Regie: Albert Serra
Am Totenbett des Sonnenkönigs...
Albert Serras "La mort de Louis XIV" (so der Originaltitel, die DVD ist
nicht mit einer deutschen Sprachfassung ausgestattet, es gibt jedoch
Untertitel) ist ein besonderer wie sonderbarer Film und ist nicht der
erste Film über den legendären Sonnenkönig Ludwig, der bereits im Alter
von 4 1/2 Jahren im Jahr 1643 den Thron von Frankreich bestieg. Durch
eine expandierende Außenpolitik, die in mehrere Kriege mündete, festigte
er die Stellung Frankreichs als dominierende Großmacht innerhalb von
Europa. Sein Wirken war sehr prägend für die Zeit des Barock. Er erbaute
das prunkvolle Schloß Versailles und betrieb eine ganz auf ihn selbst
zugeschnittene Hofkultur, die seine herausragende Stellung und sein
prunkvolles Aussehen noch zusätzlich verstärkten. Er verstarb am 1.
September 1715 nach 72-jähriger Regentschaft. Damit ging der Herrscher
mit absoluter Macht als einer der am längsten herrschenden Monarchen der
Geschichte ein.
Regisseur Albert Serra schildert in seinem Ludwig-Film die letzten Tage
des Monarchen und die Handlung spielt überwiegend in Ludwigs
Schlafräumen. Das Krankenbett wird dabei immer mehr zum Totenbett des
bedeutenden Mannes. Die Inszenierung wirkt dabei immer mehr
hypnotisierend, wenn man sich auf dieses beengte Szenario einlässt und
entfaltet sich immer mehr zu einer Elegie bzw. zu einem Totentanz.
Serras Hauptdarsteller ist inzwischen 74jährige Jean-Pierre Leaud, der
in Francois Truffauts Filmen "Sie küßten und sie schlugen ihn", "Liebe
mit 20", "Geraubte Küsse", "Tisch und Bett" und "Lebe auf der Flucht"
die Figur Antoine Donel verkörperte und damit weltberühmt wurde. Schön
diesen Schauspieler wieder zu sehen - und in was für einer
hervorragenden und extrem bemerkenswerten Performance.
Historienfilme sind immer dann richtig gut, wenn der Zuschauer einen
Blick erhaschen kann in diese vergangene Zeit und in diese verschlossene
Zeit kurz eintauchen kann. Und dies gelingt interessanterweise beim
Zuschauen auf einen sterbenden König, der bereits wie entrückt wirkt. Er
ist zwar da, aber gleichzeitig auch schon weit weg - von seinen
Untertanen, die ständig an seiner Seite sind und das Krankenbett behüten
- sei es sein Leibarzt Fagon (Patrick d'Assumçao) oder Chirurg
Mareschal (Bernard Belin). Natürlich ist auch seine zweite Frau, die
Marquise de Maintenon (Irene Silvagni) äusserst besorgt und mit ihren
vielen Hofdamen vor Ort. Dazu die gesamte Dienerschaft, die versucht
ihrem König sämtliche Wünsche zu erfüllen - auch die Politiker belagern
das Krankenzimmer. Schließlich müssen die Regierungsgeschäfte weiter
gehen und wichtige Gesetze beschlossen werden. Zuerst ist man noch guter
Hoffnung, dass der Schwächeanfall in seinen Gärten einmalig war. Doch
der Zustand will sich nicht verbessern. Der König fühlt sich enorm
schwach und kann kaum laufen. Er klagt über schreckliche Schmerzen im
Bein. Man lässt vier weitere angesehene Mediziner von der Sorbonne
(Olivier Cadinot, Philippe Crespeau, Alain Renaud, Richard Plano)
kommen, denen auch nicht der entscheidende Durchbruch für die Genesung
gelingt, schließlich versucht man noch die Künste eines alternativen
Arztes (Jose Wallenstein), dessen heilende Methoden extrem umstritten
sind. Doch das Schicksal ist unaufhaltsam...
Dabei liefert Kameramann Jonathan Ricquebourg eine Weltklasseleistung
mit seinen Bildern im dämmrigen Licht. Der Prunk von Versailles wird
konsequent ausgeblendet und doch ist er allgegenwärtig im Kopf des
Zuschauers. Und er schafft es auch, dass man dem König etwas näher kommt
- man erkennt den Menschen unter seiner monumental wirkenden Perücke.
Dieser Mann scheint in seinen letzten Stunden fast schon ein Gefangener
seiner eigen geschaffenen Rituale zu sein. Er könnte zwar von seiner
Umgebung alles bekommen, was er will und die Köche liefern Meisterwerke
ihres Könnens ab, doch der Herrscher ist in diesem Moment krank, klein
und verloren. Er hat keinen Appetit mehr und will nur noch Wasser, wenn
er nach seinem Diener schreit. Wie er selbst gefangen in seinen eigenen
Zwängen ist, wird in der kleinen Szene klar, in dem ihm auffällt, dass
dieses Wasser nicht mit einem Glas aus Kristall gereicht wird. Gerade
diese Absurditäten des Alltags, die Serra hier präsentiert, sind es, die
den Film zu einem kleinen Meisterwerk machen. Nach dem Tod wird auch
gleich der Körper des Sonnenkönigs seziert - eine letzte Sequenz zu
einem Film, der mich in jeder Sekunde total begeistern konnte.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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