Paul Haggis wurde bereits 2004 mit seinem Drehbuch zu "Million
Dollar Baby" für einen Oscar nominiert. Bereits ein Jahr später gewann
der den begehrtesten Filmpreis der Welt. Er wurde ausgezeichnet für das
beste Originaldrehbuch zu seinem Regiedebüt "L. A. Crash" (heißt im
Original einfach "Crash"). Der Film wurde mit zwei weiteren Academy
Awards ausgezeichnet, einmal für den Hauptpreis "Bester Film" und für
den besten Filmschnitt. Damit warf er als Überraschungssieger den großen
Favoriten "Brokeback Mountain" aus dem Rennen.
Haggis war 35 Jahre lange Mitglied von Scientology und hatte sogar
die höchste Stufe der Organisation "Operating Theatan VII" erreicht,
beendete aber im Jahr 2009 seine Mitgliedschaft. Grund war die negative
Haltung der Gemeinschaft gegenüber Homosexuellen und Lesben. In "Crash"
spürt man diesen damaligen Einfluß ein bisschen. "Crash" selbst hatte
zwar gute Kritiken, doch mit seinem Gewinn verstärkte sich die Kritik an
dem Oscarsieger. Einige sprachen vom schlechtesten Oscarsieger aller
Zeiten, sie empfanden den Film zu klischeehaft und melodramatisch.
Tatsächlich spielt Haggis mit vorhandenen Klischees und treibt die auch
stellenweise auf die Spitze und das Ende, wenn Anthony (Chris Bridges)
die kambodschanischen Flüchtlinge in die Freiheit setzt und diese
Menschen mit Erstaunen den Reichtum von Los Angeles wahrnehmen, ist
tatsächlich zu übertrieben.
Ich habe den Film bisher dreimal angesehen und jedes Mal hatte ich
wieder einen anderen Gesamteindruck. Bei ersten Mal fand ich dieses
Zusammenfügen der einzelnen Episoden sehr geglückt, war sehr angetan und
ordete "Crash" in die Nähe von Altmans "Short Cuts" ein. Beim zweiten
Mal war ich erschrocken, wie schwach ich den Film diesmal fand und nun
nach dem dritten Mal tendiere ich zur Mitte: Es gibt sehr viel Licht,
aber auch etwas Schatten.
Die Handlung spielt in der 12,8 Millionen Einwohner-Metropole und
zeigt im Verlauf seiner Handlung ein paar Autocrashs, aber auch
menschliche Begegnungen, die man durchaus als "Crash" bezeichnen darf.
So wird auf die Distanz und auf die Nähe der Menschen untereinander
Bezug genommen.
So wird der Bezirksstaatsanwalt Cabot (Brendan Fraser) in
Begleitung seiner Frau Jean (Sandra Bullock) von zwei Afroamerikanern
(Chris Bridges sowie Larenz Tate als Peter) auf belegter Straße
überfallen. Das Auto wird den Opfern gestohlen und mit diesem Wagen
gehts unglücklich weiter, denn aus Versehen überfahren die beiden
Deliquenten einen koreanischen Passanten.
Auch L.A. beheimatet verschiedendste Nationen. Der Ladenbesitzer
Farhad (Shaun Toub) stammt aus Persien, spricht nur sehr schlecht
englisch und kauft sich eine Waffe, weil der Laden schon oft überfallen
wurde. Daniel (Michael Pena) ist der Mann, der sein Schloß repariert,
doch der merkt, dass die ganze Tür ausgewechselt werden muss. Darauf
geht der äusserst verärgerte Farhad überhaupt nicht ein, wütend trennen
sich die Männer, ohne das Farhad die Dienste des Schlüsseldienst
bezahlt.
Auch die Polizei hat in der Großstadt sehr viel zu tun. Detective
Graham Waters (Don Cheadle) und seine aus Mexiko stammende Kollegin Ria
(Jennifer Esposito) sind gerade dabei einen Auffahrunfall aufzunehmen.
Der Streifenpolizist Ryan (Matt Dillon) macht mit seinem jungen Kollegen
Hansen (Ryan Philippe) Streifendienst. Aus Frust wegen seinem kranken
Vater wird die nächste Verkehrskontrolle, die Ryan macht, zum Desaster
für die Insassen eines Wagens, der zunächst ausgesehen hat wie der
gestohlene Wagen des Bezirksstaatsanwalts. Der dunkelhäutige Regisseur
Cameron (Terrence Howard) und seine etwas angetrunkene attraktive Frau
Christine (Thandie Newton) müssen übelste Schikanen des weißen
Polizisten über sich ergehen lassen, der die Frau bei seiner
Durchsuchung unverholen sexuelle belästigt. Sein Kollege ist angewidert,
lässt es aber geschehen. Am nächsten Tag erzählt er dies seinem
dunkelhäutigen Vorgesetzten, der ihm rät, die Sache nicht aufzubauschen
sondern einen driftigen privaten Grund vorschieben soll, damit er
alleine auf Streife fahren kann...
Im Laufe der Geschichte brechen Aggressionen und Gewalt immer mehr
durch, aufgrund der verschiedenen Kollisionen von Mensch zu Mensch. Es
gibt Autojagden zwischen Polizei und Verdächtigen sowie ein Autounfall,
bei dem einer der Wagen in Flammen aufgeht. Daniels kleine Tochter Lara
(Ashlyn Sanchez) entgeht einer Pistolenkugel nur knapp - ein magischer
Schutzanzug spielt in dieser Sequenz eine wichtige Rolle und der junge
Hansen nimmt einen schwarzen Passanten (einer der Autodiebe) per
Anhalter mit. Trotz gutem Willen beiderseits eskaliert die Situation im
Wagen und es fällt dann tatsächlich ein tödlicher Schuß.
Später findet Graham Waters, der diesen Unfall untersucht, eine
Madonna auf dem Boden. Es ist die Madonna seines Bruders Peter, der mit
seinem Freund Anthony immer mehr ins kriminelle Milieu abdriftete.
Insgesamt wirkt "Crash" sehr bedrückend und nur bedingt
hoffnungslos. Er zeigt aber sowohl die stärken als auch die Schwächer
der Protagonisten und da sie "gut" genauso gut könnten wie "schlecht"
gibts noch Hoffnung in der Metropole, wo es dauernd crasht und das
reinste Chaos herrscht. Man möchte zwar meinen in einer
Millionenmetropole wird man sich nie mehr finden, wenn man sich
verliert, doch hier herrscht das Motto "man trifft sich immer zweimal"
und so ist das Geflecht an Menschen, die Haggis hier skizziert, beinahe
magisch miteinander verwoben, denn sie begegnen sich manchmal erneut. Es
wird viel über Rassismus gezeigt, doch Sandra Bullock als Jean sagt
noch einen bedeutenden Satz "ich glaube ich fühle mich nicht schlecht
wegen dieses Überfalls, es muss noch was anderes sein". Eine Andeutung
über die Unzufriedenheit unserer Zeit.
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