Freitag, 7. September 2018

Extrablatt







































Regie: Billy Wilder

Hildy und Walter im Element...

In der Sparte "Journalismus und Film" steht Billy Wilders "Extrablatt" ganz weit oben im Ranking, dies ist dem unschlagbaren Duo Walther Matthau und Jack Lemmon zu verdanken. "Extrablatt" entstand 1974 und ist ein Remake des Lewis Milestone Klassikers "The Front Page" aus dem Jahr 1931. Die Geschichte basiert auf dem Theaterstück "Reporter" von Ben Hecht und Charles McArthur - im Jahr 1940 wurde sie von Altmeister Howard Hawks unter dem Titel "Sein Mädchen für besondere Fälle" verfilmt, ihm gelang im Screwball-Touch die bisher erfolgreichste Variante des Stoffes. Er machte aus den beiden Zeitungsleuten Hildebrandt Johnson und Walter Burns einem Kampf der Geschlechter zwischen Verleger Burns und der besten Reporterin Hildegard Johnson. Natürlich ist "Sein Mädchen für besondere Fälle" mit Cary Grant und Rosalind Russell in seinem Genre fast unschlagbar, doch auch Billy Wilders Remake muss sich nicht hinter diesem genialen Erfolgsfilm verstecken. Auch Wilder gelang durch den Spielwitz seines Ensembles eine Superkomödie, bei der man vor Schlapplachen stellenweise auf dem Boden liegt. Zumindest geht es mir so - ich finde aber auch den kauzigen wie trockenen Humor von von Matthau, gekoppelt mit dem nervösen Energiebündel Jack Lemmon grandios.
Bei der Kritik gelang Wilder nicht ganz der Erfolg seiner früheren Komödien - dennoch bin ich auch ein Fan seiner frühen 70er Jahre Comedys, zu denen neben "Extrablatt" auch der charmante und verschrobene "Das Privatleben von Sherlock Holmes" und "Avanti, avanti" gehören. Mit sattem Humor teilt Wilder in "Extrablatt" Seitenhiebe gegen das Gebahren der Presse aus, er zeigt sie zwar als absolute Sympathieträger, dennoch bleibt bei vielen Szenen das lachen immer mal wieder im Hals stecken, weil er zeigt zu welchen Schandtaten die Presse imstande ist, wenn sie eine Story wittern. Ebenso wie Wahrheiten zu Fake News werden oder wie interessante Objekte von den Reportern in Paparazi Manier gejagt werden - alles zum Wohl einer guten Story oder der besten Schlagzeile des Tages.
"Am anderen Tag wird mit dem Zeitungspapier eine tote Makrele eingepackt" lässt Wilder Jack Lemmon in einer Szene des Films sagen, wie Recht er doch hat.
Es gibt nur wenige Sets in dieser Geschichte, am meisten spielt es sich im schmuddeligen Presseraum des Chicago Criminal Courts Building ab, vom Fenster aus hat man dort einen Blick auf den Galgen, der hinter dem Cook County Gefängnis steht. Und der Todeskandidat steht auch schon fest. Es ist Earl Williams (George E. Stone), aus dem die Zeitungen und auch der Sheriff einen kommunisten Revolutionär gemacht haben. Nun hat er auch noch in seiner Todesangst eine schwarzen Polizisten - eher aus Versehen - getötet, doch für den korrupten Sheriff "der ehrenwerte Pete" Hartman (Vincent Gardenia) und den noch korrupteren Bürgermeister (Harold Gould) kommt die Verurteilung zum Tod gerade zur rechten Zeit. Denn wir schreiben 1929 und es sind Wahlen und mit diesem "gerechten" Todesurteil bekommen sie nicht nur die Stimmen der Rechten, sondern auch die der Farbigen.
Für die Reporter der Zeitungen American, Post, Journal, City Press, Daily News, Journal of Commerce, Tribune und Herald-Examiner natürlich ein gefundenes Fressen, ein Mann am Galgen - damit lassen sich die besten Storys machen.
Walter Burns (Walter Matthau), der intrigante Herausgeber vom Herald Examiner, setzt einmal mehr auf seinen besten Mann Hildy Johnson (Jack Lemmon). Der soll live von der Hinrichtung berichten und die besten Schlagzeilen bringen, doch der extravagante Hildy hat andere Pläne. Vor einigen Wochen hat er die hübsche Peggy Grant (Susan Sarrandon) kennengelernt, will sie nun heiraten und in Philadelphia eine Stelle in der Werbebranche bei Peggys Vater annehmen. Dem Journalismus will er endgültig Lebe Wohl sagen, obwohl er Vollblut-Reporter ist. Burns ist natürlich überhaupt nicht erfreut als er diese Pläne hört - zu seinem "Diener" Duffy (John Furlong) meint er "der wird nicht nach Philadelphia kommen". Burns plant eifrig, nimmt als Ersatz den jungen unerfahrenen Rudy Keppler (Jon Korkes) um Hildy in seiner Ehre zu kränken, doch zunächst schlagen alle Finten und Manipulationen fehl Hildy zu halten. Erst als es durch die Dämlichkeit des Sheriffs dem Todeskandidaten gelingt an eine Waffe zu kommen und zu fliehen, wirft Hildy alle neuen Vorsätze über Bord und berichtet exklusiv aud dem Presseraum für den Examiner und steht wieder in ständigem Kontakt zu seinem Chef. Dort im Presseraum taucht auch die Prostituierte Molly Mallou (Carol Burnett) auf, dann sucht auch noch der verfolgte Earl Schutz im Presseraum. Hildy versteckt ihn im Schreibtisch seines Kollegen Ben Singer (David Wayne), der für die Tribune arbeitet. Und während er einen Plan entwickelt wie man Earl aus dem Gebäude schmuggeln kann, taucht auch noch ein Beamter mit dem Gnadengesuch des Gouverneurs auf....




Am Ende werden die beiden unverbesserlichen Reporter vom Gesetz (Sheriff/Bürgermeister) verhaftet, doch wer zuletzt lacht, lacht am besten. Die beiden wären keine Teufelsreporter ohne Skrupel, wenn sie nicht nur ein As im Ärmel hätten. Diesem Schlußpunkt kann Billy Wilder in der Abschiedszene noch ein Sahnehäubchen draufsetzen. Legendär ist der Wortwitz des Films und das ganze Ensemble spielt hervorragend, seine bitterböse Satire funktioniert auf allen Ebenen hervorragend und Wilder ist ein Meister im Zusammenfügen von Komödie und Drama. In Zeiten von "Fake News" bekommt das nostalgische "Extrablatt" erneut eine erschreckend aktuelle Dimension.





Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

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