Sonntag, 6. Oktober 2019
Mustang
Regie: Deniz Gamsen Ergüven
Rebellion der Jungfrauen...
Neben Dänemark (Krigen), Kolumbien (Der Schamane und die Schlange), Jordanien (Theeb), Ungarn (Son of Saul) war auch Frankreichs Beitrag "Mustang" der türkischen Filmemacherin Deniz Gamsen Ergüven im diesjährigen Oscar-Rennen um den besten ausländischen Film. Am Ende siegte zwar das ungarische NS-Filmdrama von Laszlo Nemes, aber "Mustang" konnte immerhin eine weitere Nominierung für den Golden Globe verzeichnen, sowie einen Preis in Cannes, ausserdem gabs für den ambitionierten Film den Filmpreis des Europaparlaments und sogar den Friedenspreis des deutschen Films - Die Brücke. Ok, eine Brücke für die unüberwindbare Kluft zwischen modernem freiheitlichen und vor allem emanzipierten Leben junger Frauen und den immer noch gepflegten Traditionen eines patriarchischen und von der Religion abgesegneten Systems wird "Mustang" durch seine Einseitigkeit nicht bauen können. Aber muss er das ? Die türkischstämmige und in Frankreich aufgewachsene Regisseurin behandelt das heikle und hochpolitische Thema der Zwangsehen und sie stellt sich klar auf die Seite der fünf Schwestern, die sich langsam für Jungs interessieren. Irgendwie erinnert dieser tragische, aber nie sentimentale Film mit seiner Geschichte an Sofia Coppolas frühes Meisterwerk "The Virgin Suicides", unterschiedlich aber deshalb, weil Coppolas Film eine sonderbare, aber dennoch typisch amerikanische Story erzählt und "Mustang" dem europäischen Kino entstammt und schon von Anfang an als wie eine trügerische, aber sonnendurchflutete Parabel wirkt. "Mustang" hat die Regisseurin ihren Film genannt, weil der Mustang als Wildpferd das perfekte Symbol für die fünf jungen Heldinnen ist - für das zügellose und ungestüme Termperament. Kameratechnisch wurde "Mustang" von David Chizallet und Ersin Gok veredelt und die Geschichte bleibt konsequent auf der Sichtweise der fünf Mädchen.
Die fünf Geschwister Nur (Doğa Zeynep Doğuşlu), Ece (Elit Iscan), Selma (Tugba Sunguroglu) Sonay (Ilayda Akdogan) und Lale (Günes Nezihe Sensoy) sind Vollwaise und wachsen bei ihrer Großmutter (Nihal Coldas) auf. Deren Sohn Erol (Ayberg Peczan) ist ledig und lebt auch noch im selben Haus, in einem kleinen Dorf am Schwarzen Meer. Am Ende des Schuljahres verabschiedet sich die beliebte Lehrerin Dilek (Bahar Kerimoglu) von der Klasse und ausgelassen laufen die Mädchen nach Hause. Auch ein paar Jungs begleiten sie. Alle sind froh, dass die Ferien begonnen haben, es herrscht eine ausgelassene Stimmung. In ihren Schuluniformen fangen sie ein Spiel mit den Jungs an, die Teenager landen dadurch im Wasser und machen sich die Kleider naß. Als sie heim kommen ist der Teufel los, denn Oma wurde von einer aufmerksamen Nachbarin bereits unterrichtet, dass dieses obszöne unanständige Verhalten sofort unterbunden werden muss. Die Strafe folgt und Erol lässt gemeinsam mit der Großmutter das Haus immer mehr eine Gefängnisatmosphäre aufkommen. Mauern werden hochgezogen, es wird alles abgeschlossen...schließlich will man nicht, dass eins der Mädchen ihre Jungfräulichkeit verliert. Da das sexuelle Interesse aber bereits aufgekeimt ist, versucht die Familie die Mädchen so schnell wie möglich mit Zwang zu verheiraten. Vor allem das Nesthäkchen Lale erweist sich bald als treibende Kraft eines Widerstandes - sie interessiert sich mehr für Fußball als für Kochrezepte. Sie findet auch Schleichwege aus dem auf allen Seiten verriegelten Haus...
Und tatsächlich ist es auch die junge Günes Sensoy, die man einfach lieben muss. Ein Mädchen, dass schon sehr früh weiß was sie nicht will...nämlich sich dem ungerechten Patriarchat zu beugen. Dabei freundet sie sich mit dem Fahrer Yasin (Burak Ygit) an, der ihr irgendwann im Lauf der Handlung beibringt wie man ein Auto startet und wie man fahren kann. Der Film ist sehr geglückt, weil er ein Plädoyer für Freiheit ist und eben gegen jede Unterdrückung steht. Wie im richtigen Leben zeigt die Geschichte zwar auch die Tiefen, aber auch einige Höhen werden gezeigt. In Katar wurde der Film verboten - das zeigt natürlich wie brisant dieser Film tatsächlich ist.
Bewertung: 8,5 von 10 Punkten.
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