Regie: Pier Paolo Pasolini
Einfangen, foltern, töten...
"Salo - Die 120 Tage von Sodom" ist Pier Paolo Pasolinis letzter Film.
So gesehen ist dieser sehr umstrittene Skandalfilm auch sein
Vermächtnis. In einem Interview sagte er "Salo wird ein grausamer Film
sein. So grausam, das ich (so nehme ich an) mich zwangsläufig bald davon
distanzieren muss, so tun, als würde ich das alles nicht glauben, als
sei ich ganz starr vor Überraschung..." Damit lässt sich heraushören,
dass er mit den ausgebreiteten Scheußlichkeiten und der perversen
Widerwärtigkiet nicht nur Ekel hervorrufen wollte, sondern auch eine
Erkenntnis. Die faschistische Ideologie und jede absolute Macht wollte
er mit diesem Treiben entlarven - der Zuschauer sollte erkennen, dass
ein solches System den Menschen nur ausnutzt, erniedrigt und kränkt und
am Ende zerstört. Doch der Kinogänger des Jahres 1975 verlor die
Kontrolle über diese fiesen und schockierenden Bilder, im Grunde wurde
von der Mehrheit nur die "sexuelle Perversion" gesehen. Im Heimatland
Italien wurde der Film verboten. In Deutschland lief der Film damals im
Kino und es gab dauernd Berichte darüber, dass sensible Zuschauer den
Saal verlassen musste, weil sie sich aufgrund der gezeigten Szenen
übergeben musste. So hatte er bald den Ruf. Er wurde verboten, dann
wieder erlaubt. Ein Hin- und Her der Anzeigen, einstweiligen
Verfügungen, beschlagnahmten Kopien - schließlich landete er 1987
endgültig auf dem Index.
Der Filmtitel besteht aus "Salo" und "Die 120 Tage von Sodom" - daher
sind zwei Themen miteinander verknüpft. Salo war von 1943 bis 1945 die
Hauptstadt der Repubblica Sociale Italiana von Mussolini unter der
militärischen Protektion Deutschlands. Die "120 Tage von Sodom" ist ein
Buch des Marquis de Sade, der sadisistische Sexualpraktiken von vier
einflussreichen Franzosen beschreibt, die in einem zugemauerten Schloß
an einem geheimen Ort Südwestdeutschlands während eines viermonatigen
Aufenthaltes dort ausgelebt werden.
Der Film ist in die drei Sekmente "Höllenkreise der Leidenschaft",
"Höllenkreis der Scheiße" und "Höllenkreis des Blutes" unterteilt, was
an Dantes Inferno verweist. Also Faschismus...zuerst Leidenschaft, dann
Scheiße fressen und schließlich im Blutbad enden.
Im Jahr 1944 beginnt die Geschichte. Fürst Blangis (Paolo Bonacelli),
ein Monsignore (Giorgio Cataldi), Präsident Durvet (Aldo Valetti) und
ein Prälat (Umberto Paolo Quintavalle) haben eine abgelegene Villa für
die Verwirklichung perverser Ausschweifungen auserkoren. Mit der Hilfe
der Gestapo und weiteren miesen Schergen haben sie acht junge Männer und
acht junge Mädchen aus gutem Hause festnehmen lassen und entführt. In
einer dreitätigen Orgie sollen diese jungen Menschen missbraucht,
gedemütigt, geschändet und am Ende ermordet werden. Für diese
Ausschweifung wurden extra drei Erzählerinnen engagiert, diese Damen
Vaccari (Helene Surgere), Castelli (Caterina Boratto) und Maggi (Elsa de
Giorgi) sollen zusätzlich die Lust beim Quartett und auch bei den
Gefangenen wecken. Eine Pianistin (Sonia Saviange) begleitet die
widerlichen Ausschweifungen...
Zuerst wird vergewaltigt, dann auf die übelste Weise erniedrigt und
gefoltert. Am Ende beobachten die vier einflussreichen Männer mit einem
Fernglas von einem Zimmerfenster aus wie die auserkorenen Opfer von den
engagierten jungen Soldaten auf grausamste Art und Weise ermordet
werden. Als ich "Salo" zum ersten Mal sah, war ich tatsächlich so
schockiert, dass ich da keinen Subtext mehr herauslesen konnte. Nun beim
zweiten Mal kann man schon die Ambition des Regisseurs dahinter
erkennen, denn so sehr schockierend die Bilder sind - ein
pornographischer Film ist das auf keinen Fall. Eher das Gegenteil. Eher
kann man darin die schockierende Vision des menschlichen
zerstörungswillen sehen. Die Lust wird nicht durch Liebe erzeugt,
sondern durch Gewalt, die man dem anderen antut. Wie in vielen seiner
Filme hat Pasolini viele Rollen mit Laiendarstellern besetzt. Von diesen
Laien dürfte der Junge Franco Merli wiedererkannt werden, denn der
spielte bereits ein Jahr vorher in Pasolinis "Erotische Geschichten aus
1001 Nacht" mit - ebenso die dunkelhäutige Iris Pelegrini, die im
gleichen Film die Rolle der Sklavin Zumurrud spielte.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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