Regie: Jean Cocteau
Im Reich der Toten...
Der bekannte Schriftsteller und Maler Jean Cocteau drehte 1930 mit "Das
Blut des Dichters" seinen ersten Spielfilm. Dabei suchte er auch beim
Film neue Wege und hatte es beim Publikum anfangs nicht gerade einfach.
Dennoch sind einige seiner Filme große Klassiker geworden, vor allem der
1946 entstandene Märchenfilm "Es war einmal" und der vier Jahre später
entstandene "Orphee", der auf der antiken Sage von Orpheus und Eurydike
basiert, diese aber sehr eigenwillig und modern interpretiert.
Der Regisseur spielt in diesem Film auf eine faszinierende Weise mit
Mythen und Bildern. Kameramann war Nicolas Hayer, der mit seiner Arbeit
in Clouzots "Der Rabe" bereits eine Weltklasse-Vorstellung gab. "Orphee"
gilt als Hayners zweites Hauptwerk, indem er Coucteaus inszenatorischen
Einfällen einen optischen Rahmen durch seine sehr eigenwillige
Bildgestaltung gab. So wurde eine Welt der Halbschatten, der Rätsel
geschaffen - in dem die Spiegel zur Tür ins Jenseits führen.
Die Geschichte spielt jedoch nicht in der Antike, sondern im
zeitgenössischen Paris und zeigt Impressionen aus dem vor allem von den
Künstlern besuchten "Cafe des Poetes". Orphee (Jean Marais) hält sich
dort gerne auf, obwohl man dort nicht sehr gut auf ihn zu sprechen ist.
Vielleicht gerade deshalb, weil er als Künstler ein breites Publikum
gefunden hat und nun sehr populär ist. Ebenfalls vor Ort ist der neue
aufstrebende Cegeste (Edouard Dermit), der mit seiner Mentorin, einer
schönen Prinzessin (Maria Casares) dort auftaucht. Durch einen
tragischen Unfall - verursacht wegen zwei Motorradfahrern - wird der
neue Stern am Dichterhimmel schwer verletzt und die Prinzessin fordert
Orphee auf als Zeuge bereitzustehen. Sie nimmt ihn mit in ihrem Wagen,
der von Chauffeur Heurtebise (Francois Perier) gesteuert wird. Alles
wird immer unwirklicher und Orphee bemerkt, dass der Verletzte
inzwischen verstorben ist. Dies scheint die Prinzessin nicht besonders
zu stören. Viel mehr Aufmerksamkeit schenkt sie den abstrakten
Gedichten, die im Radio durchgegeben werden und von denen auch Orphee
immer mehr fasziniert ist. Sie kommen an ein Schloß und es scheint auch
eine andere Welt zu sein. In einem Spiegel verschwindet die Prinzessin
mit dem jungen toten Dichter. Am Anderen Morgen wacht Orphee in einer
öden Landschaft auf, doch der Chauffeur hat auf ihn gewartet und bringt
Orphee heim zu seiner Frau Eurydike (Marie Dea), die bereits ihre beste
Freundin Aclaonice (Juliette Greco) hat kommen lassen, was Orphee gar
nicht gefällt. Er wirft sowohl die Freundin als auch die ermittelnde
Polizei aus dem Haus und widmet sich in der Folgezeit immer mehr diesen
seltsamen Botschaften aus dem Radio. Und immer mehr ist er fixiert
darauf die Prinzessin wieder zu treffen und einen Weg ins Schattenreich
des Todes zu finden...
Beim Anschauen von "Orphee" taucht man auch in eine Zeit des Kinos ein
und zu Filmwerken, die heute ganz aus der Szene verschwunden sind. Dies
sorgt natürlich für eine weitere faszinierende Variante - auch die
Schauspieler sind gut gewählt. Vor allem auch Maria Casares als
Prinzessin, die sich in Orphee verliebt hat. Eine verbotene Liebe, denn
sie ist der Tod. Auch der Chauffeur, ein Toter aus der Unterwelt, ist
ein Liebender. Dabei trägt sowohl der Tod als auch die Liebe stets das
gleiche Gesicht. Auch der Spiegel fungiert in vielfacher Weise. Nicht
nur als Eintritt ins Reich der Toten - wir sehen ja in Spiegeln täglich
wie wir alt werden. Jeden Tag ein Stück näher in die Nähe des Todes.
Auch von der Unsterblichkeit des Dichters und der Liebe erzählt die
Geschichte.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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