Montag, 16. April 2018
Der Mieter
Regie: Roman Polanski
Unheiliches Haus, unheimliche Bewohner...
My home is my castle...doch Roman Polanski hat mit drei Filmen die eigenen vier Wände mit wüstem Horror überzeugen und dem Zuschauer Frucht und Angst eingejagt. Nach "Ekel" (1965) und "Rosemarys Baby" (1968) drehte er in Frankreich den atmosphärisch beklemmenden "Der Mieter", der am scheinbar sichersten Ort der Welt (dem Zuhause) seinem Untergang entgegen geht. Alle drei Filme sind genial und könnten als sogenannte "Mieter-Trilogie des Grauens" bezeichnet werden und "Der Mieter" ist vielleicht eine Mischung aus dem beiden vorherigen Filmen, denn der Protagonist könnte wie in "Ekel" tatsächlich krank sein - aber auch Opfer einer Verschwörung sein. Selbst wenn das Ende schlussfolgern lässt, dass der depressiv wirkende Mieter Trelkovsky eine Psychose durchmacht, gibt es genug Anhaltspunkte, dass in diesem Mietshaus vieles nicht mit rechten Dingen zugeht.
Aber erstmal ist der labile, aus Polen stammende Trelkovsky (gespielt von Polanski selbst) froh, dass er eine Wohnung mitten in Paris gefunden hat. Die ist zwar im dritten Stock, aber sie ist ganz günstig - sie hat einen kleinen Haken, denn die Vormieterin Simone Choule hat sich von ihrem Fenster in die Tiefe gestürzt und liegt auf der Intensivstation des Krankenhauses. Vermutlich wird sie den Sturz nicht überleben, aber dieses Schicksal löst in Trelkovsky ein mulmiges Gefühl aus, so dass er der Schwerkranken einen Besuch abstattet. Die ist nicht ansprechbar, das Gesicht bandagiert und als sie den Besucher sieht fängt sie fürchterlich an zu schreien. Dort lernt Trelkovsky auch Simones Freundin Stella (Isabelle Adjani) kennen, mit der er ins Kino geht und körperlich näher kommt. Am anderen Tag ist Simone Choule verstörben und der labile wie sensible Mann, der keine Freunde hat, ist nun einer der Mieter des Hauses des grantigen Monsieur Zi (Melvyn Douglas), der größten Wert auf Ruhe legt. Auch die anderen Nachbarn sind etwas eigenartig, wenn man es vorsichtig formulieren soll. Die herrische Madame Dios (Jo van Fleet) besucht die Nachbarn, um eine Petition gegen Madame Gaderian (Lila Kedrova) und deren gelähmten Tochter (Eva Ionescu) zu erwirken, die Concierge (Shelley Winters) glänzt mit mürrischem und unfreundlichem Auftreten und der Nachbar von oben (Claude Pieplu) beschwert sich in unverschämter Form bei dem Neueingezogenen, als er an einem Samstag Abend eine kleine Feier mit seinen Arbeitskollegen (u.a. Roman Bouteille, Josiane Balasko; Bernard Fresson) abhält. Immer wieder klopfen die Nachbarn, wenn Trelkovsky mal kurz einen Tisch in der Wohnung verrückt und auch in der Gemeinschaftstoilette auf der anderen Seite gehen seltsame Dinge vor. Dort stehen einige der anderen Mieter stundenlang, rühren sich nicht und sie könnten direkt in Trelkovskys Wohnung blicken, wenn der keine Gardine hätte. Die Wohnung selbst, die in der Rue des Pyrenees liegt, hat einen gewissen morbiden Charme mit ihrer blumig-grau befleckten Tapete und den morschen Dielen und der Zuschauer bemerkt, dass hier unheimliche Dinge vorgehen müssen. Sind einige der Mitmieter eine verschworene Mörderbande, die auch den schüchternen Angestellten Trelkovsky zuerst in den Wahnsinn und dann in den Suizid treiben wollen. Jedenfalls hat dieser immer mehr Angst und er hat das Gefühl immer mehr zu einer zweiten Simone Choule zu werden. Einzige Vertraute wird Stella...
Optisch und auch durch die verschrobenen und schrulligen Charaktere ist "Der Mieter" so eine Art französische Version von "Rosemarys Baby". Dort haben Figuren wie Dr. Saphirstein, Roman und Minnie Castevet oder Laura Louise fasziniert - hier heißen sie "Monsieur Zi, Madame Dioz oder Madame Gaderian. Und natürlich sind diese Figuren schauspielerisch perfekt besetzt. Melvyn Douglas und Jo van Fleet kommen trotz ihrer extrem bürgerlichen Fassade richtig teuflisch rüber und mit Stella ist auch eine Figur dabei, die der Zuschauer nicht ganz deuten kann. Ebenso ist die Hauptperson Trelkovsky vielschichtig und komplex angelegt, er ist mit Sicherheit psychisch anfällig und wird auch zunehmend pathologisch auffällig. Aber ist die Ursache ausschließlich im Innern und somit im Wahn des Protagonisten begründet oder ist er tatsächlich ein Opfer von diabolischen Machenschaften wie sie in "Rosemarys Baby" am Ende tatsächlich Realität war ? Dies lässt der Film doch am Ende noch etwas offen, obwohl sich die meisten sicherlich mit der ersten Variante zufrieden geben werden. In Punkto Angstmache ist "Der Mieter" auf jeden Fall perfekt gemacht - als ich den Film zum ersten Mal sah, hatte im im Hinterher tatsächlich eine gewisse Angst im eigenen Haus. Somit ist "der Mieter" sicherlich ein Film, der beim ersten Sehen am effektivsten ist. Wenn man ihn ein zweites Mal sieht, dann achtet man eher auf die kleinen Feinheiten und erkennt mit was für einer Detailtreue der Regisseur hier wieder glänzte und wie hervorragend diese Geschichte von der Kamera eingefangen wurde. Chefkameramann war Sven Nykvist, der große Schwede, der für Ingmar Bergman, Louis Malle oder Andrej Tarkovski arbeitete. Die Musik von Philippe Sarde ist typisch französisch und ebenfalls atmosphärisch wunderbar gelungen. Auch wenn "Rosemarys Baby" der perfekteste Horrorfilm von Polanski war, sein 1976 gedrehter filmischer Verwandter ist ihm sicherlich beinahe ebenbürtig. Denn hier in diesem unheimlichen Mietshaus geben sich Alfred Hitchcock und Franz Kafka die hand. Durch den reinen Fokus auf die Hauptfigur gelingt es Polanski, dass dem Zuschauer die Distanz fehlt das Gesehene objektiv einordnen zu können. Damit werden verborgene Ängste freigelegt, was natürlich zu einem Höchstmaß an Bedrohlichkeit ausartet. Nur Polanski kann solche Filme machen.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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