Regie: Walter Hill
Jäger und Gejagte
Walter Hill, der vor allem in den 70ern und frühen 80ern mit Filmen wie
"Driver", "Warriors" oder "Long Riders" oft schon als der legitime
Nachfolger von Sam Peckinpah gefeiert wurde, hatte nachfolgend in seinem
Oeuvre auch dünnere Jahre ohne nennenswerte Arbeiten mit
filmgeschichtlichen Stellenwert erlebt.
Die Besetzungsliste des 1993 realisierten "Geronimo" war attraktiv und
obwohl der Film kein Flop an der Kasse war, spielte er die hohen
Produkionskosten von 35 Millionen Dollar leider nicht wieder ein. Hill
erweist sich zwar mit seinem Film als Experte und Macher für gute
Western, er sollte auch in den Folgejahren mit Filmen wie "Wild Bill"
oder "Broken Trail" diesem Genre treu bleiben... der ganz grosse
Publikumserfolg blieb ihm dennoch bis Heute in dieser Gattung versagt.
Dabei sind seine Western, so auch "Geronimo" mit grosser Liebe zum
Detail inszeniert, Hill hat ein gutes Gespür für grosse Bilder. Die
Kameraführung von Lloyd Ahern ist hervorragend und Ry Cooders Musik ist
für einen Western immer passend. Man spricht heute im Zusammenhang mit der in den amerikanischen
Geschichtsbüchern verklärt dargestellten Eroberung des Weiten Landes
auch von einer ethnischen Säuberung. Das Bild dazu, vor allem in der
amerikanischen Öffentlichkeit, ist allerdings nach wie vor ambivalent
und man will es nicht so wahrhaben, dass die Geburt einer Nation mit der
systematischen Vernichtung der Ureinwohner einherging. Hills Film räumt auf mit dieser Romantik und zeigt wie die Eroberung
wirklich war: blutig, mit Opfern auf beiden Seiten, er tendiert auch
dazu dem Ureinwohner endlich das Erstrecht auf das grosse Land
Nordamerika einzuräumen. Vielleicht liegt darin der "gefühlte" Misserfolg von "Geronimo"
begründet: Will man überhaupt zulassen aus dem Krieger und damaligen
Staatsfeind Nr. 1 Geronimo eine Legendenbildung zu riskieren. Immerhin
hat der letzte große Führer der Chiricahua Apachen auch viele
unschuldige Menschen auf seinem Kriegspfad massakriert. Hill realisiert das sehr authentische Drehbuch von John Milius (Conan,
der Barbar) mit gutem Gespür für Timing und markanten Szenen, die
einfach in der Erinnerung hängenbleiben und auch Indiz für einen guten
Film sind. "Geronimo" ist einer der geschlossensten Filme des
Kultregisseurs. Der Film konzentriert sich auf die letzten Monate vor der Kapitulation
im August 1886 des legendären Apachen-Anführers, er zeigt die letzten
Regungen eines brutalen und entschlossenen Freiheitskampfes stolzer
Indianer gegen die Weißen, die die Apachen aus ihrer Heimat um den Rio
Grande gezielt vertreiben und mit Hilfe der US-Armee nach Florida
zwangsumsiedeln wollten. Der verzweifelte Widerstand dauerte Monate und
am Ende entschied der Hunger über das Ende des ungleichen Kampfes. Gespielt wird Geronimo von Wes Studi, der zuvor in Michael Manns
Lederstrumpf Verfilmung "Der letzte Mohikaner" den hasserfüllten Huronen
Krieger Magua spielte. Viele Jahre später verkörpert Wes Studi in
"Hostiles" von Scott Cooper und der Rolle des Chief Yellow Hawk eine
sehr ähnliche Rolle wie in "Geronimo". Der Schauspieler gehört dem Stamm der Cherokee Indianer an und erhielt für sein Lebenswerk im Jahr 2019 den Oscar. "Geronimo" wird aus der Perspektive eines jungen Soldaten (Matt Damon)
erzählt, der ins Krisengebiet versetzt wird und der mit Hilfe eines
erfahrenen, aber stillen Leutnants (Jason Patric) lernt, die Indianer
und ihre Kultur zu respektieren und zu schätzen. Geronimo (Wes Studi)
ergibt sich das erste Mal und er wird wie alle anderen
Chiricahua-Apachen mehr oder weniger gezwungen, sich in der beengten
San-Carlos-Indianerreservation niederzulassen, auf Gedeih und Verderb
der Gnade der US-Armee ausgeliefert. Viele Indianer sehnen sich nach dem
alten Leben als Krieger, Jäger und Schamane zurück in Einheit lebend
mit der Natur, in Freiheit und Unabhängigkeit und können sich nicht an
das gezwungene Leben als Landwirte gewöhnen. Nachdem eine von Chefscout Al Sieber (Robert Duvall) geführte Einheit
einen als Bedrohung empfundenen heiligen Mann, der diese alten Werte
öffentlich propagiert, während einer Versammlung tötet und daraufhin
alles in einer wilden Schiesserei eskaliert, flieht Geronimo ein letztes
Mal mit mehreren Dutzend von Gefolgsleuten. Aufgrund des öffentlichen
Drucks lässt der indianerfreundliche General George Crook (Gene Hackman)
drei indianische Kundschafter unter dem Vorwurf des Verrats
exekutieren, als Sanktion auf diese Ereignisse. Der letzte Guerillakrieg
beginnt, erfordert viele Opfer und zieht eine grosse Blutspur mit sich.
Am 4. September 1886 kapituliert Geronimo erneut....
Fazit: Sehr unterschätztes Kavallerie-Epos, ein krasser Gegenentwurf zu den vielen Verklärungen über gute Soldaten und böse Indianern und nur ganz knapp am Meisterwerk gescheitert.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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