Dienstag, 25. Dezember 2018

Reise nach Indien

Regie: David Lean

Adela Questets körperliche und seelische Krise...

Es war nicht James Ivory, sondern David Lean, der als erster Regisseur sich die Verfilmung eines Romans von E. M. Foster heranwagte.  Und "Eine Reise nach Indien" gilt eigentlich als das Meisterwerk des Schriftstellers, der 1970 im Alter von 91 Jahren verstarb.
Sein intensives Portrait eines großen Landes unter britischer Herrschaft verfilmte Lean sehr werkgetreu und trotz der imposanten Schauwerte vergaß Lean nicht auch die zeitkritische Komponente des Romans zu integrieren. Sehr präsent ist der latente Rassismus der Besatzer. Darüberhinaus erwacht auch langsam das Selbstbewusstsein der Inder. Durch das erlesene Schauspieler-Ensemble gelangen auch herausragende Figurenportraits. Wie in jedem Lean Epos nimmt aber auch die Umgebung, das Land eine große Rolle ein - Indien ist natürlich besonders geeignet für faszinierende und exotische Impressionen.
Leans letzter Film spielte bei einem großen Budget von 17 Millionen gute 27,2 Millionen Dollar ein und avancierte - ganz anders als der Vorgänger "Ryans Tochter", der 14 Jahre vorher entstand - wieder zum Kritikerliebling. Der Film wurde bei der Oscarwahl 1985 mit 11 Nominierungen bedacht. Somit gabs es im Vorfeld einen Gleichstand mit Milos Formans "Amadeus", der dann auch der große Sieger des Abends wurde. Immerhin gewann "Reise nach Indien" in den Kategorien Best Original Score (Maurice Jarre) und der Preis der besten Nebendarstellerin ging an die damals 78jährige Britin Peggy Ashcroft.
Die Geschichte spielt in der fiktiven indischen Stadt Chandrapore. Dorthin sind zwei britische Frauen unterschiedlichen Alters gereist. Die junge Adela Quest (Judy Davis) hat diese Reise deshalb gewagt, weil sie ihren Verlobten Ronny Heaslop (Nigel Havers) besucht - sie hat keine Rückfahrkarte gewollt, denn es könnte sein, dass sie bei ihm in Indien bleibt. Ronnys Mutter Mrs. Moore (Peggy Ashcroft) ist ihre Mitreisende. Der smarte Gentleman arbeitet als Friedensrichter in Britisch Indien. Sowohl Adela als auch Mrs. Moore wollen das richtige Indien kennenlernen. Doch das ist gar nicht so einfach, denn Briten und Inder leben sehr getrennt voneinander. Viele Briten fühlen sich als Herren des Landes und nehmen die Einheimischen nur als Dienstboten wahr. Natürlich haben Inder in den vornehmen englischen Clubs keinen Zutritt. Einzig und allein der Lehrer und Leiter der Hochschule Richard Fielding (Edward Fox) hat einen wesentlich hesseren Zugang zu den Indern, weil er aufgeschlossen genug ist. Diese Haltung gefällt den beiden Frauen und vor allem Adela ist enttäuscht, dass ihr Verlobter so ein arroganter Snob geworden ist. Durch Mrs. Moore lernt auch Adela den verwitweten Arzt Dr. Aziz (Victor Banerjee) kennen. Dieser organisiert für die beiden Ladys einen Ausflug zu den berühmten Höhlen von Marabar. Die Briten halten diese Höhlen mit ihren Echos für ein überbewertetes Event. Doch Dr. Aziz und der indische Professor Godbhole (Alec Guinness) behaupten, dass die Höhlen bei ihren Besuchern etwas auslösen. Tatsächlich wird sich dieser Ausflug schicksalshaft auswirken. Während Mrs. Moore einen klaustrophobischen Anfall erleidet, wandert Adela mit Aziz zu den höher gelegenen Eingängen. Dort erleidet auch Adela bei einem Alleingang in eine der Höhlen einen Zusammenbruch und sie ist danach überzeugt, dass Aziz versucht hat sie zu vergewaltigen...





Tatsächlich sind die Briten sofort von der Schuld des Inders überzeugt, er wird verhaftet und man kann davon ausgehen, dass der Ausgang des Prozesses bereits im Vorfeld feststeht. Nur Mrs. Moore und Fielding sind überzeugt von der Unschuld Azizs. Aber Adela bleibt bei ihrer Behauptung. In einer der besten Szenen des Films fährt Adela gleich nach der Ankunft in Indien mit dem Fahrrad davon - einfach um das Land kennenzulernen. Dabei verlässt sie die sichere Straße und fährt spontan einen Seitenweg entlang. Etwas weiter weg von der Zivilisation. Dort kommt sie bald an ein verfallenes Gebäude, wo sich auch einige erotische Statuen befinden. Sie ist sichtlich beeindruckt und faziniert. Doch die Stille wird vom Gebrüll einiger Affen unterbrochen. Dieses Gebrüll wirkt bald auch so als wäre eine unsichtbare Gefahr im Anmarsch. In diesem Moment besinnt sich Adela wieder und ergreift die Flucht. Eine sehr gelungene symbolische Szene für das Hauptthema des Films: Gefahren, die die fremde Kultur langsam offenlegt. Auch wenn Alec Guinness seine Rolle nicht mochte, doch nach meinem Empfinden ist sein Godbhole eine sehr wichtige Figur und er verkörpert sie sehr gut. Peggy Ashcroft hat m.E. völlig zu Recht den Oscar gewonnen.  Lean war natürlich immer mit den Landschaften beschäftigt und besessen von der perfekten Einstellung. Dennoch gelang es ihm, dem Film einen intimen Charakter zu geben.






Bewertung: 10 von 10 Punkten.

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