Regie: Nagisa Oshima
Der Junge, der seine Taube verkaufte...
Die bekanntesten Filme des japanischen Regisseurs Nagisa Oshima sind
sicherlich der Skandalfilm "Im Reich der Sinne" aus dem Jahr 1976 sowie
der britisch-japanische Kultfilm "Furyo - Merry Christmas Mr. Lawrence"
aus dem Jahr 1983 mit David Bowie und Ryuichi Sakamoto.
Seine Regiekarriere begann aber bereits in den späten 50er Jahre und
Oshima wurde bald einer der führenden Vertreter der japanischen neuen
Welle (Nuberu bagu). Er gründete bald darauf eine eigene
Filmproduktionsgesellschaft und seine Werke befassten sich sehr oft mit
Tabuthemen wie Sex, Verbrechen und Gewalt.
Sein 1959 entstandener "Stadt der Liebe und Hoffnung" (Originaltitel: Ai
to Kibo no Machi) ist sein erster Langfilm, obwohl er nicht mal 65
Minuten lang ist.
Es ist ein Werk, dass durch die unverblümte Darstellung der Armut in
Japan sehr stark auch an die italienischen Meisterwerke des Neorealismus
erinnert. Eine alleinerziehende Mutter mit der größten
Opferbereitschaft für ihre beiden Kinder, die es einmal besser haben
soll als sie.
Die Mutter (Yuko Mochizuki) ist gesundheitlich sehr angeschlagen, spielt
den Zustand aber vor ihren Kindern herunter. Ihr Junge Masao (Hiroshi
Fujikawa) ist ein guter Schüler und die Mutter will unbedingt, dass er
weiter die Schulbank drückt um später studieren zu können. Der Junge
sieht aber sehr wohl, dass die Mutter sich permanent überarbeitet und
will viel lieber eine gute Ausbildung beginnen. Die kleine Schwester
Yasue (Michio Ito) hängt an den Tauben, die ihr Bruder besitzt und mit
denen er die spärliche Haushaltskasse aufbessert, indem er die Tiere
verkauft. Der Trick dabei ist, dass die Tauben immer wieder zum Besitzer
zurückkehren, so kann er diesen Betrug wiederholen und immer wieder ein
bisschen dazu verdienen.
Er verkauft auch eine dieser Tauben an die etwas gleichaltrige Kyoko
(Yuki Tominaga). Das Mädchen findet Gefallen an dem sympathischen und
ruhigen Jungen, der in Armut aufwächst - sie selbst ist die Tochter
eines wohlhabenden Fabrikanten, die auch immer wieder neue Arbeitskräfte
suchen. Doch die Jungs aus der Tokyo Vorstadt haben bei ihren
Bewerbungen kein Glück, die Firma holt sich lieber Jungen vom Land, die
einen weitaus besseren Ruf haben. Aber Masaos Lehrerin (Kakuko Chino)
setzt sich für ihren Schüler ein und auch das Mädchen appelliert an
ihren Vater (Fujio Suga) und an ihren Bruder (Fumio Watanabe) dem Jungen
eine Chance zu geben. Dann aber kommt sein Betrug mit den Tauben ans
Licht...
Ein echtes Melodram, wenn man so will - aber vom Regisseur mit
nüchternen Bildern versehen und schafft es sofort, dass man am Schicksal
des Jungen und seiner Familie, die in einer lausigen Baracke wohnen,
interessiert ist und auch mit ihnen mitfühlen kann. Liebe Menschen, die
füreinander da sind, die aber Null Chance für einen Aufstieg haben. Die
Tauben werden auch zu einem gewissen Symbol der Geschichte und das Ende
bietet dann auch wenig Hoffnung, aber ganz viel Realität. Eigentlich
wollte Oshima seinen Film "Der Junge, der die Taube verkaufte" nennen,
doch damit waren die Produzenten nicht einverstanden.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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