Regie: Ingmar Bergman
Menschen in Gottes Hand...
Erst später erkannte Ingmar Bergman die Einheitlichkeit seiner drei
Filme "Wie in einem Spiegel", "Licht im Winter" und "Das Schweigen", die
er in der Zeit von 1961 bis 1964 drehte. Diese Filme wurden später als
"Kammerspiel-Trilogie" bezeichnet, die sich mit der metaphysischen und
theologischen Sinnfrage beschäftigen und eine Selbstreflektion des
verzweifelten Individuums anbietet. Für "Wie in einem Spiegel" bekam
Bergman 1962 auch den Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Er
konnte damit den Erfolg des Vorjahres mit der Mittelaltersaga "Die
Jungfrauenquelle" wiederholen.
"Wie in einem Spiegel" wurde auf Empfehlung des Kameramanns Sven Nykvist
auf der Insel Farö gedreht. Ein Ort, den Bergman auch danach immer mal
wieder als Drehort wählte. Es war zuerst angedacht den Film in Farbe zu
drehen, doch weder Nykvist noch Bergman gefielen die getesteten
Farbaufnahme. In die Stille im Leben der vier Charaktere zu vermitteln,
wurde weitestgehend auf Filmmusik verzichtet. Lediglich das Cello kommt
zum Einsatz. Der Cellist Erling Blöndal Bengtsson verwendete die Musik
von Johann Sebastian Bach.
Der Zuschauer wird Zeuge eines zuerst harmonisch wirkenden
Familientreffens, bei dem sich im Laufe von 24 Stunden immer stärker
große Konflikte entladen. Die vier verbringen ihren Urlaub auf einer
abgelegenen Ostseeinsel. Vater David (Gunnar Björnstrand), ein
Schriftsteller, ist vor kurzem aus der Schweiz zurückgekommen, wo er
sich längere Zeit aufhielt um sein neues Buch zu schreiben. Seine Kinder
Karin (Harriet Anderson) und der 17jährige Minus (Lars Passgard) freuen
sich natürlich. Karin hat ihren Mann Martin (Max von Sydow)
mitgebracht. Martin ist Arzt und ist sehr besorgt wegen dem
Gesundheitszustand von Karin, die er seit kurzem aus einer Anstalt
entlassen wurde, in der sie wegen Schizophrenie behandelt wurde. Von
Martin erfährt der Vater auch, dass die Krankheit von Karin immer wieder
ausbrechen könnte, sie sich aber momentan in einem stabilen Zustand
befinde. Minus würde gerne mehr die Zuneigung seines Vaters spüren, er
wünscht sich ein echtes Gespräch mit ihm. Doch David ist auch mit sich
selbst und seinem Roman beschäftigt, immer wieder leidet er unter einer
Schreibblockade und kann seinen Kindern keine Gefühle zeigen. Während
dieser 24 Stunden verschlechtert sich Karins Zustand wieder. Nur ihrem
jüngeren Bruder gesteht sie, dass sie Stimmen hört. Auf dem Dachboden
glaubt sie, dass ihr dort Gott erscheinen wird, hinter der Tapete wäre
eine andere Welt. An diesem Morgen gehen Martin und David angeln. Sie
sprechen sich aus. Die Kinder sind alleine auf der Insel geblieben und
es kommt zu sexuellen Handlungen unter den Geschwistern...
Ein sehr eindringlicher Stoff, den Bergman hier gewählt hat. Karins
Krankheit zeigt auch die horrorartige Seite, denn der Gott auf den sie
wartet wird dann in ihren Gedanken und Träumen zu einem Spinnengott, der
alles andere als gütig ist. Natürlich ist "Wie in einem Spiegel" sehr
dialoglastig, bietet aber eine ganze Fülle an Denkanstößen für den
interessierten Zuschauer. Das Ende scheint auch Hoffnung zu geben, denn
für David ist Gott gleichzusetzen mit der Kraft der Liebe. Der Filmtitel
selbst ist auf den ersten Brief des Paulus an die Korinther angelehnt,
wo es heißt "Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild, dann
aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber
werde ich erkennen, wie ich erkannt bin".
Bergman selbst war später nicht ganz zufrieden mit seinem Film. Er
störte sich am "Drang der Geborgenheit" in seinem Film und über die
Antwort, die er dem Zuschauer am Ende gab. Es wäre besser gewesen - so
Bergman - den Zuschauer mit seinen Fragen alleine zurückzulassen.
Dennoch finde ich, dass Bergman auch mit "Wie in einem Spiegel" ein
wichtiges Meisterwerk hinterlassen hat, das von den edlen
Bildkompositionen von Sven Nykvist noch zusätzlich veredelt wird. Auch
die vier Darsteller sind perfekt in ihren Rollen.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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