Mittwoch, 18. März 2020

Die untreue Frau


Regie: Claude Chabrol

Die Beseitigung des Nebenbuhlers...

Für viele Fans des französischen "Hitchcock" Claude Chabrol ist der 1968 entstandene dramatische Filmkrimi "Die untreue Frau" seine beste Arbeit überhaupt. Wobei die vier Nachfolgefilme "Das Biest muß sterben", "Der Schlachter", "Der Riß" und "Vor Einbruch der Nacht" sowie die beiden 1978 entstandenen "Blutsverwandte" und "Violette Noziere" mindestens genauso stark sind.
Auffallend ist aber bei "La femme infidele" - so der Originaltitel - die geniale wie äusserst ruhige und kühle Präzision wie sich die Geschichte entwickelt. Typisch für die besten französischen Spielfilme dieser Zeit, auch Jean Pierre Melvilles "Der eiskalte Engel" funktioniert wie ein präzise konstruiertes Uhrwerk. Unterschiedlich ist aber das Grundgerüst mit der ein Mord abläuft. Melvilles Killer entspringt aus dem amerikanischen Film Noir, sein Held ist ein geheimnisvoller Einzelgänger. Ein Killer ohne Moral, aber einem unumstößlichen Ehrenkodex verpflichtet. Chabrols Protagonist entspringt da einer Kolportagegeschichte aus dem gehobenen Bürgertum. Er verneint nicht die Gesellschaft, sondern er mordet aus einer Situation heraus, die jedem widerfahren könnte.
Wir lernen dabei das Ehepaar Charles (Michel Bouquet) und Helene Desvallees (Stephane Audran) kennen. Eine scheinbar glückliche und harmonische Ehe, wie die ersten Szenen in schönen Bildern und leuchtenden Farben vermitteln. Auch der gemeinsame kleine Sohn Michel (Stephane di Napoli) wirkt sehr glücklich in der liebevollen elterlichen Obhut. Er ist Klassenbester und ein aufgeweckter Junge. Charles Schwiegermutter meint aber zu  Helene, dass Charles dringend abnehmen müsste - er hat doch ein paar Fettpolster im Lauf der Zeit angesetzt. Kein Wunder: Der Mann ist erfolgreicher Jurist und hat ein Anwaltsbüro in Paris. Dort sitzt er meistens und zuhause in der Nähe von Versailles, in seinem schönen Haus mit großem Garten ruht  er aus. Sie führen ein luxuriöses Leben...nur der gemeinsame Sex scheint keinen Platz mehr zu haben in dieser bürgerlichen Wohlfühlidylle. Und den holt sich Helene heimlich bei einem Liebhaber (Maurice Ronet) in dessen Pariser Wohnung. Charles hatte davon keine Ahnung, aber ein Telefonat macht ihn verdächtig. Er versucht der Frau nachzuspionieren. Ausserdem schlägt er ihr vor wieder mal einen Abend in Paris mit Freunden zu verbringen. Helene geht doch gerne aus und tanzt sehr gerne. Aber erst ein Privatdetektiv bringt die letzte Gewißheit. Er verschweigt Helene, dass er Bescheid weiß. Statdessen besucht er den Rivalen, der Viktor Pegalla heißt, auf. Im Laufe dieses Zusammentreffens eskaliert die Situation von einem Moment zum anderen. Viktors Leiche liegt erschlagen auf dem Boden. Der Affekthandlung folgt die behutsame und planvolle Beseitigung von Blut, Fingerabdrücken und die Leiche wird in einem abgelegenen Teich versenkt...




In diesem Moment wird natürlich Hitchcocks berühmtester Film "Psycho" zitiert. Wie Norman Bates darauf wartet, dass das Auto im Wasser verschwindet, wartet auch Charles darauf, dass der eingebundene Leichnam untergeht und damit jeglicher Beweis vernichtet wird. Er kehrt dann als liebevoller Ehemann - wie wenn nichts gewesen wäre - nach Hause zurück. Nur unterbewusst scheint die Frau etwas zu bemerken. Er als Täter und Sie in einer Ahnung begegnen sich auf einmal etwas aggressiver. Natürlich wird die Polizei wegen Victors Verschwinden vorbeischauen, denn Helenes Telefonnummer ist ein Anhaltspunkt. Sie sagt dann, dass sie ihn flüchtig kennt und kann sich nicht vorstellen, dass ein Mann einfach so von der Bildfläche verschwindet. Sie kommen ein zweites Mal und bevor sie ein drittes Mal erscheinen, entdeckt die Frau im Jackett ihres Mannes die Fotografie ihres verschwundenen Geliebten mit den Angaben seiner Adresse. Sie verbrennt das Bild und beide werden "Ich liebe dich" über die Lippen bringen. Ob die Polizei dann etwas herausgefunden hat und ob Charles als Mörder überführt wird lässt Chabrol offen. Der Zuschauer wird im Dunkel gelassen. Einmal mehr funktioniert das geniale Kunststück, dass man als Zuschauer sich längst schon mit dem Mörder aus Liebe identifiziert hat und eigentlich wünscht, dass er nicht geschnappt wird. Chabrol hat genauso wie Hitchock in "Psycho" den Zuschauer zum komplizen des Mörders gemacht.



Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen