Regie: Billy Wilder
Hildy und Walter im Element...
In der Sparte "Journalismus und Film" steht Billy Wilders "Extrablatt" ganz weit oben im Ranking, dies ist dem unschlagbaren Duo Walther Matthau und Jack Lemmon zu verdanken. "Extrablatt" entstand 1974 und ist ein Remake des Lewis Milestone Klassikers "The Front Page" aus dem Jahr 1931. Die Geschichte basiert auf dem Theaterstück "Reporter" von Ben Hecht und Charles McArthur - im Jahr 1940 wurde sie von Altmeister Howard Hawks unter dem Titel "Sein Mädchen für besondere Fälle" verfilmt, ihm gelang im Screwball-Touch die bisher erfolgreichste Variante des Stoffes. Er machte aus den beiden Zeitungsleuten Hildebrandt Johnson und Walter Burns einem Kampf der Geschlechter zwischen Verleger Burns und der besten Reporterin Hildegard Johnson. Natürlich ist "Sein Mädchen für besondere Fälle" mit Cary Grant und Rosalind Russell in seinem Genre fast unschlagbar, doch auch Billy Wilders Remake muss sich nicht hinter diesem genialen Erfolgsfilm verstecken. Auch Wilder gelang durch den Spielwitz seines Ensembles eine Superkomödie, bei der man vor Schlapplachen stellenweise auf dem Boden liegt. Zumindest geht es mir so - ich finde aber auch den kauzigen wie trockenen Humor von von Matthau, gekoppelt mit dem nervösen Energiebündel Jack Lemmon grandios.
Bei der Kritik gelang Wilder nicht ganz der Erfolg seiner früheren
Komödien - dennoch bin ich auch ein Fan seiner frühen 70er Jahre
Comedys, zu denen neben "Extrablatt" auch der charmante und verschrobene
"Das Privatleben von Sherlock Holmes" und "Avanti, avanti" gehören. Mit
sattem Humor teilt Wilder in "Extrablatt" Seitenhiebe gegen das
Gebahren der Presse aus, er zeigt sie zwar als absolute Sympathieträger,
dennoch bleibt bei vielen Szenen das lachen immer mal wieder im Hals
stecken, weil er zeigt zu welchen Schandtaten die Presse imstande ist,
wenn sie eine Story wittern. Ebenso wie Wahrheiten zu Fake News werden
oder wie interessante Objekte von den Reportern in Paparazi Manier
gejagt werden - alles zum Wohl einer guten Story oder der besten
Schlagzeile des Tages.
"Am anderen Tag wird mit dem Zeitungspapier eine tote Makrele
eingepackt" lässt Wilder Jack Lemmon in einer Szene des Films sagen, wie
Recht er doch hat.
Es gibt nur wenige Sets in dieser Geschichte, am meisten spielt es
sich im schmuddeligen Presseraum des Chicago Criminal Courts Building
ab, vom Fenster aus hat man dort einen Blick auf den Galgen, der hinter
dem Cook County Gefängnis steht. Und der Todeskandidat steht auch schon
fest. Es ist Earl Williams (George E. Stone), aus dem die Zeitungen und
auch der Sheriff einen kommunisten Revolutionär gemacht haben. Nun hat
er auch noch in seiner Todesangst eine schwarzen Polizisten - eher aus
Versehen - getötet, doch für den korrupten Sheriff "der ehrenwerte Pete"
Hartman (Vincent Gardenia) und den noch korrupteren Bürgermeister
(Harold Gould) kommt die Verurteilung zum Tod gerade zur rechten Zeit.
Denn wir schreiben 1929 und es sind Wahlen und mit diesem "gerechten"
Todesurteil bekommen sie nicht nur die Stimmen der Rechten, sondern auch
die der Farbigen.
Für die Reporter der Zeitungen American, Post, Journal, City Press,
Daily News, Journal of Commerce, Tribune und Herald-Examiner natürlich
ein gefundenes Fressen, ein Mann am Galgen - damit lassen sich die
besten Storys machen.
Walter Burns (Walter Matthau), der intrigante Herausgeber vom
Herald Examiner, setzt einmal mehr auf seinen besten Mann Hildy Johnson
(Jack Lemmon). Der soll live von der Hinrichtung berichten und die
besten Schlagzeilen bringen, doch der extravagante Hildy hat andere
Pläne. Vor einigen Wochen hat er die hübsche Peggy Grant (Susan
Sarrandon) kennengelernt, will sie nun heiraten und in Philadelphia eine
Stelle in der Werbebranche bei Peggys Vater annehmen. Dem Journalismus
will er endgültig Lebe Wohl sagen, obwohl er Vollblut-Reporter ist.
Burns ist natürlich überhaupt nicht erfreut als er diese Pläne hört - zu
seinem "Diener" Duffy (John Furlong) meint er "der wird nicht nach
Philadelphia kommen". Burns plant eifrig, nimmt als Ersatz den jungen
unerfahrenen Rudy Keppler (Jon Korkes) um Hildy in seiner Ehre zu
kränken, doch zunächst schlagen alle Finten und Manipulationen fehl
Hildy zu halten. Erst als es durch die Dämlichkeit des Sheriffs dem
Todeskandidaten gelingt an eine Waffe zu kommen und zu fliehen, wirft
Hildy alle neuen Vorsätze über Bord und berichtet exklusiv aud dem
Presseraum für den Examiner und steht wieder in ständigem Kontakt zu
seinem Chef. Dort im Presseraum taucht auch die Prostituierte Molly
Mallou (Carol Burnett) auf, dann sucht auch noch der verfolgte Earl
Schutz im Presseraum. Hildy versteckt ihn im Schreibtisch seines
Kollegen Ben Singer (David Wayne), der für die Tribune arbeitet. Und
während er einen Plan entwickelt wie man Earl aus dem Gebäude schmuggeln
kann, taucht auch noch ein Beamter mit dem Gnadengesuch des Gouverneurs
auf....
Am Ende werden die beiden unverbesserlichen Reporter vom Gesetz
(Sheriff/Bürgermeister) verhaftet, doch wer zuletzt lacht, lacht am
besten. Die beiden wären keine Teufelsreporter ohne Skrupel, wenn sie
nicht nur ein As im Ärmel hätten. Diesem Schlußpunkt kann Billy Wilder
in der Abschiedszene noch ein Sahnehäubchen draufsetzen. Legendär ist
der Wortwitz des Films und das ganze Ensemble spielt hervorragend, seine
bitterböse Satire funktioniert auf allen Ebenen hervorragend und Wilder
ist ein Meister im Zusammenfügen von Komödie und Drama. In Zeiten von
"Fake News" bekommt das nostalgische "Extrablatt" erneut eine
erschreckend aktuelle Dimension.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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