser 118 Skeunden langen expliziten Szenen für den Kinogänger freigegeben.
Im Nachhinein fiel dem Maestro die Ähnlichkeit seines Filmes mit den Vorgängern "Licht im Winter" und "Wie in einem Spiegel" auf - daher gilt "Das Schweigen" heute als dritter Teil der sogenannten "Glaubenstrilogie".
Der Film beginnt mit der Zugfahrt von Ester (Ingrid Thulin), ihrer Schwester Anna (Gunnel Lindbloom) und Annas neunjährigem Sohn Johan (Jörgen Lindström) - die drei sind auf der Reise in ihre schwedische Heimat. Doch Ester ist schwer lungenkrank und die Reise muss in der fiktiven Stadt Timoka - irgendwo in Osteuropa - unterbrochen werden. Dort quartieren sich die drei in einem Grand Hotel ein, wo offenbar nur eine Artistengruppe, Liliputaner, wohnen. Auch das Personal scheint dort deutlich reduziert - lediglich ein sehr alter Portier (Hakan Jahnberg) kümmert sich um die Gäste. Die Konversation ist deutlich erschwert, da der Kellner kein Fremdsprachen beherrscht und selbst Ester, die als Übersetzerin arbeitet, hat Mühe mit der Landessprache. In dieser fremden Stadt scheint auch zumindest das Militär, vielleicht auch der Krieg, allgegenwärtig zu sein. Der kleine Johan hat auf der Zugfahrt bereits viele Panzer erblickt und auch vom Hotelfenster aus sieht man nachts wie einer dieser Panzer die Straßen durchquert. Tagsüber herrscht reges Treiben in den Cafes und Bars. Als es zu Auseinandersetzungen zwischen Anna und Ester kommt, die von ihrer Schwester anscheinend mehr als nur schwesterliche Liebe erwartet, geht Anna aus und bandelt mit einem Kellner (Birger Malmsten) an. Nach ihrer Rückkehr berichtet sich der schwerkranken Ester mit brutaler Deutlichkeit davon, was sie am Nachmittag mit dem fremden Mann erlebte. Sie trifft sich auch in dieser Nacht mit ihrer Eroberung in einem anderen Zimmer des Hotels. Ester erfährt von Johan davon und klopt an die Tür, um Anna von dem One Night Stand mit diesem Mann abzuhalten. Es kommt wieder zum Streit und zum Zusammenbruch von Ester, die von Anna am anderen Morgen bewusstlos am Boden gefunden wird. Überstürzt packt Anna und verlässt gemeinsam mit Johan die sterbende Schwester. Zum Abschied hat Ester dem kleinen Neffen ein paar Wörter in dieser fremden Sprache geschrieben mit dem Zusatz "Du wirst verstehen". Nach den schwülen Tagen kommt es während der Zugfahrt zum Wolkenbruch, Anna reisst die Fenster des fahrenden Zuges auf und fühlt sich durch den Regen auf ihrer Haut für einen Moment befreit...







 Die Kritiker deuteten Bergmans symbolgeladenen Film als ein Zeichen für die Welt ohne Gott. Eine Welt ohne Hoffnung, in der die Sexualität möglicherweise zum Ersatz für die Liebe fungieren muss. Aber Schweigen und Einsamkeit bleiben, auch Gott antwortet nicht mehr. Der Film wirkt relativ hoffnungslos, was die Beziehung zwischen den beiden Schwestern betrifft und auch die kurze Liason mit dem Fremden. Viele sahen den Film mit Symbolik überfrachtet - die Optik ist aber großartig. Und vor allem die Szenen mit dem neugierigen kleinen Johan, der das seltsame Treiben der Erwachsenen beobachten, sind extrem gut geglückt. Natürlich war einmal mehr Bergmans treuer Kameramann Sven Nykvist für diese betörenden Schwarz-Weiß Bilder verantwortlich. Natürlich ist der heutige Zuschauer schon sehr überrascht von den Szenen, die damals - vor etwas mehr als 50 Jahren - solch einen Aufruhr provozieren konnten. Heute gilt der Film als Klassiker des Arthaus-Kinos, keiner regt sich mehr über diese harmlosen Szenen auf, die im Kontext des Films die destruktive Note der Geschichte unterstreichen. Aber damals wurde nicht nur eine Aktion saubere Leinwand gegründet, es gingen in der BRD auch zahlreiche Anzeigen wegen Unzucht in diesem Film ein. Was heute bleibt ist die brutale kalte Aura dieser Geschichte, die suggestive Bedrohung ist dabei ständig präsent, kann aber nicht bewiesen oder begründet werden. Es bleibt offen, ob die Hoffnung gestorben ist.







Bewertung: 9 von 10 Punkten. 

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